Eine Frau hält am Flughafen München in einem Covid-19 Testcenter die Probe von einem Rachenabstrich in den Händen.
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Eine Frau hält am Flughafen München in einem Covid-19 Testcenter die Probe von einem Rachenabstrich in den Händen.

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#Faktenfuchs: Was PCR-Tests über Corona-Infektionen aussagen

Gegner der Corona-Maßnahmen kritisieren immer wieder den PCR-Test. Auch den #Faktenfuchs erreichen solche Zuschriften. Sind PCR-Tests für die Diagnostik zugelassen? Weisen sie Corona-Infektionen nach? Eine kurze Erklärung, warum die Antwort "Ja" ist.

Was ist ein PCR-Test?

PCR-Tests gelten als die sicherste Nachweismethode für das Coronavirus SARS-CoV-2. Nur Fachlabore dürfen diese Tests durchführen. Wie die namensgebende "polymerase chain reaction" bzw. "Polymerase-Kettenreaktion" funktioniert, wurde bereits in früheren #Faktenfuchs-Artikeln dargelegt.

In der Regel wird aus Mund, Nase oder Rachen ein Abstrich genommen, der Teile des Erbguts (RNA) des Erregers enthalten kann. Im Labor wird ein kleines Stück dieses Erbguts in mehreren Reproduktionszyklen ganz gezielt vervielfältigt. Durch den Einsatz fluoreszierender Moleküle, die sich an das Erbgut anheften, sieht man, ob die gesuchten Gensequenzen des Virus vorliegen oder nicht.

Was sagt der CT-Wert aus?

Gleichzeitig kann anhand der nötigen Reproduktionszyklen die Konzentration des viralen Erbguts bestimmt werden ("Viruslast"). Muss man viele Wiederholungen für einen Virus-Erbgut-Nachweis machen, gilt ein Infizierter als nicht ansteckend - auch, wenn sein Testergebnis positiv ist. Die Aussage über die nötige Anzahl der Vervielfältigungszyklen liefert der sogenannten "CT-Wert", Abkürzung für Englisch "Cycle Threshold".

Ein hoher CT-Wert bedeutet, dass die Person eine niedrige Viruslast hat und wenig ansteckend ist. Ein niedriger CT-Wert sagt aus, dass eine Person eine hohe Viruslast hat und hoch ansteckend ist. Ein CT-Wert von größer 30 gilt als Richtwert dafür, dass ein Infizierter nicht ansteckend ist. Ein fester Grenzwert ist das allerdings nicht, denn in der Praxis gibt es einige Einschränkungen zu beachten, wie der Artikel "Corona-Test: Was der CT-Wert bedeutet" erklärt.

So kann zum Beispiel ein schlecht gemachter Abstrich dazu führen, dass in der Probe weniger Virusmaterial vorhanden ist und die PCR erst nach mehr Wiederholungszyklen ein positives Ergebnis liefert.

Sind PCR-Tests für diagnostische Zwecke zugelassen?

Immer wieder erreichen den #Faktenfuchs E-Mails, in denen Leserinnen und Leser behaupten, die Tests seien für die Diagnostik von Sars-Cov-2 weder "geeignet noch zugelassen". Beides ist falsch, das hat die Nachrichtenagentur AFP bereits gecheckt. So teilt etwa Gabriele Köhne, Sprecherin des Verbandes der Diagnostica-Industrie, der AFP am 27. Oktober 2020 per E-Mail mit:

"PCR-Tests sind ausdrücklich für die Infektionsdiagnostik zugelassen. Der Hersteller legt fest, für welche Erreger der Test einsetzbar ist." Gabriele Köhne, Sprecherin des Verbandes der Diagnostica-Industrie

Anders als etwa Arzneimittel oder Impfstoffe müssen PCR-Tests jedoch nicht von Behörden zugelassen werden. Sie durchlaufen stattdessen ein Konformitätsverfahren, an dessen Ende die CE-Kennzeichnung ("Europäische Konformität") steht. In diesem Verfahren muss ein Hersteller nachweisen, dass sein Produkt sicher ist und die technischen und medizinischen Leistungen auch so erfüllt, wie sie von ihm beschrieben werden (siehe EU-Richtlinien zur In-vitro-Diagnostik und EU-Leitlinien für In-vitro-Tests zur Diagnose von COVID-19 und deren Leistung).

Die CE-Kennzeichnung wird dann zur Registrierung in Deutschland beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgelegt. Aktuell sind dort mehr als 700 verschiedene Corona-Tests – darunter PCR-Tests, aber auch Antigen- und Antikörpertests – für den deutschen Markt freigegeben. Sie alle haben das CE-Kennzeichen. Zusätzlich können weitere in europäischen Mitgliedstaaten registrierte Tests in Deutschland eingesetzt werden. Alle diese Tests sind für die Diagnostik zugelassen.

