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So verändert das Schufa-Urteil des EuGH die Verbraucherrechte

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Nach Schufa-Urteil: Das gilt in Zukunft für Verbraucher

Der Europäische Gerichtshof hat Vorgaben für den Umgang mit Kreditwürdigkeits-Beurteilungen der Auskunftei Schufa gemacht. Mittelfristig könnte das Veränderungen für die Verbraucher bedeuten. Das sind die Auswirkungen des Urteils zum Schufa-Scoring.

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat bereits zum zweiten Mal ein Urteil gegen die Schufa-Auskunftei verhängt. Die Schufa sammelt in Deutschland Finanzdaten von 68 Millionen Bürgern und hat damit eine starke Machtposition. Den Menschen werden, als Aussage über ihre Kreditwürdigkeit, Score-Werte von maximal 100 Prozent zugeteilt. Das kann viele Entscheidungen beeinflussen.

Durch dieses Urteil ändert sich vorerst jedoch noch nichts. Der Luxemburger Richterspruch muss erst noch vom Verwaltungsgericht Wiesbaden in nationales Recht umgesetzt werden. Dafür könnte zusätzlich eine Gesetzesänderung in Deutschland notwendig sein. Das kann also durchaus noch längere Zeit in Anspruch nehmen.

Wie ist die Ausgangslage: Worin liegt das Problem mit der Schufa?

Probleme mit dem Schufa-Score können dazu führen, dass Menschen als nicht mehr kreditwürdig gelten. Es gibt dann im Zweifelsfalle keinen Konsumkredit, keine Ratenzahlung oder auch keinen neuen Mobilfunkvertrag mehr. Außerdem kann ein Mietvertrag daran scheitern. Kurzum: Es droht der weitgehende Ausschluss aus dem wirtschaftlichen Leben. Das gilt nicht nur für Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch für Selbständige, Unternehmer wie Handwerker und Kleingewerbetreibende und viele andere.

Problematisch dabei ist, dass der Score-Wert nicht nur auf persönliches Verhalten in finanziellen Dingen zurückgeht. Auch allgemeines Verhalten anderer Menschen in ähnlichen Situationen (zum Beispiel häufiger Umzug) fließt in den Algorithmus ein, mit dem die Schufa ihre Berechnungen durchführt.

Richter lehnen Beurteilung ausschließlich nach Schufa-Score-Wert ab

Aus diesem Grund, so fordert der EuGH, sollte die persönliche Situation von Betroffenen und ihr individuelles Verhalten auf jeden Fall berücksichtigt werden und keine Entscheidung allein nach einem Score-Wert fallen, was derzeit noch möglich ist.

Die Richter lehnen rechtliche Entscheidungen ab, die allein aufgrund eines anonymen Algorithmus und eines Score-Werts wie bei den Berechnungen der Schufa zustande kommt. Vereinfacht gesagt, soll der Score allein oder auch andere Auskünfte – sofern sie nur von der Schufa kommen, nicht zu einer Ablehnung eines Kredits, Mietervertrags etc. führen.

Schufa-Entscheidung leitet sich vom Datenschutz ab

Begründet hat der EuGH das vor allem mit dem Datenschutz. Gesammelte Daten, die anonym von einem Computerprogramm und seinen Logarithmen oder von Künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet werden, sollen keine alleinige Entscheidungsmacht über Menschen haben. Das ist, dem Gericht zufolge, ein Verstoß gegen Menschenwürde und individuelle Freiheit.

So gesehen kann das Luxemburger Urteil für viele andere Bereiche in Deutschland wichtig sein. Überall dort, wo Daten gesammelt und ausgewertet werden und künftig zum Beispiel auch KI zum Einsatz kommen könnte. Was das Urteil nun in der Realität in Deutschland bedeutet, ist aber offen.

