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Kraotien, Einzug Finale WM, Leopoldstraße

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Wie in Serbien das kroatische Fußballwunder gesehen wird

Kroatiens Mittelfeldspieler Ivan Rakitic ist vor dem Finale der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Frankreich fasziniert von der Euphorie in aller Welt. Doch in Serbien sieht man den ehemaligen Gegner Kroatien mit Missgunst. Von Clemens Verenkotte

"Ich werde für die Franzosen sein. Sie haben das bessere Team und haben es verdient, den WM-Titel zu gewinnen."

Für die Franzosen natürlich, gibt diese Frau in Belgrads Innenstadt auf die Frage zurück, für wen sie morgen sei: 

"Ich sag's Ihnen, das ist meine Antwort: Brauchen Sie wirklich einen Grund?"

Seit dem kroatischen Viertelfinalsieg gegen Russland ist die WM-Erfolgsgeschichte des ehemaligen Kriegsgegners das große innenpolitische Thema des Landes geworden. Warum?

Mehr Jubel, als der Präsident erlaubt

Unter anderem deshalb, weil Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vucic und viele seiner Anhänger sich über den Fußballreporter des serbischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender RTS geärgert hatten, der das Spiel kommentiert hatte. Der Fußball-Kommentator sei so "parteiisch" gewesen, das er sein TV auf stumm gestellt habe, sagte Vucic anschließend.

"Was die Übertragung in RTS betrifft. Das erste Mal, Kroatien spielte gegen jemanden, war die Übertragung gut und korrekt. Das zweite Mal war sie zu sehr parteiisch. Und seitdem mache ich den Ton aus."

Das war zu viel des Jubels für den Staatspräsidenten. Und nachdem auch Abgeordnete und regierungstreue Zeitungen ihrem Ärger über den angeblich viel zu kroatisch-freundlichen TV-Kommentator Luft gemacht hatten, hörte sich die Übertragung des Halbfinales gegen England schon ganz anders an, etwa beim Ausgleich für Kroatien in der 68. Minute durch Perisic – viel viel zurückhaltender:

Idioten gibt es überall

Für Kroatien zu jubeln – sei für Serben unpatriotisch? Dieser junge Mann schüttelt nur den Kopf: 

"Ich gehöre der jüngeren Generation an, und das ist mir nicht wichtig. Ich habe Freunde, sowohl Albaner als auch Kroaten. Alle Ehre den Kroaten, dass sie es ins Finale geschafft haben! Ehrlich gesagt, haben sie auch den WM-Titel verdient. Den Streit (hier bei uns, in Serbien) finde ich lächerlich. Wir sollten uns mit diesen Sachen aus der Vergangenheit nicht beschäftigen. Aber, mein Gott, es gibt uns verschiedene Menschen."

In Belgrads Innenstadt, auf einem der Public Viewing Plätze, haben diese beiden Bierverkäufer durchweg gute Erfahrungen gemacht:

"Es gab auch viele kroatische Fans. Auch Kroatinnen. Als Kroatien gegen Russland spielte, waren die eine Hälfte kroatische Fans, die andere russische. Touristen wahrscheinlich. Bei mir waren sowohl Russinnen als auch Kroatinnen, alle waren "Top". Einige trugen auch kroatische Trikots und es gab keine Probleme. Hier im Zentrum sicher nicht. Wo auch immer du bist, kannst du auf Idioten stoßen. Auch in Wien kann das passieren. Wenn du einen Idioten suchst, wirst du ihn sicher irgendwo finden."

Kroatische Trikots will keiner verkaufen

Die größte Boulevard-Zeitung des Landes, "Blic", titelte am Freitag auf ihrer ersten Seite in fetten Lettern: "Gehört es sich, als Serbe für Kroaten zu sein?" – Er hätte kroatische Trikots en masse verkaufen können, sagt dieser Händler an seinem Stand, aber – das würde ihm nur Ärger einbringen:

"Es tut mir Leid, wenn Jungs kommen und nach dem Trikot von Luka Modric fragen. Du kannst dieses Trikot nicht ausstellen und verkaufen, weil dann Idioten kommen würden, um dich zu attackieren. Jetzt, als die Kroaten spielten, wissen Sie, wie viele Menschen nach kroatischem Trikot gefragt haben? Wenn ich das machen würde, würden sie mir nach zwei Tagen die Finanzinspektion schicken, um mich zu malträtieren."