Vernetzte Patienten, vernetzte Ärzte: Die elektronische Patientenakte (ePA) findet kaum Anklang.
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Vernetzte Patienten, vernetzte Ärzte: Die elektronische Patientenakte (ePA) findet kaum Anklang.

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Das müssen Sie über die elektronische Patientenakte wissen

Röntgenbilder auf CD, Befunde per Fax: alles soll in einer App einsehbar sein - für Patienten und Ärzte. Laut Gesundheitsminister Lauterbach wird bald jeder eine elektronische Patientenakte erhalten. BR24 beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Sie soll sinnvolle Therapie-Ansätze erleichtern, doppelte Behandlungen verhindern und die Patientinnen und Patienten bei der Suche nach Befunden entlasten - Befürworter der elektronischen Patientenakte erhoffen sich von ihr viele Verbesserungen in der medizinischen Versorgung.

Doch die ePA dümpelt vor sich hin, offenbar wird sie nicht angenommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will aber nun Gas geben. "Ende kommenden Jahres wird die elektronische Patientenakte für alle verbindlich", kündigte der SPD-Politiker in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" an. "Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch mit dabei." Auch das elektronische Rezept will er 2024 verbindlich machen. Was kommt auf die Patienten zu? Hier die wichtigsten Antworten.

Wie funktioniert die elektronische Patientenakte?

Alle gesetzlichen Krankenkassen müssen seit 1.1.2021 ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte anbieten. Die technische Ausgestaltung übernimmt im Wesentlichen die Gesellschaft Gematik, in der große Verbände im Gesundheitswesen gemeinsam mit dem Bund zusammengeschlossen sind.

Patientinnen und Patienten können sich über ihre jeweilige Kasse eine Patientenakte aufs Smartphone oder Tablet laden. Anschließend müssen sie sie freischalten. Dann können sie Informationen über ihre Behandlung speichern. Auch eine Nutzung ohne digitale Geräte ist theoretisch möglich, aber komplizierter. Sie muss über die Arztpraxen abgewickelt werden.

Was beinhaltet die elektronische Patientenakte?

In der ePA können Patienten Dokumente zu ihrer Krankengeschichte wie etwa Arztbriefe oder Röntgenaufnahmen abspeichern. Das ist derzeit allerdings im Wesentlichen nur möglich, indem die Dokumente eingescannt und abgelegt werden. In digitaler Form verfügbar sind beispielsweise Impfpass, Mutterpass oder das Zahn-Bonus-Heft.

Werden die Krankheitsdaten damit öffentlich?

Die Entscheidung, was in der ePA abgespeichert wird, treffen die Patientinnen und Patienten. Sie entscheiden auch, wer die Daten einsehen kann.

Ist die elektronische Patientenakte verpflichtend?

Nein. Niemand muss eine elektronische Patientenakte für sich einrichten und führen.

Wird die elektronische Patientenakte in Zukunft zur Pflicht?

Die Bundesregierung will mit einer sogenannten Opt-Out-Lösung dafür sorgen, dass für alle gesetzlich Versicherten eine ePA eingerichtet wird, ohne dass sie sich selbst darum kümmern müssen. Sie können diese ePA aber ungenutzt lassen. Allerdings ist diese Opt-Out-Lösung noch in einer Vorbereitungs- und Prüfungsphase und wird noch nicht umgesetzt.

Wie weit verbreitet ist die elektronische Patientenakte?

Die Zahl der freigeschalteten elektronischen Patientenakten liegt bei rund 600.000 und wächst nur langsam. Das heißt, dass mehr als 99 Prozent der 73 Millionen gesetzlich Versicherten keine ePA eingerichtet haben. In der privaten Krankenversicherung arbeiten etliche Anbieter daran, eine ePA anzubieten. Aber sie befinden sich in der PKV noch in der Vorbereitungsphase.

Wer bekommt alles meine Daten und kann man einzelne Daten schützen, z.B. über Antidepressiva?

Die Patienten und Patientinnen können entscheiden, was abgespeichert wird und wer auf welche Dokumente zugreifen kann.

Kann die Krankenkasse sehen, wann ich beim Arzt war?

Die Krankenversicherer haben keinen Zugriff auf die Daten, die in der ePA gespeichert sind.

Wie sicher sind die in der ePA gespeicherten Daten?

Nach Einschätzung der Betreibergesellschaft Gematik erfüllt die Datenspeicherung bei der elektronischen Patientenakte höchste Sicherheitsstandards. Auch um die ePA betreiben zu können, wurde ein eigenes Datensystem geschaffen, die sogenannte Telematik-Infrastruktur.

Die Server würden in Deutschland gehostet, erklärt die Gematik. Außerdem würden sie nach der Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) der Europäischen Union betrieben und durch unabhängige Gutachter geprüft. Es gibt dennoch auch Warnungen, Hacker könnten versuchen, auf die Daten zuzugreifen.

Müssen Arztpraxen mit der ePA arbeiten?

Kassenarzt-Praxen sind gesetzlich verpflichtet, sich an die Telematik-Infrastruktur (TI) anzuschließen, die Voraussetzung für die Nutzung einer elektronischen Patientenakte ist. In Bayern beispielsweise waren aber von den rund 28.000 Kassenärzten und Psychotherapeuten zum Jahresbeginn nach Daten der Kassenärztlichen Vereinigung rund 1.600 nicht an die TI angeschlossen. Als Begründung nennen viele der Verweigerer Zweifel an der Datensicherheit.

Wer den Anschluss an die TI ablehnt, muss damit rechnen, dass das Kassen-Honorar um 2,5 Prozent gekürzt wird. Es hat bereits mehrere Klagen gegen die Anschluss-Pflicht gegeben. Bislang sind die Kläger in den unteren Instanzen stets vor Gericht gescheitert. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht noch aus.

Die Bertelsmann-Stiftung hat eine Umfrage zur ePA veröffentlicht, gleichzeitig ist ein Tochter-Unternehmen des Bertelsmann-Konzerns an der ePA-Technik beteiligt – Was ist der Zusammenhang?

Im Februar 2023 haben die Bertelsmann-Stiftung und die 'Stiftung Münch' Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, wonach 65 Prozent der Befragten es begrüßen, wenn eine elektronische Patientenakte für alle Versicherten automatisch eingerichtet würde. Die Bertelsmann-Stiftung hält die Mehrheit der Anteile am Bertelsmann-Konzern.

Der Bertelsmann-Konzern ist über sein Tochter-Unternehmen Arvato an der Bereitstellung der technischen Voraussetzungen für die ePA beteiligt. Deswegen wurde öffentlich die Frage diskutiert, ob es eine Einflussnahme gegeben habe. Die Umfrage hat nicht die Bertelsmann-Stiftung selbst durchgeführt, sondern das Marktforschungs-Unternehmen Kantar. Die Bertelsmann-Stiftung ist als gemeinnützig anerkannt und betont in ihrer Selbstdarstellung, sie vermeide Interessenskonflikte.

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