Weist der PCR-Test nach, dass jemand infiziert ist?

Immer wieder behaupten Leser in Mails an den #Faktenfuchs, PCR-Tests könnten keine Infektion nachweisen, so etwa diese Leserin: "Ein Test (…) kann und darf nach wie vor KEINE DIAGNOSE STELLEN (siehe Beipackzettel). Die Aussage, jemand hätte sich mit SARS-Cov2 infiziert, stellt jedoch eine Diagnose dar!"

Dem widerspricht Dieter Hoffmann, stellvertretender Leiter der Diagnostik des Instituts für Virologie an der Technischen Universität München (TUM):

"Wenn das Virus auf den Schleimhäuten nachgewiesen werden kann, liegt oder lag bis vor kurzem eine Infektion vor." Dieter Hoffmann, stellvertretender Leiter der Diagnostik des Instituts für Virologie an der TUM

Was viele Menschen allerdings nicht wüssten: Eine Infektion bedeute erst einmal nur, dass der Erreger im Körper vorhanden und in der Lage sei, sich zu vermehren. Der Begriff sage jedoch nichts darüber aus, in welchem Stadium der Infektion ein Mensch sich befinde, ob er krank oder ansteckend sei.

Das haben auch andere Experten seit Beginn der PCR-Testungen so gesagt und das hat auch der #Faktenfuchs mehrfach so geschrieben. Womöglich rührt daher das Missverständnis: Umgangssprachlich wird das Wort "Infektion" oft mit "Krankheit" und "Infektiosität" in Verbindung gebracht, also der Frage, ob ein Mensch ansteckend ist.

Sollte sich das Labor bei einem Testergebnis nicht sicher sein, etwa weil die Viruslast so niedrig ist, dass sie kaum noch nachzuweisen ist, ist es laut Dieter Hoffmann Aufgabe des Labors, weitere Informationen einzuholen und gegebenenfalls nachzutesten.

"Das Labor muss sich festlegen, ob eine Probe positiv oder negativ ist." Dieter Hoffmann, stellvertretender Leiter der Diagnostik des Instituts für Virologie an der TUM

Eine andere Frage ist dann, welche Maßnahmen die Gesundheitsämter auf Grundlage der Testergebnisse anordnen. So könne das Labor in seltenen Fällen ein Positiv-Ergebnis mit dem Hinweis versehen, dass die Viruslast sehr gering sei, sagt Hoffmann. In diesem Fall sei es Aufgabe des Gesundheitsamts zu entscheiden, ob etwa eine Selbstisolierung aufgehoben werden kann.

Update 02.03.2021: Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO wies Labore in einer Mitteilung Mitte Januar darauf hin, dass PCR-Tests Teil einer umfassenderen Diagnostik seien. Die Ergebnisse sollten zusammen mit anderen Informationen wie dem Zeitpunkt des Abstrichs, der Krankengeschichte des Patienten und möglichen bestätigten Kontakten zu Infizierten betrachtet werden. Zudem müsse den jeweiligen Hinweisen der Hersteller strikt Folge geleistet werden. Unklare Ergebnisse sollten gegebenenfalls noch einmal durch eine zweite Probe überprüft werden.

In sozialen Netzwerken wurde diese WHO-Mitteilung an Labormediziner teilweise in einen falschen Kontext gestellt. Verschwörungstheoretiker und Corona-Skeptiker verbreiteten unter anderem, die WHO habe die Testrichtlinien verändert und sie habe eingestanden, dass PCR-Tests unzuverlässig und die Infektionszahlen durch falsche Ergebnisse künstlich aufgebläht seien.

Eben das besagt die WHO-Mitteilung aber nicht, wie die Faktenchecker von Correctiv recherchiert haben. Das teilte eine WHO-Sprecherin Correctiv auf Anfrage mit. Die WHO habe PCRs nie als unzuverlässig eingestuft, sondern in einer Mitteilung Mitte Dezember "zur sorgfältigen Handhabung und Auswertung der Tests" aufgerufen. Zuvor war es in Einzelfällen offenbar aufgrund von Anwendungsfehlern zu falschen Ergebnissen gekommen. "Das Schreiben wurde im Januar mit leichten sprachlichen Klarstellungen noch einmal veröffentlicht", so die WHO-Sprecherin. Diese Neuveröffentlichung wurde von Verschwörungstheoretikern offenbar als Anlass genommen, um zu behaupten, die WHO habe eine Kehrtwende vollzogen.

