Mann liegt mit zugeklebtem Mund im Bett
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Trend Mouth-Taping: Besser schlafen mit zugeklebtem Mund?

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Trend Mouth-Taping: Besser schlafen mit zugeklebtem Mund?

Ein neuer Trend geistert durch die sozialen Medien: "Mouth Taping". Dabei wird nachts der Mund zugeklebt, um eine Nasenatmung zu erzwingen. Dadurch soll sich der Schlaf verbessern. Funktioniert ein Mundpflaster wirklich oder ist es sogar gefährlich?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Promis wie der Fußballer Erling Haaland und die Schauspielerin Gwyneth Paltrow schwören darauf: Sie kleben sich in der Nacht den Mund zu, um im Schlaf durch die Nase atmen zu müssen. Der Trend findet in den sozialen Netzwerken wie TikTok viele Nachahmer. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem ungewöhnlichen Phänomen? Was sind die potenziellen Vor- und Nachteile? Wer sollte die Finger davonlassen und worauf sollte man achten, wenn man den Trend ausprobieren möchte?

Was ist Mouth Taping?

Beim Mouth Taping klebt man sich vor dem Zubettgehen einen Klebestreifen über den Mund, um zu verhindern, dass man nachts durch den Mund atmet. Die damit erzwungene Nasenatmung soll die Schlafqualität verbessern, sich positiv auf das Immunsystem auswirken und Probleme, die mit der Mundatmung in Verbindung gebracht werden, verhindern. So soll sich zum Beispiel das Schnarchen verringern. Anhänger des Mouth Tapings schwören, sich fitter und ausgeruhter zu fühlen.

Ist eine Nasenatmung besser als die Mundatmung?

Wenn man durch die Nase atmet, wird die Luft beim Einatmen erwärmt und befeuchtet. Durch die feine Behaarung in der Nase wird sie zudem gereinigt. Ein weiteres Plus: In der Nasenschleimhaut ist die körpereigene Immunabwehr aktiv, sodass viele Erreger bereits hier bekämpft werden, bevor sie überhaupt in den Körper eindringen können.

Die Mundatmung hingegen hat den Nachteil, dass die Atemluft ungewärmt und ungefiltert eindringt. So kann zum Beispiel der Rachen austrocknen und die kühle Luft kann in den Bronchien zu Irritationen führen. Außerdem können mit der ungefilterten Luft Krankheitserreger leichter in den Körper eindringen, sodass Infekte wie Erkältungen leichteres Spiel haben.

Was sagt die Wissenschaft zum Mouth Taping?

Schlafmediziner sind skeptisch und sehen wenig Nutzen in dem Mundpflaster. Die Nasenatmung sei zwar funktionell viel besser als die Mundatmung, aber "es gibt keinen Nachweis, dass das Mouth Taping medizinisch irgendeinen Sinn macht", sagt Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Charité in Berlin.

Dr. Christine Blume, Psychologin und Schlafforscherin an der Universität Basel, hat für ihren ARD-Podcast zu dem Thema recherchiert und insgesamt nur drei Studien zu diesem Thema gefunden. Zwei davon wurden in den letzten beiden Jahren veröffentlicht. Es seien die beiden einzigen, die sich überhaupt mit dem Thema Mouth Taping und Schlaf beschäftigt hätten, so Blume.

Beides wären eher kleine Studien, deshalb sei die Aussagekraft auch ein bisschen eingeschränkt: "Die Studien haben sich speziell damit befasst, ob Mouth Taping einen positiven Effekt bei Patientinnen und Patienten mit einer leichten Form der sogenannten Schlafapnoe (Atemaussetzer in der Nacht) haben könnte", sagt Blume. "Was sie herausgefunden haben, war, dass sich diese Atemaussetzer und auch das Schnarchen durch das Mouth Taping leicht verbessert haben. Aber Schlafmedizinerinnen und Schlafmediziner sagen, dass diese Studien nicht ausreichen, um das abschließend zu bewerten. Und man muss auch einfach sagen: Wenn jemand unter einer Schlafapnoe leidet, dann sollte er sich in fachärztliche Behandlung begeben, und nicht eine Selbstbehandlung durch irgendwelche Tipps aus dem Internet versuchen."

