Frisches Gemüse, Salat und Kartoffeln auf einem Tisch.
Bildrechte: BR/Lisa Hinder

Frisches Gemüse aus dem eigenen Garten macht unabhängiger von den Lebensmitteln aus dem Supermarkt oder Bioladen.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Selbstversorgung: Unabhängigkeit in Zeiten hoher Inflation

Die Inflation zieht kräftig an. Vor allem Lebensmittel sind deutlich teurer geworden. Selbst Obst und Gemüse anbauen, Hühner halten und Solarstrom vom Balkon nutzen – es gibt Möglichkeiten, die steigenden Preise zu umgehen. Aber lohnt sich das auch?

Über dieses Thema berichtet: mehr/wert am .

Weniger abhängig zu sein von den steigenden Preisen im Supermarkt – das wünschen sich wohl viele. Denn in Bayern mussten die Verbraucher im Mai durchschnittlich 9,2 Prozent mehr für Nahrungsmittel bezahlen als vor Jahresfrist. Um die hohen Preise zu umgehen, verstärkt sich ein Trend: Der Anbau von Obst und Gemüse im eigenen Garten.

Das Ziel: "Ein Stück weit autark zu werden"

Annette Unterer will sich selbst versorgen. Sie baut 15 Gemüsesorten an, etliche Kräuter und Beeren. Und das, obwohl sie als Stadtmensch gelten könnte. Sie habe den Wunsch gehabt, ein Stück weit autark zu werden, erzählt sie. "Das bestätigt sich für mich auch gerade jetzt in der Zeit, wo wir nicht wissen, was noch alles kommt." Das gebe ihr auch ein Sicherheitsgefühl: "Ich kann das anpflanzen. Verhungern werde ich nicht."

Eigenanbau kostet Zeit und Anstrengung

Bis vor kurzem hatte Annette Unterer mit Gartenarbeit wenig zu tun, lebte 45 Jahre lang in einer Dachgeschosswohnung im Münchner Stadtviertel Neuhausen. Dann begann sie ein neues Leben auf dem Land im Ostallgäu – mit eigenem Gemüsegarten. Ein Kraftakt. "Das ist natürlich körperlich eine Herausforderung. Aber das ist auch das Schöne, dass man spürt, was man getan hat", sagt sie.

Neben der körperlichen Arbeit kostet der Eigenanbau Annette Unterer auch Geld: Die Bio-Erde kostet rund 150 Euro, die Setzlinge rund 50 Euro im Jahr. Dafür muss sie den Sommer über weder Gemüse noch Obst kaufen. Was sie nicht essen kann, friert sie ein. Eine Erleichterung in einer Zeit, in der Lebensmittelpreise massiv steigen: Gemüse ist innerhalb eines Jahres um rund neun Prozent teurer geworden. Ob sich der Eigenanbau tatsächlich lohnt, hängt von der Sorte ab. "Zucchini lohnen sich nicht wirklich", findet Annette Unterer. Denn zur Zucchini-Hochsaison seien sie auch in Bioläden viel billiger und zudem eigneten sie sich nicht zum Einfrieren.

Lohnenswert: Eigenanbau von Tomaten und Beeren

Bei Tomaten sieht das anders aus. Trotz der jährlichen Investition in Erde für rund acht Euro pro Pflanze und Setzling für drei bis vier Euro, rentieren sie sich. "Die sind richtig knackig, taufrisch und das Preis-Leistungsverhältnis ist enorm", freut sich Annette Unterer. Die Pflanze trägt den ganzen Sommer über. Hinzu kommt die Preissteigerung: Tomaten sind innerhalb von einem Jahr um fast 40 Prozent teurer geworden. Ein Kilo heimischer Bio-Tomaten kostet derzeit fast acht Euro. Auch bei Beeren kann sich der Eigenanbau lohnen. Sie tragen jedes Jahr wieder Früchte und verursachen keine neuen Kosten.

Annette Unterer kann in ihrem Garten den ersten Salat ernten. Zumindest diesen Sommer über wird sie autarker sein. Sie hat sich unabhängiger gemacht, von den steigenden Preisen – Anerkennung dafür kommt inzwischen auch von anderen. "Am Anfang wurde ich immer belächelt, so nach dem Motto: 'Was tust Du Dir das an?'", erinnert sie sich. "Inzwischen ist es eher so ein 'Chapeau'-Gefühl."

Eier und Fleisch: Lohnt sich eigene Hühnerhaltung?

Obst und Gemüse sind das eine, aber auch Fleisch ist teurer geworden. In ihrem Garten bei Otterfing im Landkreis Miesbach hält die Chefin der Digitalagentur coeno, Bettina Streit, zwölf Hühner. Sie züchtet die Tiere, nutzt Eier und Fleisch für den eigenen Bedarf.

Viel Zeit beanspruchen die Hühner nicht, dafür liegt die "Ausbeute" bei sieben bis acht Eiern pro Tag, wie Bettina Streit sagt. Im Laden würde sie für sechs Eier in Demeter-Qualität fast vier Euro zahlen. Der Preis für Eier ist von April vergangenen Jahres zum April dieses Jahres um 24,4 Prozent gestiegen. Der Preis für Hühnerfleisch um 19,3 Prozent. Bettina Streits Geldbeutel belastet das nicht.

Die Hühner schlachtet Bettina Streit mit sechs Monaten. Bis dahin investiert sie rund 25 Euro an Futter. Rund 45 Euro würde sie für ein geschlachtetes Tier dieser Art und Qualität beim Biobauern zahlen. "Die Eier und das Fleisch, das ist toll für den Eigenverbrauch. Wir sparen uns einen Haufen Geld", sagt Bettina Streit. Hinzu komme ein weiterer positiver Aspekt, wie sie erklärt: "Ich weiß, was sie fressen, ich weiß, wie sie leben. Sie haben ein schönes Leben, sie haben Auslauf und das ist mir halt auch wichtig für die nachhaltige Ernährung."

Autarker werden mit Solarstrom?

Strom ist innerhalb eines Jahres um durchschnittlich 19,3 Prozent teurer geworden. Peter Schaumann will gegensteuern: Er produziert seinen eigenen Strom mit einem Balkonkraftwerk. Für zwei Module hat er 700 Euro bezahlt. Nun spart er jährlich Geld, wie er sagt. "Das ist jetzt ein 600 Watt Kraftwerk mit zwei Paneelen und das macht mir 600 Kilowattstunden im Jahr. So spare ich mir 70 Euro aktuell und wenn die Preise steigen, dann können das auch mal 120 Euro werden in den nächsten Jahren." Die Paneele sind einfach am Balkon zu installieren und speisen den Strom direkt ins Netz.

Der Strom sollte auch sofort verbraucht werden. "Man muss eben einfach drauf achten, dass man sich nach der Sonne richtet und ich meine Waschmaschine und Spülmaschine dann einschalte, wenn die Sonne scheint", erklärt Peter Schaumann. Er hat zur richtigen Zeit investiert. Wer aber erst jetzt auf Solarstrom vom Balkon setzen will, hat es schwerer. Denn: Auch die Preise für die Anlagen sind gestiegen. Und sie sind momentan kaum lieferbar.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!