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Ist Temu seriös Was ist der Haken bei Temu?

Dank ständiger Rabatt-Feuerwerke ist die chinesische Shopping-Plattform Temu mittlerweile auch in Deutschland ziemlich beliebt. Warum Verbraucherschützer trotzdem warnen und erste rechtliche Schritte unternehmen ...

Stand: 18.03.2024

Temu App | Bild: mauritius images / Valerio Rosati / Alamy / Alamy Stock Photos

"Einkaufen wie ein Milliardär" - dieser Slogan ist bei Temu Programm: Von Küchenutensilien über Elektroartikel, Spielwaren bis hin zu Mode und Beautyartikeln – Temu lockt hier mit extremen Schnäppchenpreisen und Rabatten bis zu 95 Prozent.

Warum ist bei Temu alles so billig?

"Wenn Sie bei Temu etwas bestellen, kaufen Sie nicht direkt bei Temu ein", erklärt Simone Bueb, Referentin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Bayern. "Der Shop ist eigentlich eine Plattform und hat selbst keine großen Lager", so Bueb weiter, "und deshalb kann Temu unter anderem so billig sein." Temu vermittelt also nur zwischen Ihnen und dem jeweiligen Hersteller oder der jeweiligen Fabrik. Das wiederum bedeutet: "Sie selbst wissen also eigentlich gar nicht, bei wem genau Sie einkaufen", betont Bueb. Dazu kommt, dass Temu keine Verantwortung für die Produktqualität und Richtigkeit der Produktbeschreibungen übernimmt, wie die Stiftung Warentest unterstreicht.

Wer steckt hinter Temu?

Temu wurde 2022 in den USA gegründet, gehört aber einem chinesischen Konzern. "Der Anbieter hat bisher außerhalb Europas vor allem in den USA und natürlich auch in China große Geschäfte gemacht - und will jetzt auf den europäischen Markt drängen," resümiert Bueb. Offenbar mit Erfolg, wie die Stiftung Warentest im Februar 2024 festgestellt hat: Umfragen zufolge hat bisher rund ein Viertel aller Deutschen schon einmal bei Temu bestellt, wodurch Temu mittlerweile hinter Amazon, Ebay und Otto auf dem 4. Platz aller in Deutschland erfolgreichen Online-Shoppingplattformen liegt.

Wer hat Erfahrungen mit Temu Shop?

Verbraucherschützer sehen Temu mittlerweile eindeutig kritisch: Die Verbraucherzentralen berichten etwa davon, dass die Waren häufig schlechte Qualität haben, dass offenbar auch Warensendungen einfach nicht ankommen und obendrein der Kundenservice nur schlecht erreichbar sei. Ähnliches berichtet auch Verbraucherschützerin Bueb: "Es kann sein, dass beispielsweise elektronische Produkte nicht das europäische Prüfsiegel, das sogenannte CE-Siegel, haben. Dass die Waren minderwertig sind oder auch dass Waren teilweise schon defekt ankommen, weil sie nicht richtig verpackt sind."  Auch die Stiftung Warentest zitiert europäische Verbraucherschutzorganisationen, die bei den Billigwaren von Temu schlechteste Qualität vorgefunden hatten: Von Teddybären mit verschluckbaren Kleinteilen über unbrauchbare E-Scooter-Helme bis hin zu gefährlichen Heißlüftern, die sogar explodieren und/oder einen Brand und Stromschlag verursachen können - die Mängelliste war auch hier lang.

"Einfach nur, weil es billig ist, heißt das nicht, dass ich tolle Waren bekomme."

Simone Bueb, Referentin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Bayern e.V.

Aber auch in Sachen Nachhaltigkeit sieht Bueb die Plattform Temu kritisch: "Ich weiß nicht, wie die Waren produziert werden - da sie extrem günstig sind, sicherlich in Massen und aus Materialien, die ich nicht einschätzen kann. Dann der Versand von China nach Deutschland: Es dauert teilweise Wochen, bis die Sachen bei mir ankommen, und wenn's blöd läuft, sind sie beschädigt oder nicht so wie ich es mir vorgestellt habe - und dann kann ich sie gleich direkt wegwerfen."  

Abmahnung Temu

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat den chinesischen Online-Händler Temu im März 2024 abgemahnt. "Die Plattform Temu verunsichert und übervorteilt Verbraucherinnen und Verbraucher mit willkürlich erscheinenden Rabatten, fragwürdigen Bewertungen und manipulativen Designs, das muss aufhören", sagte vzbv-Chefin Ramona Pop. Das Unternehmen verstoße gegen EU-Verbraucherschutzgesetze und betreibe darüber hinaus Greenwashing.

