Kürzlich forderte Oliver Krischer, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion die Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen: "Die Münzen sind komplett überflüssig und hauptsächlich ein Ärgernis in der Geldbörse", sagte er der "Saarbrücker Zeitung".
Laut Krischer kostet die Prägung von einem Cent gut 1,65 Cent, die Zwei-Cent-Münze sei geringfügig teurer. Aussagen, die das Bundesfinanzministerium nicht bestätigt, nur so viel: "Die Herstellungskosten, d.h. Materialkosten, Prägekosten, Verpackung und Transport liegen bei der 1-Cent-Münze (und nur bei dieser Münze) insgesamt über dem Nennwert. Bei der 2-Cent-Münze liegen die Herstellungskosten unterhalb des Nennwertes", heißt es in einer Antwort des Finanzministeriums auf eine BR24-Anfrage.
Die Forderung, die Ein- und Zwei-Cent-Münzen abzuschaffen, geht Hand in Hand mit dem Vorschlag, Preise zu runden. Auch bei Oliver Krischer: "Der Handel sollte nur noch abgerundete Preise auszeichnen, also die hinten eine Null oder Fünf stehen haben."
Handel setzt aus werbepsychologischen Gründen auf krumme Beträge
Der Handelsverband Bayern reagiert zurückhaltend auf den Rundungsvorschlag: "Die Kunden sagen dann wieder, ‘der Handel nutzt das Runden nur zum Erhöhen der Preise’. Das war ja schon bei der Euro-Einführung so", sagt Pressesprecher Bernd Ohlmann. "Die Deutschen sind mehr als andere Nationen Schnäppchenjäger, die auf jeden Cent achten. Gerade bei Lebensmitteln wie Milch geht es um jeden Cent", so Ohlmann weiter. Auch werbepsychologisch seien krumme Beträge für den Handel wichtig: "1,99 Euro hören sich besser an als 2,00 Euro."
Geringe Beteiligung an Rundungs-Pilotprojekt in Kleve
Im nordrhein-westfälischen Kleve testeten Händler das Runden im Rahmen der Aktion "Geehrte Kunden, wir runden" von Anfang 2016 bis Mitte 2017. Die Rundungsregel: Auf- oder Abrunden auf den nächsten Fünf-Cent-Betrag. Aus 14,97 Euro wurden zum Beispiel 14,95 Euro, aus 19,93 Euro wurden 19,95 Euro. Die Resonanz auf die Einladung des Klever City-Netzwerks zur Teilnahme an der Rundungsaktion war eher gering: Von den 800 angeschriebenen Händlern beteiligten sich weniger als zehn Prozent. Der Pilotversuch wurde Mitte 2017 wieder eingestellt, obwohl sowohl teilnehmende Kunden als auch teilnehmende Händler mehrheitlich mit der Rundungspraxis zufrieden waren. Die Händler profitierten geringfügig von der Rundungspraxis: Pro Verkauf nahmen sie im Schnitt 0,72 Cent mehr ein, wie eine Studie der Hochschule Rhein-Waal zur Klever Rundungspraxis ergab. Allerdings konnten 53 Prozent der Händler die Verwaltungskosten für den Bargeldbestand durch die Rundung nicht senken.
Denn die Kleingeldverwaltung kostet den Einzelhandel Geld. Banken verlangen sowohl für die Münzauszahlung als auch für die Münzeinzahlung Gebühren. Wie hoch diese sind, ist von Bank zu Bank unterschiedlich. Die Kreissparkasse München verlangt zum Beispiel 50 Cent pro Münzrolle, egal ob Ein-Cent- oder Zwei-Euro-Rolle. "Hier geht es um den Aufwand, der durch die Rollen für uns entsteht", sagt Sprecherin Kerstin Brehm. Für eine Rolle mit 50 Ein-Cent-Münzen werden also 50 Cent Gebühr fällig. Geschäftskunden bezahlen für zehn Rollen 3,50 Euro.
Die Einzahlung von Bargeld am Selbstbedienungs-Automaten kostet Geschäftskunden der Kreissparkasse München 75 Cent pro Einzahlung, am Schalter sind es 1,50 Euro. Großeinzahler müssen ihr Geld per Safebag abgeben, was 4,50 Euro pro Safebag kostet. Für Privatkunden sind die Preise gleich, die Münzeinzahlung am SB-Gerät ist kostenlos.
Mehrheit der Deutschen ist für Abschaffung der Kleinmünzen
Die Bundesbank hat 2017 gefragt, ob die Deutschen eine Rundungsregel befürworten: 20 Prozent antworteten mit "Ja, auf jeden Fall", 27 Prozent mit "Eher ja". Demgegenüber antworteten 17 Prozent mit "Eher Nein" und 19 Prozent mit "Nein, auf keinen Fall", wie es in der Bundesbank-Studie "Zahlungsverhalten in Deutschland 2017" heißt. Insgesamt gibt es also mehr Befürworter der Rundungsregel als Gegner. Bei der vorangegangenen Befragung 2011 war es noch umgekehrt gewesen.
