Von Windanlagen und Sonnenkollektoren produzierter Strom kann in "grünem" Methan gespeichert werden.
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Von Windanlagen und Sonnenkollektoren produzierter Strom kann in "grünem" Methan gespeichert werden.

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Neue Methan-Technologie soll knappes Erdgas mit ersetzen

Ein Unternehmen aus Planegg entwickelt eine Technologie, mit der man Strom aus erneuerbaren Energien bzw. CO2-Emissionen speichern kann - und zwar in Form von "grünem Methan". Das soll Erdgas langfristig mit ersetzen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das Prinzip klingt verlockend, gerade in Zeiten steigender Energiepreise nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine: Man nehme überschüssigen Strom, der bei sonnigem oder windigem Wetter aus Sonnen- oder Windkraftanlagen kommt, und "verwandele" diesen in Gas. Erstmal in Wasserstoff oder - bei Bedarf - in sogenanntes "grünes" Methan, das sich gut speichern lässt. So könnte man überschüssige Sonnenenergie vom Sommer für den Winter aufheben. Zugleich verwertet man mit diesem Prinzip auch schädliches CO2, beispielsweise aus Klärwerken oder Zementwerken.

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Mikroben produzieren Methan

Was sich beim Blick auf geringe Erdgasreserven wie ein utopischer Zaubertrick anhört, ist in einem Labor in Planegg bereits Realität. Hier haben Mikrobiologen der Firma Electrochaea in einer grasgrün blubbernden Flüssigkeit eine Art Schlaraffenland für Archaeen geschaffen. Und genau auf die kommt es hier an: Archaeen sind winzige Wesen, die schon auf unserer Erde gelebt haben, als es noch keine Tiere oder Pflanzen gab. Heute gibt es sie immer noch, vor allem in heißen Quellen am Meeresgrund oder in Geysiren.

Schlaraffenland aus Gas für Archaeen

Die technische Leiterin bei Electrochaea, Doris Hafenbrad, erklärt den "Zaubertrick". In die grüne Salzwasserlösung wird bei einer Temperatur von 62 bis 65 Grad Kohlendioxid zugeführt. Rührelemente schlagen die Gasbläschen klein, sodass möglichst viel des Gases von der Lösung aufgenommen wird. "Das ist schon ein Schlaraffenland für die Archaeen, weil in der Natur draußen da muss sich schon jedes einzelne Archaeum bemühen, Wasserstoff und CO2 zu bekommen," sagt Doris Hafenbrad.

Power-to-gas-Technologie speichert Energie in Methan

Wasserstoff und CO2 brauchen die Archaeen, um daraus "grünes" Methan zu machen. Und dieses Methan kann man direkt ins Gasnetz einspeisen und Haushalte damit versorgen, genau wie mit Erdgas. Man kann "grünes" Methan aber auch speichern und die Energie darin erst dann nutzen, wenn man sie braucht. Deshalb sind die Archaeen so nützlich wenn es darum geht, die überschüssige Energie aus Windkraftanlagen oder aus Photovoltaikanlagen im Sommer zu speichern. Die Methode, power-to-gas genannt, funktioniert bisher in bereits bestehenden Anlagen auf einer chemischen Basis. Mit ihren Archaeen haben die Planegger Ingenieure diese Technik aber nochmal verändert: Jetzt sind es Lebewesen, die das Methan produzieren. Dass sie dafür das Treibhausgas CO2 brauchen, ist natürlich doppelt nützlich, denn so können schädliche CO2-Emissionen aus der Industrie genutzt werden, um Archaeen zu füttern.

Pläne für Prototyp seit 2016 in der Schublade

In Pfaffenhofen an der Ilm passiert das schon – allerdings noch in einer Pilotanlage. Ein Prototyp steht im Klärwerk zur Montage bereit. Er soll aus den Faulgasen, die auch Wasserstoff und CO2 enthalten, rund 50 Kubikmeter Methan pro Stunde produzieren. Dabei könnten man schon längst viel weiter sein, sagt Andreas Herrschmann, Energiereferent im Stadtrat: "Was mich ärgert ist, dass seit 2016 die Pläne für diese Anlage in der Schublade liegen und längst hätten umgesetzt werden könnten. Wir könnten uns damit jede Menge Gas aus Russland sparen.“ Aber behördliche Richtlinien und Steuergesetze hätten die Stadt bislang daran gehindert.

"Grünes" Methan - jetzt muss es schnell gehen

Auch Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energiesysteme an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg, beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem power-to-gas-Verfahren. Auch er mahnt, jetzt müsse es endlich schneller gehen: "Die letzten 20 bis 30 Jahre verkorkster, hauptsächlich unionsgeführter Energiepolitik lassen sich nicht in einem Jahr rückgängig machen. Wir können jetzt nur kurzfristig Energie sparen, so gut es geht, und dann mittel- bis langfristig umstellen." Das aber dauere mindestens fünf bis zehn Jahre, wenn alles passe, die Lieferketten da seien und auch die Politik beherzt handele. In der Pandemie habe man sehr schnell mit viel Geld gehandelt, ebenso auch bei der Versorgung der Ukraine. "Bei der Klimakrise reden wir uns seit 20 Jahren den Mund fusselig und es passiert nicht, was passieren müsste", kritisiert der Wissenschaftler.

Von jetzt auf gleich können die Archaeen das russische Gas deshalb nicht ersetzen. Aber mittelfristig können sie ein Teil der Lösung sein.

Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hat Prognosen für die deutsche Wirtschaft vorgestellt. Die deutsche Wirtschaft würde mit einem Embargo für russisches Gas in eine scharfe Rezession geraten.
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