Pflanzenvernichtungsmittel "Roundup"
Bildrechte: BR / Christine Schneider

Das Pflanzenvernichtungsmittel "Roundup" basiert auf Glyphosat.

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Bleibt Glyphosat erlaubt? EU-Behörde stellt neue Bewertung vor

Wie gefährlich ist Glyphosat für Artenvielfalt und Gesundheit? Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit liefert am Donnerstag ihre Bewertung des Pflanzenvernichters. Sie ist entscheidend für die Frage, ob die EU Glyphosat weiter zulässt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (efsa) hat das umstrittene Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat neu bewertet. Am heutigen Donnerstag gegen 11 Uhr stellt die Behörde wichtige Ergebnisse dazu vor.

Diese sollen ausschlaggebend dafür sein, ob Glyphosat auch nach 2023 noch in der EU zugelassen sein wird. Denn: Auf Grundlage dieser Bewertung wird die EU-Kommission den Mitgliedstaaten entweder eine Wiederzulassung oder Nicht-Wiederzulassung des Wirkstoffes Glyphosat vorschlagen. Daraufhin werden die Mitgliedsstaaten darüber abstimmen - voraussichtlich im Oktober.

Umweltinstitut lehnt Wiederzulassung ab

Das Umweltinstitut München lehnt eine Wiederzulassung ab, "weil es immer mehr unabhängige, wissenschaftliche Studien gibt, die belegen, dass Glyphosat enorme negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat und auch auf die menschliche Gesundheit", erklärt deren Referentin für Landwirtschaft Christine Vogt.

Glyphosat könne laut Christine Vogt auch in den Menschen gelangen, etwa durch Rückstände in Lebensmitteln oder über die Luft. Eine Unterorganisation der WHO stufte Glyphosat 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Weil glyphosathaltige Mittel für Krebsfälle mitverantwortlich waren, musste der Chemie- und Pharmakonzern Bayer mehrere Millionen Dollar Schadensersatz zahlen.

Glyphosat lässt grüne Pflanzen absterben

Glyphosat ist ein sogenanntes "Totalherbizid", das alle grünen Pflanzen tötet, indem es ein bestimmtes Enzym blockiert. Lange ging man davon aus, dass dieses Enzym nur in Pflanzen vorkommt und dass Glyphosat deshalb keine Auswirkungen auf andere Lebewesen hat. Dass dem wohl nicht so ist, haben mehrere Untersuchungen gezeigt.

Glyphosat kann zum Beispiel zu massiven Schädigungen von Amphibien führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Universität Ulm. Dokumentiert wurden bei Kaulquappen Missbildungen des Körpers, der Augen, der Hirnnerven und der Herzen. Auch das Brutverhalten von Erdhummeln wird einer Studie zufolge durch Glyphosat beeinträchtigt. Das hat Wildbienenforscherin Anja Weidenmüller von der Universität Konstanz untersucht. Schon 2018 zeigte eine Studie, dass Glyphosat die Darmflora der Honigbiene beeinträchtigt, dadurch ihr Immunsystem schwächt und somit indirekt zum Bienensterben beiträgt.

Stirbt Glyphosat den Image-Tod?

Aufgrund solcher Studien und Ereignisse hat Glyphosat ein schlechtes Image. Biobauern dürfen ohnehin kein Glyphosat verwenden. Aber auch manche konventionelle Landwirte verzichten freiwillig auf das Mittel. So hatten sich etwa Landwirte, die die Käserei Goldsteig in Cham belieferten, dafür eingesetzt, dass Glyphosat für alle Zulieferer der Käserei weiterhin verboten bleibt - obwohl Goldsteig ihnen eigentlich wieder erlauben wollte, Glyphosat zu verwenden.

Bauernverband hält an Glyphosat fest

Doch viele Bauern - auch in Bayern - halten an dem Mittel fest, auch wenn es in Deutschland nur eingeschränkt eingesetzt werden darf. Wie Markus Drexler, Sprecher des Bayerischen Bauernverbands, mitteilt, werde in anderen Teilen der Erde Glyphosat insbesondere in Kombination mit gentechnisch veränderten Pflanzen in einem ganz anderen Zusammenhang und in wesentlich größeren Mengen verwendet als in Deutschland.

Im Freistaat werde Glyphosat in der Regel nur eingesetzt, um vor der Saat konkurrierende Unkräuter absterben zu lassen. So könne auf tiefere Bodenbearbeitung verzichtet werden, was im Zusammenhang mit Erosions- und Bodenschutz und in Sachen Energieverbrauch Vorteile mit sich bringe. Bei einem möglichen Anwendungsverbot von Glyphosat sei davon auszugehen, dass häufiger mechanische Bodenbearbeitung nötig werde, was die Bodenstruktur zerstöre und Insekten, Spinnen oder Würmer beeinträchtige, so Drexler.

Biobauern verwenden generell keine Pestizide

Ganz anders sieht das Naturland, der Verband für ökologischen Landbau. Niemand brauche Glyphosat oder irgendein anderes Totalherbizid, erklärt Naturland-Sprecher Markus Fadl.

Wie man ohne "diese Hilfsmittel aus dem Giftschrank" auskomme, würden Bio-Betriebe seit Jahrzehnten vormachen - nämlich mit einer intelligenten Anbauplanung in abgestimmten Fruchtfolgen, ergänzt durch mechanische Unkrautregulierung. Die Landmaschinen-Hersteller hätten längst reagiert, so Fadl, und in den vergangenen Jahren viel Technik für eine Landwirtschaft ohne Glyphosat auf den Markt gebracht. Das könnten auch konventionelle Betriebe nutzen – und viele würden das auch längst tun.

Doch aufgrund allgemein steigender Lebensmittelpreise haben es Bio-Produkte auf dem Markt derzeit nicht leicht. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Bayern liegt nur bei rund 13 Prozent. 87 Prozent der Flächen in Bayern werden also konventionell bewirtschaftet und somit dürfte dort - unter bestimmten Vorgaben - Glyphosat ausgebracht werden, sofern es der jeweilige Landwirt verwenden will und es zugelassen bleibt.

Die unendliche Glyphosat-Story und der Schmidt-Skandal

Über die Glyphosat-Zulassung wird schon seit Jahren gerungen. Üblich ist, dass Pestizidwirkstoffe regelmäßig einer Neubewertung unterzogen werden. Glyphosat bekam seine letzte Wiederzulassung im Jahr 2017. Grund dafür war auch das Verhalten des damaligen Bundeslandwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU), der sich eigentlich hätte enthalten müssen, da das Umweltministerium im Gegensatz zum Landwirtschaftsministerium einer weiteren Zulassung ablehnend gegenüberstand.

Doch Schmidt stimmte für eine Wiederzulassung von Glyphosat und lieferte so die nötige Mehrheit dafür. Damit war Glyphosat in der EU weiterhin zugelassen - eigentlich nur bis Ende 2022. Doch weil die efsa ihre Neu-Bewertung nicht fristgerecht fertigstellte, verlängerte die EU-Kommission die Zulassung bis Ende 2023.

Wie es danach weitergeht, werden die Mitgliedsstaaten wohl im Oktober auf Grundlage der heute veröffentlichten efsa-Bewertung abstimmen.

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