Ein Kassierer scannt in einem Supermarkt an der Kasse die Produkte.
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In Supermärkten fehlen häufig beliebte Markenprodukte. Das Ergebnis eines Machtkampfes zwischen Herstellern und Handelsketten.

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Kampf um den Preis: Welche Macht haben Rewe und Edeka?

Kellogg's Cornflakes, Mirácoli oder Ritter Sport - teilweise suchen Konsumenten derzeit ihre Lieblingsmarken vergebens in den Supermärkten. Der Grund: Händler und Hersteller streiten sich um die Preise. Es geht um die Macht auf dem Lebensmittelmarkt.

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Edeka gegen Mars, Rewe gegen Kellogg Company: Die deutschen Supermärkte wehren sich gegen die Preisforderungen einiger Hersteller und geben an, das im Interesse der Kunden zu tun. Teilweise werfen die Händler die Produkte aus den Regalen, über deren Preise gestritten wird, teilweise liefern die Hersteller einfach nicht mehr. Mittlerweile werden sogar Gerichte (Edeka gegen Coca Cola) und das Kartellamt (Edeka gegen Kellogg Company) in den Auseinandersetzungen angerufen. Welche der Beteiligten werden sich durchsetzen?

Handel gegen Hersteller: Verbraucher- oder eher Eigeninteresse?

Insbesondere Edeka präsentierte sich in den vergangenen Monaten als Streiter für den Verbraucher. Der Konzern warf etwa dem Süßwarenhersteller Mars "ungerechtfertigte und überzogene Preiserhöhungen" vor, die man "im Sinne der Kundinnen und Kunden so nicht akzeptieren werde". Ob Deutschlands größte Lebensmittelkette wirklich vor allem im Sinne der Kunden so agiert und nicht in erster Linie aus Eigeninteresse, kann aus guten Gründen hinterfragt werden. Fakt ist: Die deutschen Lebensmittelhändler liefern sich – auch angetrieben durch die starken Discounter Lidl und Aldi – seit vielen Jahren einen erbitterten Wettbewerb, der international seinesgleichen sucht.

Vier Händler teilen sich weitgehend den Lebensmittelmarkt

Der Hintergrund: In Deutschland teilen nur vier Konzerne den Lebensmittelhandel weitgehend unter sich auf, wie Zahlen des Marktforschungsinstituts Nielsen zeigen. Edeka mit dem Discounter Netto hatte im Jahr 2022 demnach einen Marktanteil von 25 Prozent, Rewe mit Penny 21 Prozent, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) 18 Prozent, Aldi-Nord und -Süd zusammen 11 Prozent. Das bedeutet: Drei Viertel des Marktes sind in der Hand von nur vier Konzernen.

Hohe Teuerung verstärkt Preiskonflikte

Der Kampf um den Kunden wird dabei vor allem über den Preis ausgetragen. Senkt ein Händler den Preis für ein Produkt, ziehen die Konkurrenten oft nach. Besonders auffällig ist das bei Butter und Milch. Hier werden Preisänderungen oft noch am selben Tag vollzogen. Auch der Preiswettbewerb bei Markenprodukten verschärfte sich in den vergangenen Jahren weiter, seit alle Discounter auf Marken setzen.

Nun ist es dabei so, dass keiner der Beteiligten mehr für die Waren an die Hersteller zahlen möchte als die Konkurrenten. Deshalb sind die Verhandlungen meist hart. In der Vergangenheit gab es immer wieder Zoff zwischen Händlern und Herstellern, wobei beide Seiten - soweit möglich - die Muskeln spielen ließen. Die Konflikte verschärften sich infolge der jüngsten Teuerungswellen. So soll derzeit Kellogg's für seine Produkte wie Cornflakes derzeit von Edeka bis zu 45 Prozent mehr als früher verlangen. Das berichtet die Lebensmittelzeitung unter Berufung auf Insider.

Machtpoker: Die Trümpfe von Herstellern und Händlern

Viele Hersteller fordern derzeit für ihre Produkte prozentual zweistellig mehr Geld, berichten Branchenkenner. Allerdings sind die Supermärkte selbst Hersteller von einigen Produkten oder haben ihre Eigenmarken. Sie wissen also, wie sich der Preis eines Produkts zusammensetzt und welche Steigerungen angemessen sind. Wie ein Insider BR24 sagte: "Wenn der Hersteller sagt, ich muss den Preis für meine Schokolade um 30 Prozent anheben, weil der Kakao so teuer geworden ist, dann können wir ihm genau vorrechnen: So viel Kakao ist in deiner Schokolade. Da ist so eine Preiserhöhung übertrieben."

Wer in den Preisverhandlungen am längeren Hebel sitzt, lässt sich nicht ohne Weiteres sagen. Es gibt beispielsweise Produkte, die die Kunden einfach haben wollen. Sind etwa bestimmte Produkte nicht im Regal, kann das Käufer verärgern und in den Laden von Konkurrenten treiben. So ist es kein Wunder, dass vor allem die Hersteller von bekannten Marken bei den Verhandlungen hart bleiben und mit einem Lieferstopp drohen oder eine Auslistung in Kauf nehmen. Sie können sich ziemlich sicher sein: Der Händler will unbedingt ihr Produkt.

Doch auch die Händler kennen ihre Macht. Weil so wenige Player den Markt in Deutschland dominieren, bedeutet es für einen Hersteller hohe Umsatzeinbußen, wenn eine Supermarktkette seine Produkte nicht mehr verkauft.

Lebensmittelproduzenten: Keine Einigung um jeden Preis

Bislang einigten sich Händler und Hersteller früher oder später. Doch nach Ansicht von Handelsprofessor Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg geschieht das jetzt nicht mehr um jeden Preis. Wichtige, große internationale Markenartikler seien nun bereit, den deutschen Markt sukzessive aufzugeben. "Da gibt es plötzlich ein internationales Top-Management, das sagt: Wir haben die Schnauze voll von den Deutschen. Wir verdienen hier die ganze Zeit nichts und haben nur Ärger", so Thomas Roeb im Bayerischen Rundfunk mit Verweis auf die vergleichsweise niedrigen Preise für Lebensmittel in Deutschland. Die großen Konzerne würden lieber in wachsenden asiatischen Staaten investieren, wo die Margen größer sind, meint Roeb.

Kleine Produzenten ziehen oft den Kürzeren

Was aber können die vielen mittelständischen Lebensmittelfirmen tun, die hauptsächlich den deutschen Markt beliefern? Meist müssen sie sich zähneknirschend abseits der öffentlichen Wahrnehmung den Preisvorstellungen der großen Supermärkte und Discounter mehr oder weniger beugen. Wie dramatisch die Situation ist, zeigt eine Umfrage des europäischen Markenverbands AIM unter 650 Unternehmen. Jeder dritte Hersteller gab an, im vergangenen Jahr von Auslistungen bedroht oder betroffen gewesen zu sein. Nur wenige Mittelständler trauen sich, die Machtkonzentration des deutschen Handels offen zu kritisieren. Einer davon ist Alfred Ritter vom gleichnamigen Schokoladenhersteller. Er sagte jüngst, die Marktmacht der großen Vier sei zu einem "unkalkulierbaren Risiko" geworden. Auch Ritter will deshalb verstärkt auf das internationale Geschäft setzen.

Ein Ende des Zwists zwischen Händlern und Herstellern ist nicht abzusehen. Die Folge für die Verbraucher: Sie werden wohl einige liebgewonnene Markenprodukte auf längere Zeit nicht mehr in jedem Laden finden.

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