Mitarbeiterin eines Seniorenheims betreut einen Bewohner
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Fünf Jahre Pflegeverband: Leise Stimme eines wichtigen Berufs

Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern soll die "Stimme der Pflege“ sein. Ein halbes Jahrzehnt nach ihrer Gründung tut sich die VdPB aber immer noch schwer, Pflegekräfte für sich zu gewinnen. Auch andere Berufsverbände haben nur wenige Mitglieder.

Schätzungsweise rund 167.000 Männer und Frauen arbeiten in Bayern in der Pflege. Aber nur rund 3200 von ihnen sind Mitglied in der Vereinigung der Pflegenden. Fünf Jahre nachdem der Gründungsausschuss der VdPB am 24.10.2017 zusammengekommen ist, wollen also nur weniger als zwei Prozent aller Pflegekräfte eine Interessensvertretung ihres Berufes mit einer Mitgliedschaft unterstützen.

Anlaufschwierigkeiten nicht überwunden

Der Präsident der VdPB, Georg Sigl-Lehner, wünscht sich eine deutlich höhere Mitgliederzahl für seinen Verband. Doch seiner Ansicht nach lässt sich erklären, warum es schwer ist, Mitglieder zu werben. Pflegekräfte seien "aus einer Tradition heraus leider wenig politisch unterwegs“, sagt Sigl-Lehner. Aber die Politik habe der Pflege "auch nie wirklich zugestanden, ihre Interessen selber zu vertreten“, sagt der VdPB-Präsident. Über die Arbeit seiner Organisation zieht er fünf Jahre nach ihrer Gründung dennoch eine positive Bilanz.

Fortschritte in der Fort- und Weiterbildung

So hat der Verband ein Register erstellt, in dem mehr als 14 000 Fachkräfte verzeichnet sind, die sich um die praktische Einweisung von Nachwuchskräften kümmern, die sogenannte Praxisanleitung. Gleichzeitig warnt Sigl-Lehner davor, dass nach den Belastungen der Corona-Pandemie viele Pflegekräfte den Beruf verlassen könnten. In den Medien hat sich dafür der Begriff "Pflexit“ etabliert. "Wir müssen das Thema sehr ernst nehmen“, sagt der VdPB-Präsident. Es müsse gelingen, Perspektiven für die Pflege zu entwickeln, warnt Sigl-Lehner: "Weil die Situation so brisant ist, dass sie eine konsequente Weiterentwicklung mit hohem Tempo erforderlich macht."

Traditionell schwache Interessensvertretung

Die VdPB steht mit ihrem Problem, Mitglieder zu werben, nicht alleine da. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), der auf fast 120 Jahre Verbandsgeschichte zurückblickt, hat bundesweit rund 25.000 Mitglieder. Gemessen an deutschlandweit etwa 1,2 Millionen Beschäftigten in der Pflege entspricht das einem Anteil von rund 2 Prozent. Auch die Gewerkschaft Verdi ist unter Pflegekräften schwach vertreten, wie ein Sprecher einräumt. Genaue Zahlen nennt Verdi nicht.

Wichtige Aufgaben – wenig Macht

Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern soll eigentlich eine wichtige Rolle spielen. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, dadurch hat sie im Vergleich zu anderen Berufsverbänden bestimmte Privilegien. So kommt der Freistaat für ihre Finanzierung auf, rund eine Million Euro im Jahr hat sie zuletzt erhalten. Laut dem Gesetz, mit dem die VdPB gegründet wurde, sollen staatliche Behörden, die mit Fragen der Pflege zu tun haben, die VdPB "frühzeitig anhören“. Die Vereinigung selbst soll sich um Fortbildung kümmern und Qualitätsrichtlinien entwickeln. Konkrete eigene Befugnisse sind im Gesetz allerdings nicht festgelegt.

Ministerium ist zufrieden

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ist zufrieden mit der Arbeit der Vereinigung der Pflegenden. Sie habe "Herausragendes geleistet“, erklärt Holetschek. Eine positive Weiterentwicklung sei der Lehrplan für Pflegekräfte, die sich zu sogenannten "Praxisanleitenden“ weiterbilden wollen, damit sie in der Ausbildung von Pflege-Neulingen arbeiten können. Auch mit der Einrichtung eines "Pflege-Pools“ habe der Verband gezeigt, wie wichtig er sei, sagt Holetschek. Der Pflege-Pool hat nach Ausbruch der Corona-Pandemie Freiwillige an Pflegeeinrichtungen vermittelt, um Personalengpässe zu vermeiden. Derzeit sind nach Angaben des Ministeriums beim bayerischen Pflege-Pool knapp 4.400 Männer und Frauen registriert.