Im Rahmen der Eurobarometer-Umfrage fragt die Europäische Kommission regelmäßig, ob die Ein- und Zwei-Cent-Münzen abgeschafft werden sollen: Laut Eurobarometer vom Oktober 2018 sprechen sich 62 Prozent der Deutschen dafür aus. Unter den 19 Ländern der Euro-Zone belegt Deutschland damit den 11. Platz. Der Euro-Zonen-Durchschnitt liegt bei 64 Prozent Zustimmung. Auf den Spitzenplätzen liegen Finnland, Irland, Italien - drei Länder, die keine Ein- und Zwei-Cent-Münzen mehr produzieren. Dennoch sind die Kleinstmünzen auch dort nach wie vor gesetzliches Zahlungsmittel, abschaffen kann sie nur die EU.
Nur etwa ein Viertel der Ein- und Zwei-Cent-Münzen ist im Umlauf
Ein- und Zwei-Cent-Münzen machen zusammen etwas mehr als die Hälfte aller Münzen aus. Seit 2002 hat das Bundesfinanzministerium insgesamt etwas mehr als 42 Milliarden Euro-Münzen prägen lassen, davon sind 12 Milliarden Ein-Cent-Münzen und 9,57 Milliarden Zwei-Cent-Münzen. Tatsächlich im Umlauf ist aber nur ein Bruchteil der Ein- und Zwei-Cent-Münzen. 2011 hatte die Bundesbank geschätzt, dass sich 80 Prozent der Ein-Cent-Münzen und 75 Prozent der Zwei-Cent-Münzen, die von der Bundesbank ausgegeben wurden, nicht im Umlauf befanden. "Bei den kleinen Stückelungen dürften Münzverluste eine vergleichsweise große Rolle spielen", heißt es im Bundesbank-Monatsbericht vom April 2015. Fast ein Viertel der Deutschen legt die Ein- und Zwei-Cent-Stücke zu Hause zur Seite und hortet sie, wie es der Studie Zahlungsverhalten in Deutschland 2017 heißt. Weitere 12 Prozent der Befragten nehmen der Studie zufolge Ein- und Zwei-Cent-Münzen gar nicht an oder werfen sie in eine Spendenbox. Einige Unternehmen haben in ihren Filialen Spendenboxen für wohltätige Zwecke aufgestellt.
Mehr als 20 Unternehmen beteiligen sich an der Spendenaktion "Deutschland rundet auf". Kunden können mit den Worten "Bitte aufrunden" den Einkaufsbetrag auf den nächsthöheren 10-Cent-Betrag aufrunden lassen. Die teilnehmenden Unternehmen führen diese Spenden dann an "Deutschland rundet auf" ab. Seit dem Start im März 2012 bis Ende November 2018 kamen laut der Aktion fast 8,7 Millionen Euro an Spenden für von Armut betroffene Kinder in Deutschland zusammen.
Coinstar stellt Münzsammel-Automaten in Supermärkten auf
Die Sammlung von Kleingeld zum Geschäftsmodell erhoben hat die amerikanische Firma Coinstar, die seit 2017 auch in Deutschland aktiv ist. An den Coinstar-Automaten, die vor allem in Real-Supermärkten stehen, können Kunden ihr Kleingeld einzahlen und bekommen dafür einen Gutschein, den sie im Supermarkt einlösen oder sich bar auszahlen lassen können. Für diese Dienstleistung verlangt Coinstar 9,9 Prozent Gebühr, die auf dem Bon abgezogen werden. 2018 wurden an den 335 deutschen Coinstar-Automaten Münzen im Wert von rund 35 Millionen Euro eingezahlt. 70 Prozent der eingezahlten Münzen waren Ein- und Zwei-Cent-Münzen. Coinstar plant, in den nächsten zwei bis drei Jahren weitere 2.500 Automaten in Deutschland aufzustellen.
Fazit: Die Ein- und Zwei-Cent-Münzen befinden sich nur zu einem kleinen Teil tatsächlich im Umlauf: Sie werden häufig in Spardosen gehortet oder gespendet. In der Geldbörse will sie kaum jemand haben, woraus Unternehmen wie Coinstar ein Geschäftsmodell gemacht haben. In Deutschland gibt es inzwischen eine Mehrheit für die Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen. Für den Einzelhandel sind Ein- und Zwei-Cent-Münzen ein Kostenfaktor, weil sich die Banken die Ein- und Auszahlung von Kleingeld bezahlen lassen. Andererseits will der Handel aus werbepsychologischen Gründen an den krummen Beträgen festhalten.
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