Schufa: oft ist Score nicht einzige Entscheidungsgrundlage

Entgegen der Meinung der meisten Experten sagte die Schufa, an der bisherigen Praxis mit den Score-Werten müsse gar nicht viel geändert werden. Häufig, so ein Sprecher, würde der Score und andere Informationen für Kreditgeber, die von der Schufa kämen, ohnehin nicht das einzige Kriterium für die anstehende Entscheidung sein. So gesehen wäre zumindest in diesen Fällen die Forderung des EuGH nach Berücksichtigung anderer (menschlicher) Kriterien erfüllt, die nicht allein der Computer mit seinen Algorithmen ermittelt hat.

Vermieter und Banken fragen zusätzlich nach Gehalt und Bankauszügen

Zum Beispiel verlangen Vermieter bei einer aktuellen Selbstauskunft häufig nicht nur den Schufa-Score, sondern auch einen Gehaltsnachweis und treffen mit beiden Angaben dann eine Entscheidung. Bei einem Bankkredit stimmen Kundinnen und Kunden in der Regel nicht nur einer Schufa-Abfrage durch das Kreditinstitut zu, sondern auch Gehaltsnachweisen, einem Einblick in Kontoauszüge etc. Im Mittelpunkt steht für Banken meist die Frage nach dem monatlich verfügbaren Nettoeinkommen nach Abzug von Belastungen wie Miete, Versicherungen, etc. Diese Einkommensverhältnisse kennt die Schufa nicht.

Ein niedriger Schufa-Score-Wert kann auch in solchen Fällen aber letztlich das K.-o.-Kriterium dafür sein, dass ein Vertrag nicht zustande kommt. Es wäre aber auch nach dem neuen EuGH-Urteil rechtens, weil eben noch andere Kriterien in die Entscheidung mit eingeflossen sind. Und die sind ganz eindeutig individueller Natur wie das persönliche Einkommen oder das, was am Ende des Monats davon noch übrig bleibt.

Schufa will notfalls die Zustimmung der Verbraucher einholen

Schufa-Chefin Tanja Birkholz glaubt ebenfalls, im Großen und Ganzen an ihrer Vorgehensweise festhalten zu können. Falls es zu einer Gesetzesänderung kommt und das Geschäft für die Schufa komplizierter wird, denkt Birkholz darüber nach, zunächst die Einwilligung der Betroffenen für eine automatisierte Bonitätsprüfung der Kreditwürdigkeit einzuholen.

Im Klartext würde ein Großteil der 68 Millionen Menschen, von denen die Schufa in Deutschland Finanzdaten sammelt, zum ersten Mal Post von der Schufa bekommen und grundsätzlich dafür um Erlaubnis gebeten werden.

Schufa-Daten werden ständig indirekt gesammelt

Bislang läuft es nämlich komplett umgekehrt, die Schufa bekommt ihre Daten nicht direkt von mir als Verbraucher, Bankkunde oder Kreditnehmer. Die Informationen kommen stattdessen indirekt von anderen, mit denen eine Geschäftsbeziehung besteht. Beim Vertrag etwa mit dem Mobilfunkanbieter stimme ich zu, dass der meinen Fall der Schufa melden darf.

Umgekehrt bekommt der Vertragshändler als Kunde bei der Schufa, wofür er bezahlen muss, dann eine Auskunft aus Wiesbaden. Die zeigt neben Schufa-Score auch an, ob in deren System irgendetwas anderes gegen den Verbraucher oder die Verbraucherin vorliegt.

Wenn innerhalb der Laufzeit des Vertrags oder Kredits Raten oder Monatsrechnungen nicht bezahlt werden oder es zu Verspätungen dabei kommt, wird auch das an die Schufa gemeldet. So kann es zu einem negativen Schufa-Eintrag kommen, wegen Zahlungsstörungen. Gegen dieses Melde-System hat auch der Europäische Gerichtshof keine Einwände.

