Wer die Apotheke von Frank Henle in Vöhringen betritt, kann die Plakate eigentlich nicht übersehen. Sie hängen in den Fenstern und an der Eingangstür. "Bundesweiter Protesttag" steht darauf; darunter in kleinerer Schrift die Information, dass die Apotheke am 14. Juni nicht öffnen wird. "Es ist ein Schritt, der uns schwerfällt. Den Kunden die Türe vor der Nase zuzuknallen, ist nicht unsere Art", sagt Henle. Aber die Politik zwinge ihn dazu, ein Signal nach Berlin zu schicken. Zusammen mit vielen anderen schwäbischen Kollegen will sich Henle an einem bundesweiten Streik beteiligen.
Probleme: Bürokratische Hürden und Lieferengpässe
Viel Unmut über die Arbeitsbedingungen hat sich angestaut. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Bürokratie. "Wenn ein Arzneimittel nicht geliefert werden kann und wir die Packungsgrößen ändern wollen, dann müssen wir erst aufwendig beim Hausarzt nachfragen. So geht dort und bei uns viel Arbeitskraft verloren", erklärt Henle, der eine Apotheke in Vöhringen und eine in Bellenberg im Landkreis Neu-Ulm betreibt. Die Lieferengpässe seien eine enorme Belastung, denn anders als noch vor ein paar Jahren können zahlreiche Arzneien nicht mehr innerhalb von ein paar Stunden über den Großhandel bestellt werden. Die Apotheke in Vöhringen hat ihr Lager aufgestockt, um auch Krisenzeiten überbrücken zu können. Doch all das verursacht Mehrkosten, die viele Apotheker nicht ausreichend vergütet sehen. Seit zehn Jahren wurden die Fixhonorare für Rezeptarzneimittel nicht mehr erhöht. Sie liegen derzeit bei 8,35 Euro pro Packung, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände fordert 12 Euro.
Gesundheitsministerium verweist auf erhöhte Pauschalen
Das Gesundheitsministerium in Berlin weist die Kritik in einem "Faktenblatt" zurück. Auch wenn die Erhöhung des Fixzuschlags bereits einige Zeit zurückliege, seien eine Nacht- und Notdienstpauschale, aber auch eine gesonderte Botendienstvergütung eingeführt worden, heißt es darin. Auch auf die Umsätze wird verwiesen: Apotheker hätten in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gut verdient, so der Tenor. Henle will das gar nicht leugnen. "Durch Masken und Tests in der Coronaphase haben wir kurzfristig mehr eingenommen, aber das löst die dauerhaften Probleme nicht." Der Pharmazeut verweist unter anderem auf die verhältnismäßig hohe Inflation und gestiegene Energie- und Personalkosten.
Tausende Apotheken weniger als vor zehn Jahren
Fakt ist: Die Zahl der Apotheken geht seit geraumer Zeit zurück. Gab es vor zehn Jahren noch rund 21.000 Apotheken in Deutschland, sind es jetzt noch gut 18.000. Eine nicht unerhebliche Rolle für diese Entwicklung spielen Onlineapotheken. Auf dem Land, in Dörfern und kleineren Gemeinden, droht dagegen eine Unterversorgung. Doch dürfen Apotheker rein rechtlich betrachtet einfach schließen, um auf Probleme hinzuweisen?
Notdienst übernimmt - Versorgung damit gesichert
Apotheken haben einen staatlichen Versorgungsauftrag und unterliegen einer Dienstbereitschaftsplicht. "Aktionen der Apothekerschaft dürfen somit unter keinen Umständen die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, auch nur vorübergehend, gefährden", heißt es von Seiten der Landesapothekerkammer in Bayern. Sie verweist aber gleichzeitig darauf, dass die Versorgung durch Notdienste, die sonst an Sonn- und Feiertagen erreichbar sind, aufrechterhalten bleibt. Die nächstgelegene Notdienstfiliale in einer Region lässt sich zum Beispiel über die Seite www.aponet.de finden, das offizielle Internetportal der deutschen Apotheker.
Beratung kostet Zeit
Frank Henle wird am Mittwochvormittag vor dem Eingang seiner Apotheke stehen und die Probleme der Pharmazeuten erklären. Eine höhere Vergütung sei wichtig, auch um den Beruf für den Nachwuchs attraktiv zu halten. Denn schon jetzt hätten viele Apotheken Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden, betont Henle. Er sieht die Apotheke als entscheidende Schnittstelle zwischen Kunde und Arzt. Allerdings brauche es Zeit, um Menschen gut aufzuklären. "Nehmen wir einen Bluthochdruckpatienten. Wird er eingehend beraten, bessert sich nicht nur seine Gesundheit, sondern es spart der Allgemeinheit auch viel Geld. Aber wir sind langsam an einem Punkt angekommen, an dem wir so eine Beratung bald nicht mehr leisten können."
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