Höhere Zinsen
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Die Zinsen bei den Banken steigen an. Sparer freuen sich, Kreditnehmer haben Sorgen. Was bringt die Zinssteigerung Verbrauchern unterm Strich?

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Höhere Zinsen: Nützlich oder schädlich?

Wegen der hohen Inflation hat die EZB zum achten Mal in Folge die Zinsen erhöht. Mit den vergleichsweise hohen Zinsen will die Notenbank Investitionen und Nachfrage bremsen bei Unternehmen und Verbrauchern - die das nun schmerzhaft spüren.

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Für Sparer ist es ein Segen, dass die Banken ihre Einlagenzinsen mit den steigenden Leitzinsen nach oben anpassen. Für Kreditnehmer wird es dafür umso teurer, weil die Sollzinsen traditionell viel schneller steigen als die Habenzinsen.

So haben sich die Kosten für Immobilienfinanzierungen seit ihrem Tiefstand in etwa vervierfacht, was neue Bauprojekte zum Teil unbezahlbar macht. Wer jetzt schon Schulden hat und sie nicht einfach zurückzahlen kann, muss auch für Verbraucherkredite oder Ratenzahlungen bald deutlich mehr hinblättern, wenn eine Anschlussfinanzierung fällig wird. Das trifft nicht nur Autokäufer, sondern auch Unternehmen, die ihre Investitionen in solchen Situationen auf das Notwendigste beschränken.

Mit mehr Zahlungsausfällen ist zu rechnen

Nicht alle Schuldner werden mit der neuen Situation und den höheren Zinsen zurechtkommen. Einige Fälle von Überschuldung sind zu befürchten. So wird in den USA aber auch in Europa in Bankenkreisen mit mehr Kreditausfällen gerechnet. Dabei geht es um Privathaushalte, vor allem solche, die ein Haus gekauft oder gebaut haben und um Unternehmen, die ihre Raten nicht mehr zahlen können. Für diese Fälle müssen Banken vorausschauend ihre Risikovorsorge erhöhen und werden von EZB und Finanzaufsicht auch dazu angehalten.

Erhöht die EZB die Zinsen zu schnell?

Zinsen von vier Prozent sind eigentlich eher noch normal, wenn man den langfristigen Durchschnitt betrachtet. Eine Ausnahme waren die Nullzinsen der letzten Jahre, die es vorher so noch nie gegeben hatte. Insofern ist eine Rückkehr zur Normalität nichts Außergewöhnliches. Erstaunlich lange hatte die EZB gewartet, um ihre geldpolitische Wende einzuleiten und dann ging alles sehr schnell. Eine Serie von acht Zinserhöhungen in Folge mit einem Volumen von vier Prozent, gab es so auch noch nicht.

Das heißt, Banken, Unternehmen und anderen Marktteilnehmern blieb diesmal nur sehr wenig Zeit, sich darauf einzustellen. Für einige mag es zu schnell gegangen sein. So haben vor allem in den USA eine Reihe von Regionalbanken Probleme bekommen, allen voran die Silicon Valley Bank und First Republic Bank.

Inflation kam von sinkendem Angebot, nicht von starker Nachfrage

Diesmal ist das besonders bitter, weil den aktuell hohen Preisen in Europa keineswegs ein Wirtschaftsboom vorausgegangen war. Es waren vielmehr die lähmenden Corona-Jahre. Normalerweise kommt es zu hohen Verbraucherpreisen erst dann, wenn die Menschen es sich leisten können, weil es ihnen wirtschaftlich gut geht. Stattdessen waren es unterbrochene Lieferketten und vor allem der Ukraine-Krieg, der Energie und Nahrungsmittel verteuerte wie Getreide oder Pflanzenöl. Dagegen halfen auch höhere Zinsen zunächst nicht.

Abschwung wird in Kauf genommen

Die EZB nimmt bei ihren Zinserhöhungen einen Abschwung ganz bewusst in Kauf, weil das ein sicheres Mittel gegen höhere Preise ist. Wenn die Wirtschaft sich zusammenzieht und die Märkte schrumpfen, ist es nahezu unmöglich, dass die Geldmenge sich aufbläht.