EuGH kritisiert Schufa für unzulässige Daten-Speicherung

Die Kritik des EuGH (im 1. Schufa-Urteil) richtete sich gegen eine überlange Speicherzeit von Privatinsolvenzen. Eine Reform des Insolvenzrechts sollte dafür sorgen, dass überschuldete Verbraucher nach einer Pleite eine sogenannte Wohlverhaltensphase durchlaufen, in der sie sich korrekt verhalten sollen. Danach sollte einem Neuanfang in finanzieller Hinsicht auch als Kreditnehmer nichts mehr im Wege stehen. Die Privatinsolvenz bleibt aber nach den drei Jahren für weitere sechs Monate in einem öffentlichen Register gespeichert.

Die Schufa machte allerdings aus diesen sechs Monaten drei weitere Jahre, sodass der negative Eintrag für insgesamt sechs Jahre bei Verbraucherinsolvenzen bestand und für Schufa-Kunden einsehbar blieb. Zumindest diese umstrittene Praxis hat der EuGH wirksam gestoppt.

Was aus dem 2. Schufa-Urteil zur Bedeutung des Scores wird, hängt nun von der Umsetzung des Verwaltungsgerichts in Wiesbaden ab und der Frage, ob der deutsche Gesetzgeber hier im Sinne des Verbraucherschutzes tätig wird und was letztlich auch die Politik daraus machen wird.

Hat die Schufa nur Nachteile oder gibt es auch Vorteile?

Grundsätzlich ist eine Schufa-Prüfung von Vorteil für viele Verträge, die dadurch schneller und unkomplizierter abgeschlossen werden können. Eine Schufa-Bremse mit neuen rechtlichen Hürden, die es dem privaten Datensammler in Wiesbaden schwieriger machen, hätte möglicherweise auch Nachteile für Verbraucherinnen und Verbraucher.

So ist besonders der Onlinehandel auf vereinfachte Verfahren wie den Schufa-Score angewiesen, um schnell und in großer Stückzahl Kreditentscheidungen zu treffen, die mit Internetkäufen häufig verbunden sind. Schließlich ist es Vertrauenssache, zum Beispiel jemanden, den man nicht kennt, ohne Vorkasse erst einmal Waren zu schicken. Da möchten Händlerinnen und Händler schon wissen, mit wem sie es zu tun haben. Und die Schufa kann ihnen dafür wertvolle Informationen liefern.

Auch Telefonanbieter wären bei ihrem Vertrieb von Mobilfunkverträgen oder Smartphones ohne Schufa eingeschränkt. Es gibt zwar durchaus auch Konkurrenz zu dem mächtigen Wiesbadener Unternehmen, aber andere Verfahren sind ähnlich und arbeiten auch mit anonymisierten Vergleichsdaten. Ohne Schufa wäre es jedenfalls für die breite Masse der Kunden wahrscheinlich schwieriger, an eine Vielzahl von Verträgen zu kommen.

Mehr Transparenz in Zweifelsfällen wäre wünschenswert

Problematisch ist nur, wenn es nicht funktioniert mit der Schufa-Auskunft, und die Gründe dafür nicht nachvollziehbar sind. So beklagen Verbraucherzentralen die fehlende Transparenz der Schufa, die ihr Verfahren als privates Geschäftsgeheimnis hütet und ihren Logarithmus vor jeder Kritik in Schutz nimmt.

Doch auch bei Computerprogrammen sind falsche Ergebnisse grundsätzlich nie auszuschließen, von Künstlicher Intelligenz ganz zu schweigen. Hier sollte der Gesetzgeber darauf achten, dass man in Zweifelsfällen einfacher zu einer Lösung kommt und die Schufa hier zu einer verstärkten Mitarbeit aufgefordert wird. Auch bei dem aktuellen Verfahren vor dem Wiesbadener Verwaltungsgericht, das an den EuGH weitergereicht wurde und jetzt in Wiesbaden weiterverhandelt wird, war es der Einzelfall eines Verbrauchers, der den Anlass zur Klage lieferte.

Dieser Artikel ist erstmals am 08. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert /aktualisiert.

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