Nicht nur die Ohrenqualle, wie hier im Bild, ist dieses Jahr besonders oft in der Ostsee zu sehen. Auch invasive Arten tauchen dort 2020 auf.
Bildrechte: picture alliance/imageBROKER/ Fotograf: Mathieu Foulquié

Nicht nur die Ohrenqualle, wie hier im Bild, ist dieses Jahr besonders oft in der Ostsee zu sehen. Auch invasive Arten tauchen dort 2020 auf.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Quallen in der Ostsee dieses Jahr größer und zahlreicher

In der Ostsee sind dieses Jahr deutlich mehr und größere Quallen als bisher zu sehen. Sorgen bereiten Wissenschaftlern aber vor allem invasive Arten. Auch sie tauchen dieses Jahr vermehrt auf und bedrohen unsere heimischen Fischarten.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

"Dies ist ein sehr gutes Quallenjahr", sagt Cornelia Jaspers, die als Forscherin am Zentrum GEOMAR, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und an der Technischen Universität in Kopenhagen arbeitet. Doch nicht nur Feuerquallen und Ohrenquallen haben die Forscherin und ihre Kollegen vor drei Wochen und damit viel früher als sonst in großen Mengen vor allem an der Eckernförder Bucht beobachtet. Auch die invasive Rippenqualle ist im Sommer 2020 dort besonders häufig zu sehen. Für Menschen ist die Qualle, die zoologisch wegen der fehlenden Nesselzellen eigentlich nicht als echte Qualle gilt, zwar ungefährlich, weil sie nicht giftig ist. Doch für die marinen Ökosysteme könnten insbesondere die Rippenqualle Mnemiopsis leidyi und die Blackfordia virginica, eine invasive Quallenart, zur Gefahr werden.

Rippenqualle: Ideale Bedingungen durch warme, salzhaltige Ostsee

Laut Jaspers habe einerseits der in diesem Jahr besonders hohe Salzgehalt in der Ostsee zu einem vermehrten Aufkommen der Rippenqualle geführt, die erstmals 2006 in diesen Regionen beobachtet worden war. "Im Winter ist sehr viel salzreiches Wasser aus der Nordsee und dem Kattegat in die südwestliche Ostsee geströmt", erläutert die Wissenschaftlerin. Für die Existenz der Rippenqualle Mnemiopsis leidyi war das entscheidend, denn nur bei hohem Salzgehalt des Wassers kann sie sich fortpflanzen.

Andererseits habe aber auch der warme Winter den Bestand der Rippen- sowie der heimischen Ohrenquallen gefördert, sagt Jaspers. Statt zwei bis drei Grad - wie sonst in den vergangenen 40 Jahren - sei das Wasser diesmal etwa fünf Grad warm gewesen.

Warum Quallen für marine Ökosysteme gefährlich sind

In den meisten Fällen sind Quallen für den Menschen ungefährlich. Die Begegnung mit einer Qualle ist in der Regel harmlos, durch das Auslösen von Hautreaktionen meist allenfalls unangenehm. Für die Natur kann das vermehrte Auftreten der glitschigen Meerestiere aber zum Problem werden. So frisst zum Beispiel die Meerwalnuss, wie die Rippenqualle Mnemiopsis leidyi auch genannt wird, heimischen Fischen die Nahrung weg. Aber auch alle anderen Quallen können die Unterwasserwelt bedrohen, weil sie durch das Fressen des Zooplanktons zu einem Sauerstoffschwund im Wasser beitragen.

Noch mehr invasive Quallen in der Ostsee

Schon einmal war die Rippenqualle aus der Ostsee verschwunden. In den Jahren 2011 bis 2013 hatte sie der harte Winter aus unseren Gewässern vertrieben. Nun ist sie in die Ostsee zurückgekehrt. Sie ist aber nicht die einzige invasive Art, die dort wieder unterwegs ist. Auch die Blackfordia virginica, eine Quallenart, die 2014 erstmals im Nord-Ostsee-Kanal gesichtet wurde, ist heuer wieder aufgetaucht. "Wir haben sie dort wieder zahlreich und auch früher als sonst beobachtet", berichtet die Meeresforscherin Jaspers.

Blackfordia virginica: Expedition soll Verbreitungsgebiet klären

Im Gegensatz zur Rippenqualle, die nur in besonders salzhaltigem Wasser überleben kann, fühlt sich die brackwasserliebende Blackfordia virginica auch in Gewässern mit einem weniger hohen Salzgehalt wohl. Das könnte zum Problem für die heimischen Fische werden, sollte sich die fremde Quallenart in Deutschland etablieren. Denn auch sie frisst - wie die Rippenqualle - den heimischen Fischarten die Nahrung weg. Bisher wurde die invasive Quallenart Blackfordia virginica laut Jaspers hierzulande allerdings nur in der Kieler Bucht entdeckt. Genauere Informationen zum Verbreitungsgebiet der Qualle soll eine Expedition im September liefern.

Funktion der Quallen für Ökosystem noch ungeklärt

Auch wenn Quallen für die Natur - und manche Arten auch für den Menschen - gefährlich werden können, sind die Meerestiere für das Ökosystem nicht nutzlos. Es gebe die Tiere schon seit 550 Millionen Jahren, sagt Jaspers. So sei der vom Aussterben bedrohte Europäische Aal zum Beispiel im Sargassomeer davon abhängig, Quallen zu fressen. Welche Schlüsselrolle Quallen insgesamt im Ökosystem hätten, sei eine spannende Frage, die noch weitgehend ungelöst sei, gibt Jaspers allerdings zu.