Unrechtmäßig sei etwa der Einsatz sogenannter Dark Patterns: Temu setze mit Hinweisen wie "Beeile dich! Über 126 Personen haben diesen Artikel in ihrem Warenkorb" die Kunden unter Druck. Laut vzbv ist dies seit Inkrafttreten des EU-Gesetzes für Digitale Dienste im Februar verboten. "In Deutschland und der Europäischen Union gelten Gesetze zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, an die sich alle Unternehmen halten müssen", sagte Pop.

Greenwashing, also das Werben mit falschen Klima- oder Umweltschutzversprechen, betreibe Temu etwa, indem es die Lieferung zu einer Abholstelle anstatt nach Hause als klimafreundlich anpreise. Der vzbv verweist darauf, dass die meisten der Produkte aus China kommen. Ob der Artikel am Ende zur Abholstelle oder nach Hause geliefert wird, falle für die Klimabilanz dann kaum ins Gewicht. Insgesamt sei das gesamte Geschäftsmodell von Temu mit seinen teils extrem hohen Rabatten und Produktbewertungen in Echtzeit intransparent und kaum nachzuvollziehen. "Verbraucherinnen und Verbraucher müssen vor derartigen Geschäftspraktiken geschützt werden", sagte Pop den Funke-Zeitungen.

Die hinter der Plattform stehende Whaleco Technology Limited hat den Angaben nach auf die Abmahnung reagiert. Eine Unterlassungserklärung sei jedoch nicht abgegeben worden, hieß es. Temu ließ eine schriftliche Anfrage zu den Vorwürfen zunächst unbeantwortet (Stand 26. März 2024). 

Der nächste Schritt könnte demnach eine Klage sein.

Temu Erfahrungen Zoll

Was viele Kunden nicht bedenken, ist, dass es oft nicht bei dem Schnäppchenpreis bleibt, der sie zum Kauf verlockt. Bueb warnt: "Da die Waren aus China kommen, fallen Zollgebühren an." Die werden vom Anbieter nicht miteingepreist, da sie je nach Zielland unterschiedlich hoch ausfallen - in Deutschland orientieren sie sich vor allem am Warenwert. "Dann haben Sie beispielsweise ein Schnäppchen für 30 Euro inklusive Versandkosten gemacht - aber mit den Zollgebühren ist das Schnäppchen eben gegebenenfalls gar nicht mehr so günstig", erklärt die Verbraucherschützerin.  

Temu Rücksendung

Temu selbst wirbt auf seiner Webseite damit, dass die erste Retoure für jede Bestellung kostenlos sei und alle Artikel im Originalzustand innerhalb von 90 Tagen nach dem Kauf vollständig erstattet werden können.

Doch das scheint wohl nicht immer zu klappen, wie die Verbraucherschützerin anmerkt: "Es gibt zwar einen Kundenservice für Europa, aber der scheint - soweit wir es mitbekommen haben - auch nicht 100-prozentig zu funktionieren." Dazu kommt, dass selbst bei einer kostenlosen Rücksendung sehr wohl weitere Kosten anfallen können: "Denn wenn ich etwa 10 Artikel für 24 Euro bestellt habe und davon 5 Artikel im Wert von 10 Euro zurückschicken möchte - dann überlegt sich jeder gut, das zu machen, weil dann vielleicht nochmal Zollgebühren anfallen." Bueb kritisiert: "Durch dieses System werden letztendlich meine Verbraucherrechte ausgehebelt - denn ich habe zwar eine Rücksendemöglichkeit, aber die Frage ist: Zu welchen Kosten? Und lohnt sich das?"

Das Fazit der Verbraucherschützerin zu Temu: "Temu ist kein Fake-Shop, aber ich muss mir überlegen: Möchte ich gute Ware? Möchte ich geprüfte Ware - gerade bei Elektrogeräten? Möchte ich unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit nicht irgendetwas wegwerfen müssen, lange Postwege verursachen? Man kann sich das anschauen, aber man sollte sehr vorsichtig sein."

Mehr zum Thema Online-Shopping: Fast jeder von uns hat schon mal online im Ausland geshoppt - ohne es zu merken. Was tun, wenn ich auf einmal Zoll zahlen muss oder meine Lieferung gar nicht kommt? Lesen Sie dazu: Online Einkaufen im Ausland. Fake-Shops erkennen und So schützen Sie Ihr Paypal-Konto.

Hören Sie zum Thema Onlineshopping auch diese Folge unseres Nachhaltigkeitspodcasts "Besser leben" (hier in der ARD Audiothek kostenlos downloaden und abonnieren):

https://www.ardaudiothek.de/episode/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/wie-nachhaltig-ist-onlineshopping/bayern-1/12120691/


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