Observatorium für Atmosphärenphysik der Universität Innsbruck
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Der Messturm der Universität Innsbruck kann Stickoxid-Werte einfangen und Turbulenzen in der Luft erkennen.

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Hohe Stickoxidwerte trotz Corona-Shutdown?

Mit dem Beginn der Corona-Krise ging der Verkehr deutlich zurück. Doch trotz leerer Straßen verzeichneten manche Mess-Stationen weiterhin hohe Werte an Stickoxid, so wie an Tagen mit normalem Verkehr. Wie ist das zu erklären?

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Stickstoffdioxid (NO2) wird hauptsächlich von Fahrzeugen, Industrieanlagen und Heizkraftwerken ausgestoßen. Es gilt als gefährliches Reizgas und kann in hoher Konzentration zu Entzündungen der Atemwege führen. In Städte liegen normalerweise höhere Schadstoffwerte vor, besonders an stark befahrenen Straßen.

Schadstoffkonzentrationen gesunken

Während des "Shutdowns" wurde bereits in den ersten Wochen an vielen Orten ein Rückgang der Schadstoffwerte gemessen. In Rom ging die NO2-Konzentration um 26 bis 35 Prozent zurück, wie die europäische Umweltagentur in Kopenhagen mitteilte. In Bergamo, der am stärksten von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Stadt Italiens, wurde sogar ein Rückgang von 47 Prozent gemessen. Ähnliche Entwicklungen gab es in Paris, Madrid und Barcelona.

Bilder von Umwelt-Satelliten zeigen niedrige Belastungen

Diesen deutlichen Rückgang von Stickoxiden in der Luft bestätigen Messungen, in aus 10 Kilometer Höhe von Umwelt-Satelliten der NASA und ESA registrierten wurden. Besonders in Ballungsräumen und größeren Städten war ein Rückgang schnell zu erkennen. Doch die Interpretation der Daten ist trügerisch, denn die Wetterlage brachte dieses Jahr besonders saubere Luft. Meteorologen begründen dies mit einer Polarluft, die sich über Europa ausbreitete und einer Westwindlage. Beide Wetterlagen verhindern, dass sich Stickoxide in der Atmosphäre anreichern.

Kein Rückgang der Stickoxide trotz Shutdown?

Mess-Stationen am Boden lieferten andere Ergebnisse. So wurden in München an verschiedenen Stationen eine Stickoxid-Konzentration gemessen wie an einem Tag mit normalen Verkehrsaufkommen. Zeigt der Shutdown nun doch keinen Rückgang der Emissionen? Am Innsbrucker Observatorium für Atmosphärenphysik wurde dieser Widerspruch genauer untersucht.

"Bei solchen Punktmessungen am Straßenrand muss man immer sehr vorsichtig sein, vor allem bei der Interpretation von Konzentrationsdaten, da die ja nicht nur von Emissionswerten aus Verkehr abhängen, sondern sehr stark von der Meteorologie beeinflusst werden." Prof. Dr. Thomas Karl, Universität Innsbruck

Sowohl die Messergebnisse der Umwelt-Satelliten als auch die Bodenmessungen sind stark vom Wetter beeinflusst. Winde und Niederschläge können die Schadstoffe verlagern. Besonders im Frühjahr kommt es oft zu einer sogenannte "Inversionswetterlage". Sie zeigt sich durch eine atmosphärische Schichtung, wenn sich warme Luftschichten in der Höhe wie ein Deckel über kalte Luftschichten am Boden legen. Mit der Folge: Zwischen den Schichten findet kein Austausch statt und Stickoxide können sich nicht verdünnen. Sie bleiben in den unteren bodennahen Schichten. Daten, die bei diesen Wetterlagen erhoben wurden, sind demnach unabhängig vom Verkehr künstlich erhöht.

Wetterlagen herausrechnen

Um genaue Daten zu erhalten, wie sich die Verkehrsbeschränkung auf die Stickoxidwerte auswirkt, müssen Wissenschaftler das Wetter herausrechnen. Dazu vergleichen sie die Emissions-Ergebnisse mit den Wetterlagen über einen längeren Zeitraum hinweg. An der Universität Innsbruck wenden Thomas Karl und sein Team noch eine weitere spezielle Messmethode an. Sie untersuchen, wie Schadstoffe durch die Luft transportiert und verteilt werden. In einem Umkreis von einem Kilometer werden die Turbulenzen in der Luft erfasst, die Rückschlüsse auf das Wetter liefern. Mit einem statistischen Verfahren ermitteln die Forscher den Emissionsfluss, das heißt, sie können bestimmen, wie hoch der Anteil tatsächlich ist, wie hoch die Belastung der Luft ist.

"In den ersten beiden Wochen des Shutdowns, also in der zweiten März-Hälfte, waren die Stickoxidwerte um 35 Prozent niedriger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Mit länger dauerndem Shutdown haben sich die Werte sogar auf nur noch die Hälfte reduziert. Man kann also definitiv sagen, dass diese starke Beschränkung des Verkehrs sehr deutliche Auswirkungen auf die Menge an Stickoxiden in der Luft hatte. Und dieses Ergebnis ist übertragbar auf jede andere Stadt." Prof. Dr. Thomas Karl, Universität Innsbruck

Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung dringend notwendig

Die Verkehrsberuhigung während der Corona-Krise hat zu einer massiven Absenkung der Stickoxidwerte geführt. Der Verkehr ist die Hauptquelle für Stickoxide in den Städten. Weitere Maßnahmen, die dazu beitragen, den Ausstoß von Schadstoffen zukünftig zu verringern, können unserer Gesundheit nur entgegenkommen.