Museumsdirektorin Theres Rhode läuft über eine Fläche aus Schachbrettern. Die Installation von Gregor Hildebrandt bildet das Herzstück der aktuellen Ausstellung "Hängepartie" im Ingolstädter MKK und ist extra für sie gemacht.
Vom Schach zur Pandemie: Hängepartie
Für den Künstler und leidenschaftlichen Schachspieler Hildebrandt ist der Begriff der "Hängepartie" vieldeutig. Ursprünglich kommt er aus dem Schach. Denn dort galt lange Zeit die Regel: Wenn eine Partie nach fünf Stunden noch offen ist, wird sie abgebrochen und damit die Entscheidung vertagt. Das bedeutete eine unterschiedlich lange Phase der Unsicherheit. Die Spieler hingen in der Luft. Diese Schachpraxis ist seit den 1990er-Jahren überholt, doch der Ausdruck ist in der Coronazeit in aller Munde.
Von Humor und schiefen Bildern
Wie vieldeutig, schwierig, aber auch entspannend und ästhetisch eine Hängepartie sein kann, das zeigt die gleichnamige Ausstellung in Ingolstadt. Hier hängen Mobiles und Arrangements aus Wasserwaagen, die einfach nicht ins Lot kommen wollen. Dazu auch schiefe Bilder, die manchen Besucher dazu verführen könnten, das Arrangement geradezurücken. So zumindest mutmaßt Museumsdirektorin Theres Rohde:
"Die Ausstellung bietet viel Raum für Ästhetik, aber auch für Humor. Denn den braucht man in dieser Zeit ganz besonders." MKK-Direktorin Theres Rohde
Zu viele Hängepartien überfordern
In die Ausstellung hat auch der Schachclub Ingolstadt Ideen eingebracht. Direktorin Theres Rohde führt deshalb Schachtrainer Martin Michaelis durch die Schau. Der Schachspieler erlebt die Ausstellung mit ganz eigenen Augen. Die ungezählten Schachbretter, die Künstler Gregor Hildebrandt zu einer Fläche zusammengefügt hat, führen aber auch ihn als versierten Schachspieler an seine Grenzen.
"Es ist eigentlich ganz angenehm, mal ein paar Partien gleichzeitig zu spielen und auch ein paar Partien dabei hängen zu lassen. Aber zu viele Partien gleichzeitig hängen zu lassen, geht auch nicht. Man muss schon auch im Spiel bleiben. Das haben wir gelernt in Coronazeiten: Für ein bisschen Ruhe ist mancher dankbar, wenn die Existenz nicht daran hängt. Das macht natürlich wirklich den ganz großen Unterschied, wie weit man von der Pandemie persönlich betroffen ist oder eben nicht.“ Martin Michaelis vom Schachclub Ingolstadt
Kugelgewirr und die Auflösung
Schachspieler Martin Michaelis hat auch zum Werk von Ceal Floyer namens "Newton´s Cradle" einen eigenen Zugang. Die Künstlerin hat dafür die ursprüngliche Ordnung des Kugelstoßpendels aufgehoben. Hier hängen die fünf Kugeln nicht wie gewohnt schön aufgereiht hintereinander. Die Kugeln der Künstlerin können sich nicht wie geplant wechselseitig in Bewegung setzen. Stattdessen hat Floyer sie zu einem schier unentwirrbaren Knäuel verwoben. Sie hängen einfach "falsch": eine Hängepartie der eigenen Art, die Museumsbesucher Martin Michaelis aus eigener Erfahrung kennt:
"Als Kinder hatten wir auch so ein Pendel und das hat sich immer wieder verknotet. Wir haben es dann immer wieder entknotet. Das ist ja auch etwas, was die Coronazeit geprägt hat, eben die Erwartung, dass es tatsächlich auch wieder weitergehen kann." Martin Michaelis, Schachclub Ingolstadt
Eine Hängematte und viele Eindrücke
Die Ausstellung lädt jeden Besucher zudem dazu ein, einfach mal abzuhängen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Wer mag, kann sich in eine breite Hängematte legen und nach oben in einen Himmel aus Impressionen blicken: Über ihm hängen viele transparente Papierchen, auf denen frühere Besucher ihre Eindrücke niedergeschrieben haben. "Morgen ist heute gestern" oder "Einfach mal hängen lassen", aber auch "Hängengeblieben im Niemandsland". Die Ausstellung im Museum für konkrete Kunst ist noch bis ersten Mai zu sehen.
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