Die Bankenaufsicht der EZB hat bei den Instituten, die sie selbst überwacht, festgestellt, dass zu den aktuell hohen Zinsen deutlich weniger Kredite nachgefragt sind. Das heißt: Es wird weniger investiert und auf Pump konsumiert und es werden weniger Kredite aufgenommen, um größere private Finanzierungen wie für Autos oder gar Immobilien zu stemmen.

Zinserhöhungen wirken: Konjunkturdämpfung

Es ist schon zu spüren, dass die Maßnahmen der Notenbank wirken, indem sie das Wirtschaftsgeschehen abdämpfen. Das ist keine Kleinigkeit, weil das Wachstum gerade im Euroraum schon vor Corona nur mäßig war und deshalb keine großen Reserven bestehen, bevor die Dynamik ganz verloren geht und die Konjunktur kippt. Wir sind von einer Rezession nicht besonders weit entfernt. So geht die Bundesregierung nur von einem geringen Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Andere Prognosen sind sogar noch niedriger.

Inflation lässt noch nicht nach: Zeitfaktor

Bei der Inflationsbekämpfung sieht es dagegen noch nicht so erfolgreich aus. Im Mai lag die Inflation im Euroraum bei 6,1 Prozent und die Kerninflation, bei der die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise nicht mitzählen, zeigt mehr als fünf Prozent an. Das wiederum deutet darauf hin, dass die Verbraucherpreise insgesamt erst einmal hoch bleiben, selbst wenn Gas und Strom billiger werden. Doch selbst davon geht zumindest in Deutschland vorerst kaum jemand aus. Der Nutzen der geldpolitischen Maßnahmen in Sachen Preisdämpfung steht also noch aus und ist bislang nur ein Hoffnungswert.

Das Dilemma, in dem die EZB und andere Notenbanken bei der Inflationsbekämpfung stecken, ist die verzögerte Wirkung. Mindestens zwölf Monate müssen vergehen, bevor eine geldpolitische Maßnahme in der Realwirtschaft richtig greifen kann, häufig sind es sogar eher zwei Jahre. Deshalb spricht EZB-Präsidentin Christine Lagarde immer von "Preisstabilität auf mittlere Sicht“ ("two percent inflation over the medium term") und will damit ein angemessenes und vorausschauendes Handeln begründen, wie es der Auftrag der EZB ist.

Timing ist entscheidend: Ein bis zwei Jahre

Umgekehrt folgt daraus, dass die richtigen Akzente zur Inflationsbekämpfung lange im Voraus schon gesetzt werden müssen. Die EZB kann nicht einfach so lange die Zinsen heraufsetzen, bis die Inflation nachweislich verschwunden ist. Das wäre viel zu viel und deutlich mehr, als die Wirtschaft verkraften kann.

Die Notenbank muss vielmehr vorher rechtzeitig abschätzen, welche Dosis an Zinserhöhungen ausreichend ist, um unter Abwägung aller verfügbaren Daten und Argumente ihre Entscheidungen zu treffen. Das kann natürlich auch danebengehen.

In ein bis zwei Jahren werden alle sehen können, ob die EZB zu viel oder zu wenig gemacht hat, um die aktuelle Inflation erfolgreich zu bekämpfen. Es soll eben auch nicht so sein, dass wir alle einen zu hohen Preis für die Bekämpfung der Inflation bezahlen in Form von übertrieben hohen Zinsen.

Wenn die EZB dagegen zu wenig macht, könnte die Inflation umso längere Zeit hoch bleiben oder nach einer kurzzeitigen Abschwächung wieder zurückkehren - was insgesamt gesehen der größte Schaden wäre. Diese Entwicklungen hat es in den 70er und 80er Jahren schon einmal gegeben.

Dieser Artikel ist erstmals am 5. Mai 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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