Sind die PCR-Tests eine geeignete Grundlage für die Anordnung von Isolierungs- oder Quarantäne-Maßnahmen?

Ihre begrenzte Aussagekraft zur Ansteckungsgefahr wird den PCR-Tests bis heute zum Vorwurf gemacht. Tatsächlich gibt es auch unter Experten Diskussionen darüber, ob etwa die Schnelltests für Massentests besser geeignet seien als die PCR-Tests. Eine Lösung, die bisher nicht überzeugt, wie Moritz Pompl für BR24 recherchiert hat: "Die Schnelltests können zwar helfen, allerdings nur gezielt in einzelnen Bereichen und bei Menschen mit Symptomen. Aber nicht als Massentests für die gesamte Bevölkerung."

Tatsächlich entscheiden die Gesundheitsämter jedoch nicht allein aufgrund eines PCR-Tests darüber, ob ein Mensch sich in Isolierung oder Quarantäne begeben muss bzw. daraus entlassen werden kann. Eine Isolierung wird angeordnet, wenn eine bestätigte Infektion vorliegt. Die Quarantäne ist hingegen eine Vorsichtsmaßnahme, wenn Menschen einen Risikokontakt hatten oder aus einem Risikogebiet zurückkehren.

Bei diesen Entscheidungen spielen neben den PCR-Tests auch andere Faktoren eine Rolle, wie dieses Flussdiagramm des Robert Koch-Instituts zeigt: zum Beispiel, wie schwer die Krankheit verlaufen ist und wie lange jemand nach einer Erkrankung symptomfrei ist.

Als Grundlage für solche Entscheidungsdiagramme dienen Kontaktnachverfolgungs-Studien. Mit ihrer Hilfe lässt sich berechnen, in welchem Zeitraum eine Person wahrscheinlich ansteckend ist. Stand derzeit ist, "dass die Ansteckungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Symptombeginns, an den Tagen vor Symptombeginn und in der frühen Erkrankungsphase am höchsten ist", schreibt das RKI.

Was wäre die Alternative?

Wer den Nutzen der PCR-Tests als politische Entscheidungsgrundlage infrage stellt, sollte sich auch die folgende Frage stellen: Was wäre die Alternative? Schnelltests sind nach bisherigem Forschungszustand zu ungenau, um eine Infektion belegen zu können. Übrig bliebe nur eine Alternative: Virologen könnten Virusmaterial aus den entnommenen Proben im Labor anzüchten, um nachzuweisen, dass das Virus sich vermehrt. Dass ausgerechnet dieser Weg die Corona-Maßnahmen-Kritiker zufrieden stellen würde, ist allerdings unwahrscheinlich: Die Virenanzucht dauert viel länger als die derzeitige Isolierungs- beziehungsweise Quarantäne-Zeit.

Fazit:

PCR-Tests sind für Infektionsdiagnostik ausdrücklich zugelassen, wie der Verband der Diagnostik-Industrie erklärt. Der Hersteller legt jeweils fest, für welche Erreger ein Produkt gilt. Entsprechend der EU-Richtlinie für In-vitro-Diagnostik muss der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt sicher ist und die zugesagten Leistungen erfüllt. Ein positiver PCR-Test sagt aus, dass eine Infektion mit dem SARS-Cov-2 vorliegt oder bis vor kurzem vorlag, wie Dieter Hoffmann, stellvertretender Leiter der Diagnostik des Instituts für Virologie an der TUM München, erklärt. Der PCR-Test sagt allerdings nicht aus, ob eine Erkrankung vorliegt, welche von einer Infektion zu unterscheiden ist. Und der Test hat auch nur begrenzte Aussage darüber, wie ansteckend jemand ist. Allerdings sind die PCR-Tests in der Corona-Pandemie genauer als die Schnelltests und wesentlich schneller als eine Laboruntersuchung, die aus entnommenen Proben eventuell vorhandene Viren anzüchtet. Das würde länger dauern als die Quarantänezeit.

Zusatzinfos: Viele weitere Fragen und Antworten rund um die Zuverlässigkeit der Tests finden Sie hier und hier. Informationen zur Zuverlässigkeit der Antigen-Schnelltests finden Sie hier.

Disclaimer: Weil uns seit Mitte Januar unter Bezugnahme auf diesen Text immer wieder Hinweise erreichten, dass die WHO angeblich selbst eingestanden habe, dass die PCR-Tests unzuverlässig und die Infektionszahlen daher künstlich aufgeblasen seien, haben wir diesen Text am 01. März um den Teil zu der WHO-Mitteilung ergänzt. Das Update wurde am 02. März noch einmal konkretisiert.

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