Ein Mann und eine Frau bringen an der Fassade eines Hauses einen Schriftzug an.
Bildrechte: BR

Seit 2022 ist das Wirtshaus in Wölsauerhammer geschlossen. Der Stammtisch und die Dorfgemeinschaft haben es gerettet.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Eine Dorfgemeinschaft packt an und rettet ihr Wirtshaus

Seit 2022 ist das Wirtshaus in Marktredwitzer Ortsteil Wölsauerhammer geschlossen. Doch der Stammtisch und die Dorfgemeinschaft haben die Sache selbst in die Hand genommen, zusammengelegt und die Kneipe gerettet.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau am .

Es ist ruhig geworden im Marktredwitzer Ortsteil Wölsauerhammer. Seit das Wirtshaus vor eineinhalb Jahren dicht gemacht hat, fehlt der Treffpunkt im Dorf. Denn dort ist nicht nur der Stammtisch jeden Freitag zusammengekommen. Das Wirtshaus war auch der Ort, an dem die Sportvereine gefeiert haben und wo sich die Bürger am Sonntagmittag zum Bratenessen getroffen haben. In der "Gaststätte im Winkel" wurden in den vergangenen 120 Jahren zahlreiche Familienfeste wie runde Geburtstage, Taufen, Konfirmationen und Kommunionen gefeiert.

Ein Dorf wehrt sich

Die "Hammerner" wollten sich nicht damit abfinden, dass das einzige Wirtshaus in der 300-Seelen-Gemeinde geschlossen ist. Denn im Ort sind sich alle einig. Schreinermeister Jürgen Bayer bringt es auf den Punkt: "Unser Dorf ist nicht das schönste Dorf. Aber was nützt das schönste Dorf mit den schönsten Häusern, wenn man keine Kneipe hat. Die Kneipe gehört zu einem Dorf und das wertet es auch auf."

Und so entsteht in Wölsauerhammer das "Hammer-Projekt". Die Bürgerinnen und Bürger nehmen die Rettung ihres Wirtshauses selbst in die Hand.

Der Plan: Eine Bürgergenossenschaft

Im Frühjahr 2023 wird die Idee geboren, eine Bürgergenossenschaft zu gründen, um das Wirtshaus zu retten. Jeder Interessierte kann Anteile von jeweils 500 Euro erwerben und so Miteigentümer werden. Kurzfristig wird eine Infoveranstaltung im großen Saal des Wirtshauses einberufen. Viele kommen, um sich anzuhören, was hinter so einer Bürgergenossenschaft steckt und wie vielversprechend diese Idee für Wölsauerhammer sein könnte. Schnell ist klar: Die Bürgergenossenschaft ist genau das, was das Wirtshaus retten kann. Wolfdieter von Trotha vom Genossenschaftsverband Bayern erklärt, wie das Projekt funktioniert und hört sich die Ideen der Dorfgemeinschaft an. Auch er ist überzeugt, dass das Projekt funktionieren kann.

"Jede Genossenschaft ist ein wirtschaftliches Unternehmen und lebt vom Umsatz. Und das ist auch bei der Gastwirtschaft so. Das muss genutzt werden, und wenn hier im Sommer der Biergarten floriert, dann sind das eigentlich gute Vorzeichen." Wolfdieter von Trotha, Genossenschaftsverband Bayern

Bürger investieren und es gibt eine Förderung

Im Juni 2023 wird die Bürgergenossenschaft in Wölsauerhammer gegründet - und das Interesse in und um Marktredwitz ist groß. 160 Genossenschafts-Anteile sind bis heute verkauft - für jeweils 500 Euro. Das sind 80.000 Euro, die in die Instandsetzung des Wirtshauses investiert werden können. Das Amt für ländliche Entwicklung fördert die Pläne mit bis zu 110.000 Euro. Auch die Stadt Marktredwitz hilft. Sie hat das Gebäude gekauft und verpachtet jetzt das Wirtshaus an die Genossenschaft weiter. Die "Hammerner" hoffen, dass noch mehr Anteile gekauft werden. Die Marke von 200 wollen sie auf jeden Fall knacken.

Der Umbau läuft

Seit November 2023 laufen die Um- und Ausbauarbeiten in dem Jahrhunderte alten Gebäude. Das Gebäude wurde praktisch entkernt. Jetzt wird alles neu aufgebaut. Viele Genossenschaftsmitglieder sind selbst Handwerker, etwa Schreiner oder Elektriker, und packen bei den Bauarbeiten mit an. Jetzt wurde die neue Küche geliefert. Allein die kostet an die 100.000 Euro. Ein Koch ist bereits engagiert und auch die ehemalige Wirtin hat versprochen, für ein paar Stunden jede Woche wieder mitzumischen in der Kneipe. Eine Bedienung haben die "Hammerner" ebenfalls schon aufgetrieben.

Die letzten Zweifel schwinden

Die Toiletten, die Decke im Hausflur, die Küche - alles erstrahlt mittlerweile in neuem Glanz. Dass sie es schaffen, das alte Wirtshaus tatsächlich auf Vordermann zu bringen - daran hatte so manch ein Genossenschaftsmitglied in den vergangenen Wochen immer mal wieder gezweifelt. Denn während der Bauarbeiten tauchten immer wieder neue Probleme auf. Bei der Öffnung einer Wand entdecken die Arbeiter zusätzliche Wasserleitungen, die dringend erneuert werden müssen. An anderer Stelle stoßen sie auf defekte Abwasserrohre und andere Dinge, die den Umbau komplizierter machen. Doch nach drei Monaten Arbeit steht das "Hammer-Projekt" vor der Fertigstellung. 

Der Stammtisch zieht wieder ein

Die Wirtsstube kann endlich wieder eingeräumt werden. Das übernehmen die Männer vom Stammtisch. Auf diesen Moment haben sie sich schon lange gefreut. Im April soll die Kneipe offiziell wiedereröffnet werden. Bis dahin soll auch der Biergarten, wenn denn alles nach Plan läuft, fertig sein. Auch wenn es bis zum offiziellen Start des Wirtshaus-Betriebs noch ein paar Wochen dauert - die Männer vom Stammtisch machen es sich jetzt schon in ihrer alten, neuen Heimat gemütlich. Es gibt viel zu besprechen, denn ein wichtiger Termin steht an. Der Stammtisch feiert nämlich in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen.

Dieser Artikel ist erstmals am 25. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!