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Mia san Musik

Von: David Würtemberger

Stand: 11.12.2014 | Archiv

Die Musiklandschaft im Freistaat erlebt momentan einen kleinen Höhenflug. Klar, vielseitig können die Bands und Künstler von hier schon immer - man denke nur an die Weilheimer Elektronikfrickler um The Notwist, die Sportfreunde Stiller, Slut oder die Pop City Augsburg - aber es fällt doch auf, dass plötzlich überall Acts aus dem bayerischen Boden schießen, die einen Output mit erstaunlicher Professionalität raushauen und das Interesse der Medien und großen Labels zu gleichen Teilen auf sich ziehen. Zeit für eine kleine Bestandsaufnahme - natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

New Cool Bavaria

Claire zum Beispiel haben mit ihrem zeitgeistigen Elektropop 2014 auf dem legendären SXSW-Festival in Austin, Texas das internationale Publikum zum Staunen gebracht und einen Deal  bei Universal in der Tasche. In eine ähnliche Kerbe schlagen Cosby, die mit atemberaubenden Videos aus Eigenregie und großem Synthiepop von sich reden machen. Künstler wie Aloa Input, The Dope oder The Marble Man experimentieren mit Pop, Folk und Elektronik und zwar auf einem Niveau, dass Feuilleton- und Pop-Nerds gleichermaßen niederknien. Das passende Genre "New Weird Bavaria" ist auch schon gefunden.

Auch die Rapfraktion in Bayern beansprucht ihren Platz. Startrampe-Rapper Errdeka entert mit dem schwarz-weißen Hipster-Rap seines Debütalbums "Paradies" die Top 20, sein Homie Shawn The Savage Kid wird es ihm mit seinem cleveren Storytelling hoffentlich bald gleichtun. Rap aus Bayern blüht gerade. Und wir haben im Freistaat ein Subgenre, dass es einfach nur hier geben kann: den Mundart-Rap.

"Ich hab' das Gefühl, dass mehr geht. Das liegt daran, dass man mit weniger Möglichkeiten krassere Sachen machen kann. Also du brauchst nicht mehr das fette Tonstudio, um Musik aufzunehmen, auch wenn du was mit echten Instrumenten machst. Und dann kommt noch dazu, dass sich die Genres auflösen […] und deswegen passiert mehr, weil man nicht mehr so eine Einstiegshöhe hat." Monaco F

Begründet von Monaco F, fühlt sich mittlerweile eine ganze Riege an MCs sauwohl damit, zu rappen, wie sie eben auch sprechen: Liquid, Grämsn oder BBou spielen vor vollen Häusern und zeigen, Dialekt passt nicht nur zur Volksmusik. Und selbst die bekommt eine Verjüngungskur verpasst. Die Oberammergauer Kofelgschroa waren mit ihrer Version von Blasmusik und bayerischen Lebensweisheiten schon auf der ganzen Welt unterwegs, genau wie die Schlachthofbronx oder Moop Mama. Regional ist ganz offensichtlich nicht nur im Supermarktregal in. Und der Nachschub kommt und kommt. Gerade setzt der Münchner Occupanther mit seinen Elektronikwänden ein Ausrufezeichen hinter New Cool Bavaria.

Against all odds

Die Liste könnte man fort- und fort- und fortfortführen... obwohl das Klima immer rauer wird. Eigentlich sieht der Status Quo nämlich fast schon düster aus. Szeneclubs wie das Münchner Atomic Café oder der Bamberger Morph Club schließen und hinterlassen schmerzhafte Lücken, denn die Auftrittsmöglichkeiten für Newcomer werden immer seltener. Wer es noch bitterer mag, beleuchtet die Studio- und Proberaumsituation in den Städten: Wer einmal auf Immobilienportalen nach einem Zuhause für die Band sucht, klappt schnell den Rechner zu und vergräbt sich mit dem Sparschwein unter der Bettdecke. Selbst Künstler wie DJ Explizit, der seit Jahren zum bayerischen HipHop-Szeneinventar gehört, verzweifeln daran:

"Es ist halt hier leider so, dass es für Bands schwierig ist, Möglichkeiten zu finden, sich zu entfalten. Ich such' jetzt auch seit zwei Jahren einen Raum, in dem ich Schlagzeug spielen kann. Du kannst etabliert sein, wie du willst, aber wenn du sagst, ich will in der Nähe von meiner Wohnung einen Keller oder einen Platz haben, an dem ich laut sein kann? Für ein Projektstudio - ok! Aber stell' mal irgendwo ein Schlagzeug hin, dann fallen gleich alle aus dem Bett, weil es auch einfach nicht die Möglichkeiten gibt, wo man dann laut sein kann, ohne dass man jemanden stört." DJ Explizit

Regional wird global

Globalisierung macht auch vor dem Pop-Business nicht halt, dadurch werden paradoxer-, aber glücklicherweise auch jene Regionen gestärkt, die früher nicht gerade mit den geilsten Plattenläden, dem tollsten Netzwerk oder den besten Konzerten gesegnet waren und deren Szenen sich, wenn überhaupt existent, durch Kennste-Wen-Biste-Wer definiert haben.

"Durch Milky Chance zum Beispiel hat sich im Ausland die Wahrnehmung für deutsche Musik verändert. Die Akzeptanz und auch das Interesse ist dadurch gewachsen. Und ich glaube, davon profitiert jeder, der Musik macht, die international auch interessant sein kann. Der deutsche Markt wird anders wahrgenommen und anders gesehen. Das ist auf jeden Fall was, was sich vielleicht erst im letzten Jahr geändert hat." Magnus Textor, Nachwuchsförderung bei Sony

Selbst im entlegensten Dorf kann man sich mittlerweile von allen nur erdenklichen Einflüssen überraschen, berauschen und inspirieren lassen, solange nur der passende Internetanschluss gelegt ist. Und die Leitung funktioniert in beide Richtungen: Ist der Song fertig, wandert er ins Netz und schon kann man ihn an den entlegensten Winkeln der Welt hören. Damit vergrößert sich nicht nur das Netzwerk des Künstlers, auch Musikfans profitieren davon: Durch weltweites Streaming erreichen Songs ohne Verzögerung jeden geneigten Hörer - und so hat theoretisch jeder die Chance zum weltweiten Musikphänomen zu avancieren.

Soweit, so banal. Diese enorme Netzwerkvergrößerung bewirkt also, dass es egal ist, woher man kommt - und zwar im positiven Sinne. Da ist es nur logisch, dass Berlin und Hamburg nicht mehr das Monopol auf frische Hype-Bands aus Deutschland haben, sondern auch Bayern ein Stück vom Kuchen abbekommt. Und der schmeckt verdammt gut! Es gilt also nicht nur im Biomarkt das Motto "Think Global, Act Local".


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paulon, Freitag, 12.Dezember 2014, 17:52 Uhr

1. d&e

dicht & ergreifend fehlt..