Chemikern an der britischen Universität Warwick ist es gelungen, ein natürlich in Pflanzen vorkommendes Molekül so umzufunktionieren, dass es einen sehr wirksamen UV-Filter bildet, der nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch wirksamer ist als gängige Sonnenschutzmittel. Die Sonnencreme der Zukunft könnte auf Ihrer Haut tanzen.
UV-Schutz für grüne Blätter
Diethyl-Sinapinsäure heißt der kleine Tänzer, der es den Forschern um Michael Horbury angetan hat. Es ähnelt einem Molekül auf Pflanzenblättern, die viel Sonnenlicht für die Photosynthese der Pflanze brauchen, aber vor der schädigenden UV-Strahlung geschützt sein müssen.
Die Aufregung wegtanzen
Das Molekül absorbiert die eintreffende UV-Strahlung und wird von dieser Energie gewissermaßen in einen aufgeregten Zustand versetzt, den es irgendwie wieder loswerden muss: Mit einer blitzschnellen Bewegung, die den Floreos beim Flamenco gleicht, "tanzt" sich das Molekül die Erregung wieder "vom Leibe".
Superschneller Mini-Flamenco
Und das Molekül tanzt ausgesprochen schnell: Für ihren "Floreo" braucht Diethyl-Sinapinsäure gerade mal zehn Picosekunden, das sind 0,000.000.000.01 Sekunden, der hunderttausendsten Teil eines Millionstels einer Sekunde - einfach wahnsinnig kurz.
Die tänzerische Molekülschwingung wandelt die aufgenommene Energie in Schwingungsenergie um - in Wärme. Ein Qualitätsmerkmal guter Sonnencreme, wie Vasilios Stavros vom Lehrstuhl für Chemie in Warwick erklärt:
"Ein wirklich guter Sonnenschutz absorbiert das Licht und verwandelt es in harmlose Wärme. Ein schlechter Sonnenschutz nimmt das Licht auf und zerfällt dann beispielsweise und sorgt dabei unter Umständen für andere, unerwünschte chemische Prozesse." Vasilios Stavros, Lehrstuhl für Chemie, Universität von Warwick
Viel länger wirksam als herkömmlicher Sonnenschutz
Durch sein Tänzchen bleibt das UV-Filter-Molekül sehr stabil: Bei zwei Stunden Sonneneinstrahlung zersetzte es sich nur zu etwa drei Prozent. Der Industriestandard bei UV-Filtern liegt dagegen bei dreißig Prozent: Der bisherige Sonnenschutz in Sonnencremes lässt also zehnmal schneller nach. Damit wäre das Flamenco-tanzende Molekül auf Ihrer Haut ein viel wirksamerer Sonnenschutz als handelsübliche Sonnencreme.
Umweltfreundlicher UV-Filter, auch in der Herstellung
Außerdem wäre Diethyl-Sinapinsäure nach Auskunft der Wissenschaftler ein sehr umweltfreundlicher Bestandteil einer Sonnencreme. Nicht nur, weil es weder für Wasser und Korallen schädlich ist noch für die menschliche Haut, sondern auch, weil es mittels "grüner Synthese" hergestellt werden kann: Dabei nutzt die Chemie neue Verfahren, etwa mit Enzymen als Katalysatoren, um chemische Prozesse weniger umweltschädlich zu machen.
Jetzt müssen die Forscher allerdings erst noch testen, wie sich das tanzende Molekül auf menschlicher Haut verhält und ob es sich mit den anderen Bestandteilen einer Sonnencreme verträgt.
💡 Sinapinsäure kommt in der Natur beispielsweise in Rapssamen vor. Derivate der Sinapinsäure sind seit langer Zeit interessant für Produkte gegen Faltenbildung, Hautalterung oder als UV-Schutz.
- Veröffentlichung der Studie an der Universität von Warwick und im Magazin Nature Communications
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