Eine der beiden Herculaneum-Schriftrollen des Institut de France in Paris
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Eine der beiden Herculaneum-Schriftrollen des Institut de France in Paris

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Teilchenbeschleuniger soll verkohlte Papyrusrollen entziffern

Verkohlt, verbrannt, unlesbar: Beim Vesuvausbruch vor 2.000 Jahren wurden alte Schriftrollen zerstört. Die Wissenschaft will diesen kostbaren Schatz entziffern. Ein Teilchenbeschleuniger soll aufdecken, was Forschern jahrhundertelang verborgen blieb.

Der Ausbruch des Vesuvs 79 nach Christus begrub die Städte Pompeji und Herculaneum unter einer dicken Ascheschicht. In Herculaneum war neben wertvollen Besitztümern auch die Bibliothek mit 1.800 Schriftrollen verschwunden. Die Schriftrollen wurden durch die sengende Hitze komplett verkohlt und waren damit nicht mehr lesbar. Wissenschaftler der Universität Kentucky wollen das Rätsel der Papyrusrollen nun lösen.

Papyrusrollen "so zerbrechlich wie Schmetterlingsflügel"

Der US-Wissenschaftler Brent Seales, Experte für alte Schriftstücke von der Universität Kentucky, hat es sich zum Ziel gesetzt, zusammen mit seinem Team Wörter auf den verkohlten Herculaneum-Papyrusrollen mithilfe von energiereichen Röntgenstrahlen und dem Einsatz künstlicher Intelligenz zu entziffern. Das Problem an der Sache: Auf den Rollen ist zwar eindeutig eine Schrift zu sehen. Doch das Entziffern würde das Aufrollen des Papyrus erfordern und das geht nicht, da die Rollen zu brüchig sind.

"Normalerweise stellt man sich vor, dass man eine Schriftrolle einfach aufrollen und lesen kann. Aber diese Rollen nicht. Sie sind verkohlt und dadurch so spröde, dass sie beim Versuch, sie aufzubiegen, völlig zerstört würden." Brent Seales, Experte für alte Schriftstücke von der University of Kentucky

Bibliothek mit Schriftrollen soll Familie von Julius Cäsar gehört haben

Die beiden Schriftrollen, die von Seales und seinem Team untersucht werden, haben eine erstaunliche Reise hinter sich. Sie gehören zu einer Sammlung von 1.800 Schriftrollen, die 1752 bei Ausgrabungen in der antiken Stadt Herculaneum am Golf von Neapel entdeckt wurden. Zusammen bilden sie die einzige bekannte intakte Bibliothek aus der Antike. Es wird vermutet, dass sie dem Schwiegervater von Julius Cäsar gehörte.

Papyrusrollen wurden nach Frankreich gebracht

1802 schenkte der König von Neapel sechs verkohlte Rollen Napoleon Bonaparte. Dieser übergab sie der Bibliothek des Institut de France in Paris mit dem Auftrag, die Rollen zu entschlüsseln.

"Sie sind so zerbrechlich wie Schmetterlingsflügel. Am besten wäre es, die Rollen gar nicht anzufassen." Françoise Bérard, Direktorin der Bibliothek des Institut de France in Paris

Über die Jahrhunderte hinweg wurde immer wieder versucht, die Rollen aufzuwickeln. Dabei zerstörte man sie aber meistens. Setzte man die Schrift der Luft aus, verblasste die Tinte und der Text war immer schwerer lesbar.

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Brent Seales von der University of Kentucky gilt als Experte für die digitale Restaurierung von Kulturgütern.

Neuer Ansatz: Röntgenstrahlen kombiniert mit künstlicher Intelligenz

Brent Seales, vom Lehrstuhl für Informatik an der University of Kentucky, geht einen anderen Weg. Er untersucht die Papyrusrollen mit dem Röntgenlicht des Teilchenbeschleunigers "Diamond Light Source", der rund zwanzig Kilometer südlich von Oxford steht. Das Licht des Teilchenbeschleunigers ist zehn Milliarden Mal heller als die Sonne und durchleuchtet die Rollen wie ein Supermikroskop. Mit den Röntgenstrahlen alleine lässt sich laut Seales aber nicht das Innere der Schriftrollen lesen.

Er entwickelte daher mit seinem Team einen neuen Ansatz, der als maschinelles Lernen bezeichnet wird. Das Verfahren verwendet Fotografien von Schriftrollenfragmenten, deren Schrift mit bloßem Auge sichtbar ist. Die Röntgenbilder sollen auf den Fragmenten mit Tinte eingefärbte und freie Bereiche erkennen und voneinander unterscheiden. Aus diesen Daten entwickeln die Wissenschaftler dann bestimmte Algorithmen. So hoffen sie, durch das Training mit den Papyrusfragmenten, irgendwann den Text auf den intakten Schriftrollen entziffern zu können.

Rätsel der Papyrusrollen spannend für die Wissenschaft

Denn egal, ob es sich bei den antiken Schriften um griechische oder lateinische Texte handelt, die Altertumswissenschaft brennt darauf, mehr über die Inhalte dieses 2.000 Jahre alten wertvollen Kulturschatzes zu erfahren.