Die vergleichsweise geringe Mitgliederzahl der VdPB findet Holetschek bedauerlich, er sieht aber keinen Grund, die Arbeit des Verbandes deswegen in Frage zu stellen: „Eine erfolgreiche Arbeit hängt nicht unbedingt von der Zahl der Mitglieder ab." Er appelliere aber gleichzeitig an die Pflegeprofis, den Verband zu unterstützen, betont Holetschek.

Gemischte Bilanz der Opposition

Ganz anders fällt das Urteil der Grünen im Bayerischen Landtag aus. Der Oppositionspolitiker Andreas Krahl kommt zum Ergebnis: "Die Idee war damals schlecht, und sie ist immer noch schlecht.“ Weil die Mitgliedschaft in der VdPB freiwillig ist, habe der Verband keinerlei Überblick, wer überhaupt in der Pflege arbeitet, kritisiert Krahl. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Pflege-Vereinigung der Staatsregierung nach dem Mund rede, weil sie ihr Geld ja aus dem Staatshaushalt bekommt. Der Grünen-Politiker fordert eine Pflegekammer mit Pflicht-Mitgliedschaft nach dem Vorbild der Ärztekammern und Apothekerkammern.

Wohlwollender ist die Einschätzung der SPD-Oppositionellen Ruth Waldmann. Die SPD habe vor fünf Jahren bewusst die Idee eines öffentlich-rechtlichen Pflegeverbandes mit freiwilliger Mitgliedschaft unterstützt, betont sie. Ob das Projekt dauerhaft tragfähig sei, oder ob nicht doch eine Pflegekammer die bessere Lösung wäre, müsse man zu gegebener Zeit auswerten, sagt Waldmann. Derzeit sei es dafür aber noch zu früh. Allerdings hat sich nach Waldmanns Einschätzung gezeigt, dass es in Bundesländern, die eine Kammer eingeführt haben, erhebliche Probleme und Unzufriedenheit der Pflegekräfte damit gebe.

Streit um Kammer oder Körperschaft

Dass es die VdPB gibt und nicht eine bayerische Landes-Pflegekammer, ist das Ergebnis eines Umsteuerns der Staatsregierung vor rund acht Jahren. Im Jahr 2011 hatte der damalige bayerische Gesundheitsminister und heutige Ministerpräsident Markus Söder mit anderen Organisationen ein "Bündnis für Pflegekammer“ ins Leben gerufen. Eine Kammer mit Pflicht-Mitgliedschaft sollte für die Pflege eine Berufsorganisation schaffen, wie sie auch andere Heilberufe haben. Damit würden die Pflegeberufe aufgewertet, hieß es in einer von Söder mitunterzeichneten Erklärung.

Es gab allerdings von einigen Seiten heftigen Widerstand. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft etwa warnte vor unnötiger Bürokratie. Die gleiche Warnung kam vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Wenn für eine verpflichtende Kammer-Mitgliedschaft Beiträge gezahlt werden müssten, mache das Arbeit in der Pflege unattraktiv, lautete ein weiteres Argument. Die Staatsregierung änderte nach der intensiven Kritik ihren Kurs und rief die Vereinigung der Pflegenden ins Leben. Bei ihr ist die Mitgliedschaft freiwillig und kostenlos.

Andere Länder schaffen Pflegekammern wieder ab

Eine noch deutlichere Kehrtwende bei der Interessensvertretung für die Pflege als in Bayern ist in anderen Bundesländern zu sehen. Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben Mitte des vergangenen Jahrzehnts Pflegekammern eingeführt, sie aber zum Ende des vergangenen Jahres wieder abgeschafft. Vorher hatte es unter Pflegekräften viel Kritik an der Pflicht-Mitgliedschaft mit Pflicht-Beiträgen gegeben. Rheinland-Pfalz ist derzeit das einzige Bundesland, das eine Pflegekammer hat. In Nordrhein-Westfalen befindet sich eine Kammer im Gründungsprozess.

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