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Brückner-Neubau in Tittmoning

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Streit um Flächenfraß in Tittmoning

Die Grünen stemmen sich gegen die "Betonflut" in Bayern und haben ein Volksbegehren gegen Flächenfraß gestartet. Vielerorts wird heftig gestritten über den Flächenfraß. Zum Beispiel in Tittmoning im Landkreis Traunstein. Von Hans Häuser

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13 Hektar Natur werden in Bayern täglich versiegelt, sagen die Grünen und haben ihr Volksbegehren auf den Weg gebracht, das Landesamt für Statistik meint, es seien nur knapp zehn Hektar. Wie auch immer: in jedem Fall wird Tag für Tag eine ordentliche Fläche Natur ersetzt durch Gewerbegebiete, Wohnhäuser und Straßen. Viele Gemeinden sind darauf angewiesen, neues Bauland zur Verfügung zu stellen. Sonst könnten sie sich nicht vernünftig entwickeln, heißt es vielerorts.

Idyllische Landschaft mit grauer Halle

In Tittmoning konnte ein großer Betrieb im Ort nicht mehr weiter wachsen. Die Folge: Ein Neubau auf der Grünen Wiese – und ein Streit, ob das denn wirklich nötig war. Denn am südöstlichen Rand von Tittmoning wird die Landschaft idyllisch: Sanfte Hügel, ein paar Bauernhöfe, Pferdekoppeln. Der Blick reicht bis ins Berchtesgadener Land zu Untersberg und Hochstaufen. Reichte, muss man von einigen Stellen aus sagen, denn jetzt steht das neue Werk von Brückner im Weg. Der Hersteller von Textilmaschinen hat hier auf einem acht Hektar großen Grundstück neu gebaut: Eine große, langgestreckte, graue Halle.

"Wenn ich das jetzt so sehe, bestätigt das die schlimmsten Befürchtungen, die wir gehabt haben. In der besten landwirtschaftlichen Gegend sowas zu machen, ist einfach eine Todsünde." Biobauer Hans Glück

Ohne Anschluss ans Gewerbegebiet

Biobauer Hans Glück sitzt für die Ökologische Bürgerliste im Tittmoninger Stadtrat. Den Bau hier mitten auf dem Feld hätte er gern verhindert.

"Es ist ein Unterschied, ob man das an ein Gewerbegebiet anschließt oder ob man das dann so wie hier in die freie Prärie plant und reinsetzt, wo zum Beispiel das Hauptbrutgebiet von den Kiebiz-Vögeln war hier in der Region. Das hat man einfach damit zerstört." Biobauer Hans Glück

Die Konkurrenz der Gemeinden

Glück hat auch eine Alternative vorgeschlagen: Ein Grundstück in einem bereits erschlossenen Gewerbegebiet nur wenige Kilometer weiter. Doch das gehört zur Nachbargemeinde Fridolfing, und der Tittmoninger Bürgermeister Konrad Schupfner wollte den Betrieb keinesfalls ziehen lassen.

"Das ist auf der einen Seite natürlich eine steuerliche Frage. Aber der zweite Gesichtspunkt sind die Arbeitsplätze. Die deutschen pendeln 40 Prozent bis zu einer halben Stunde, die nächsten 40 Prozent bis zu einer Stunde, und wenn ich mir vorstelle, dass wir bei uns vielleicht eine Pendelzeit von zehn Minuten und ohne Stau haben, dann weiß ich, warum ein solcher Standort bei uns Sinn macht." Bürgermeister Konrad Schupfner

Folgenreiche Ausnahme

Schupfner hat in langen Verhandlungen eine Ausnahme vom damals strengen Anbindegebot erreicht: Das Unternehmen durfte auf der grünen Wiese bauen, ohne Anschluss zu bereits bestehenden Gebäuden. Für den Bürgermeister ein wichtiges Signal auch an mögliche neue Investoren.

"Ich bin von einem Betrieb aus der Region angesprochen worden, die mir gesagt haben, sie sind auf der Standortsuche. Sie wissen nicht, ob sie am jetzigen Standort das realisieren können, die Erweiterung. Wenn aber nicht, dann wäre ich bei denen als Stadt Tittmoning im Fokus, weil sie gesehen haben am Beispiel Brückner, dass wir bereit sind, auch eine hohe Hürde zu nehmen, um den Betrieb zu halten." Bürgermeister Konrad Schupfner

Grünen-Volksbegehren als "theoretisches Monster"

Vom Flächenfraß-Volksbegehren der Grünen hält der CSU-Politiker nichts. Er fordert: Tittmoning müsse sich weiter entwickeln können.

"Wenn man jetzt so ein theoretisches Monster entwickelt, wo man dann alle möglichen Rechtfertigungen für Flächenausweisungen machen muss, dann ist das für eine vernünftige Gemeindeentwicklung nicht das richtige Instrument. Wenn der ländliche Raum nicht attraktiv bleibt, dann geht nichts mehr vorwärts. Die Dörfer werden entsiedelt, dann habe ich keine Nahversorgung mehr, dann bleiben die Jungen nicht mehr da." Bürgermeister Konrad Schupfner

"Bis hierher und nicht weiter!"

Biobauer Hans Glück sitzt selbst im Stadtrat und hat Verständnis für die Nöte des Bürgermeisters. Trotzdem glaubt er: Es ist Zeit, in Bayern grundsätzlich etwas zu ändern.

"Der Bürger sieht es inzwischen auch so, glaub ich, dass man dem Ganzen Einhalt gebieten muss. Die Bürgermeister werden das mit Sicherheit nicht machen, weil die einfach auch in Konkurrenz zueinander gesetzt werden, darum ist es ganz gut, das mal über diesen Weg zu machen, dass man der Politik sagt: Bis hierher und nicht weiter!" Biobauer Hans Glück

Denn er möchte gern, dass auch seine Kinder und Enkel noch von Tittmoning aus den Untersberg und den Hochstaufen sehen können.