Bildrechte: colourbox.com

Antibiotika

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Weniger Antibiotika: Gut für die Patienten?

Antibiotikaresistente Keime sind auf dem Vormarsch. Je mehr sie eingesetzt werden, desto schneller entwickeln sich Resistenzen. Ein sparsamer Umgang ist deshalb geboten. Krankenhäuser und Massentierhaltung stehen im Fokus der Öffentlichkeit.

Über dieses Thema berichtet: Gesundheit! am .

Der Einsatz der Medikamente soll auch in unserem Alltag eingeschränkt werden, bei den klassischen Hausarzt-Indikationen: akute Bronchitis, Mittelohrentzündung, teilweise sogar bei Harnwegsentzündungen.

Antibiotika: Sparsamer Einsatz – profitieren die Patienten?

Das Überraschende daran: Die meisten Patienten werden von diesem „bewussteren“ Umgang mit Antibiotika profitieren. Und das nicht nur, wenn es um virale Infekte geht. Bei denen können Antibiotika sowieso nicht helfen. Denn auch der Effekt auf bakterielle Infekte wird – wenn es sich um ansonsten gesunde Patienten handelt – überschätzt.

Bronchitis: Nutzen von Antibiotika "im Grenzbereich"

Antibiotika sind hierzulande relativ billige Medikamente, die lange Zeit auch als „Allzweckwaffe“ in der Hausarztpraxis galten, als Garant für einen schnellen Heilungsverlauf – zu Unrecht.

"Es gibt Studien, die vor zehn bis 15 Jahren durchgeführt wurden, in denen man untersucht hat, wie wirken zum Beispiel Antibiotika bei besonders hartnäckigem Husten. Also das, was man auch akute Bronchitis nennt. Und da hat man festgestellt, dass der durchschnittliche Gewinn, den man bei einem Antibiotikum haben kann, etwa bei einem halben Tag weniger Husten liegt, bei Husten der insgesamt über eine Woche andauert, normalerweise. Also wenn, dann ist der Nutzen bestenfalls im Grenzbereich." Prof. Dr. med. Attila Altiner, Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock

Prof. Altiner ist Spezialist für Atemwegsinfekte, aber nicht für besonders seltene oder besonders schwer verlaufende, sondern für die ganz normalen, alltäglichen. Verursacht durch Viren, Bakterien oder auch beides. In der Praxis kann der Hausarzt das nur schwer genau auseinanderhalten.

Sicher ist: Von allen Patienten, die mit einer schweren Bronchitis zum Hausarzt kommen, brauchen nur fünf bis zehn Prozent wirklich Antibiotika, um zum Beispiel eine schwere Lungenentzündung zu verhindern. In der Realität aber bekommen durchschnittlich 40 bis 50 Prozent ein Rezept.

Antibiotika: Risiken und Nebenwirkungen oft unterschätzt

Diese Überversorgung mit Antibiotika schadet den Patienten. Denn Antibiotika haben zahlreiche Nebenwirkungen, von Durchfall über allergieähnliche Reaktionen und Sehnenschäden, bis hin zu schwerwiegenden Darmentzündungen, die sogar tödlich enden können.

"Ich finde es ganz wichtig, dass man weiß, dass eine schwerwiegende Nebenwirkung von Antibiotika bis hin zum Tod führen kann. Das muss man wissen. Denn Gott sei Dank sind die in der Regal ja ganz sicher, aber dennoch muss man wissen, dass man hier ein sehr wirksames und auch mit gewissen Gefahren versehenes Medikament verordnet. Deswegen muss ich mir schon genau überlegen: Worum geht's hier eigentlich. Natürlich kommt das ganz selten vor, eine sogenannte pseudomembranöse Enterokolitis. Aber wenn Sie sich mal überlegen: Wir impfen gegen Erkrankungen, die ungefähr genauso selten vorkommen, bakterielle Hirnhautentzündung zum Beispiel. Und dann ist das schon ein Punkt, den man, glaube ich, zumindest wissen muss." Prof. Dr. med. Attila Altiner, Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock

Aber das genaue Abwägen, ob ein Antibiotikum nötig ist oder nicht, ist in der Praxis gar nicht so einfach, wie sich medizinische Laien das vorstellen.

Antibiotika: Einsatz im Notfall oder "zur Sicherheit"?

Der Augsburger Allgemeinmediziner Dr. Manfred Lohnstein kennt das aus eigener Erfahrung.

"Wenn man sich nicht sicher ist, ist es viral, oder ist es bakteriell, dann muss man so eine Unsicherheit aushalten. Das ist für sehr viele schwer, ich neige dazu, dem Patienten das zu sagen, und meine Entscheidung mit ihm zusammen zu treffen. Und zu sagen, wir warten jetzt erst mal ab, wenn's innerhalb der nächsten 2 Tage besser wird, dann sind wir auf der richtigen Schiene, und wenn nicht, dann kommen Sie noch mal, dann können wir das immer noch ändern." Dr. med. Manfred Lohnstein, Allgemeinmediziner, Augsburg

Den Hausarzt mal schauen lassen, ob nicht doch was „Schlimmeres“ dahintersteckt, das ist eine sinnvolle Sache. Aber viele Patienten erwarten mehr von ihrem Hausarzt als bloß die Diagnose und die Empfehlung von Hausmitteln. Auch wenn der Arzt dem Patienten damit unter Umständen einen viel größeren Gefallen tut als mit einem Rezept.

"Man muss auch oft länger mit den Patienten sprechen, wenn man ihnen erklärt: Ruhe, Tee trinken, vielleicht ein Dampfbad inhalieren." Dr. med. Manfred Lohnstein, Allgemeinmediziner, Augsburg

Entgegen den Erwartungen der Patienten ist das „Weglassen“ von Medizin für den Hausarzt oft viel mühsamer als der Griff zum Rezeptblock.

Die Erwartungen der Patienten gründen oft auf ein paar weit verbreiteten vermeintlichen Alltagsweisheiten. Sie sind anschaulich, leicht zu merken, seit Jahrzehnten in Umlauf, aber: Sind sie richtig oder falsch?

Arztbesuch: Wann ist er sinnvoll?

Übrigens: Trotz aller Irrtümer und Missverständnisse ist es durchaus sinnvoll, zu seinem Hausarzt zu gehen, um abklären zu lassen, ob nicht doch etwas anderes als der vermutete virale Infekt dahintersteckt. Manchmal – wenn auch sehr selten – brauchen auch vermeintlich „gesunde“ Patienten die Hilfe eines Antibiotikums, um wieder auf die Beine zu kommen.