Wer sollte aufs Mouth Taping verzichten?

Kinder sollten diesen Trend nicht ausprobieren. Auch für Menschen mit Erkrankungen wie Asthma, Atembeschwerden, Allergien, schwerer Schlafapnoe, Erkältungen oder verstopfter Nase bietet sich dieser Trend naturgemäß nicht an. Ebenso kann das Mouth Taping für Menschen mit Angstzuständen oder Panikattacken ungeeignet sein: "Es gibt viele Leute, die eine chronische Erkrankung haben, die schlecht Luft bekommen, Herzprobleme oder was auch immer haben. Die dürfen sich nicht den Mund zukleben. Das ist ja Körperverletzung – das muss man mal ganz klar sagen. Wir brauchen beide Atemwege", betont Ingo Fietze.

Zudem hätte es in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Schlaflabor so gut wie keinen Patienten gegeben, der nachts nur durch die Nase oder nur durch den Mund geatmet hätte. "Wir atmen alle immer durch Nase und Mund. Das ist im Schlaf so", sagt Fietze.

Mundpflaster gegen das Schnarchen – noch zeitgemäß?

Mouth Taping ist kein neues Phänomen. Schon vor zwanzig Jahren gab es diesen Trend in den USA. Da war es ein probates Mittel, Schnarchen zu unterbinden. Das ist – oder besser war – auch der einzig sinnvolle Einsatz des Pflasters, so Fietze: "Es gibt nur einen Grund für mich, den Mund nachts zuzukleben [...] und zwar gegen Schnarchen. Denn wenn der Unterkiefer runterklappt, wird der Rachen enger. Und wenn ich die Anlage zum Schnarchen habe, fange ich dann tatsächlich an zu schnarchen – vor allem in Rückenlage. Das Pflaster verhindert ja vor allem, dass der Unterkiefer nach unten klappt, der bleibt durch das Mundpflaster vorne fixiert."

Allerdings hat nahezu jeder zweite Schnarcher, der zu Fietze ins Schlaflabor kommt, Nasenprobleme: "Für den wäre es ein Horror, wenn er sich den Mund zuklebt. Dann bekommt er ja gar keine Luft mehr", sagt Fietze. Und auch Blume betont: "Wenn man sich die Gründe anschaut, warum jemand in der Nacht durch den Mund atmet und nicht durch die Nase, dann ist das Problem, dass die Nasenatmung in vielen Fällen nicht funktioniert. Und dann ist es natürlich eine doofe Idee beziehungsweise kann auch gefährlich sein, sich den Mund zuzukleben."

Ursache des Schnarchens behandeln – nicht die Symptome

Man sollte der Ursache auf den Grund gehen, warum jemand nachts primär durch den Mund atmet. "In vielen Fällen gibt es dann auch eine mögliche Behandlung für diese Ursache. Das ist aber eine ursächliche Behandlung und nicht eine symptomatische Behandlung, wie so ein Tape, dass man sich irgendwie über den Mund klebt", meint Blume. Heute gibt es andere Methoden, Schnarchprobleme zu beheben, wie zum Beispiel eine Zahnschiene.

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Wer mit offenem Mund schläft, kann ein Mundpflaster unter Umständen probieren.

Ist Mouth Taping sicher?

Wenn man keines der Ausschlusskriterien erfüllt, kann man den Trend ausprobieren, sollte sein Vorhaben aber vorher mit seinem Arzt oder seiner Ärztin besprechen. Es kann auch zu Nebenwirkungen beim Mouth Taping kommen: Dazu zählen Hautprobleme, allergische Reaktionen auf das Klebeband und Probleme beim Atmen: "Ich sage ja nicht, dass Menschen sich nicht den Mund zukleben sollen, wenn es ihnen Spaß macht: Wenn es gesunde Menschen sind, die sonst keine Risikofaktoren haben und sie denken, sie fühlen sich damit besser. [...] Das Problem ist ja, dass so eine Methode propagiert wird, als wenn jeder sich jetzt nachts den Mund zukleben muss", sagt Fietze.

Wie macht man Mouth Taping richtig?

Verwenden Sie nur hypoallergenes Klebeband, das Sie horizontal über den Mund kleben, sodass die Lippen sanft zusammengehalten werden.

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