Person mit Plakat mit der Aufschrift "Hass ist keine Meinung!"
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Die Bundesregierung will neue Wege beschreiten, um gegen Hass im Netz vorzugehen (Symbolbild)

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Kampf gegen Hass im Netz: Falle für die Hater

Beleidigungen, Hass und Hetze sind im Netz ein großes Problem. Die Ampel will ein neues Instrument einführen, um Täter entlarven und verfolgen zu können: Die Login-Falle. Wie sie funktioniert und was die Regierung noch gegen Hass im Netz plant.

"Widerwärtig" findet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die auf Telegram veröffentlichten Morddrohungen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU). Der Dienst entwickle sich zunehmend "zum Darknet der Plattformen", sagte Söder am Mittwoch nach einer Sitzung des Kabinettsausschusses gegen Hass und Hetze im Netz.

Auch der Bundesregierung ist Telegram ein Dorn im Auge. Spätestens seit der Dienst nicht auf zwei Bußgeld-Verfahren des Bundesamtes für Justiz wegen Verstößen gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) reagiert hat. Denn das NetzDG schreibt vor, dass Plattformen einen Meldeweg für strafbare Inhalte anbieten müssen - und das tut Telegram nicht.

Ampel spricht sich für Recht auf Anonymität aus

Aber selbst, wenn man wie auf Facebook, Twitter oder YouTube potenziell strafbare Inhalte melden kann: Oft verstecken sich die Täterinnen und Täter hinter Pseudonymen. Im Kampf gegen Hetze im Netz will die Bundesregierung nun neue Wege beschreiten, ohne dabei das Recht auf Anonymität aufzugeben, denn dieses soll "sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet gewährleistet" werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Eine Klarnamenpflicht lehnen SPD, Grüne und FDP ab.

Der Kampf gegen Hass im Netz fand sogar Eingang in die erste Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): "Wir werden uns dafür einsetzen, dass Täter von Hass im Netz identifiziert und strafrechtlich belangt werden können". Um dieses gesellschaftlich wichtige Ziel zu erreichen, will die Bundesregierung auf ein neues Mittel setzen: Die so genannte Login-Falle. Damit ist die Erfassung der IP-Adresse eines Tatverdächtigen gemeint.

Wenn die Login-Falle zuschnappt, wird die IP-Adresse übermittelt

Ein Beispiel, wie die Falle funktionieren könnte: Auf Facebook beleidigt Nutzer Rebell1234 die Nutzerin Tamara. Tamara meldet diesen Post über ein spezielles Facebook-Formular an die Polizei. Die prüft, ob ein Anfangsverdacht auf eine Straftat besteht und lässt die Login-Falle scharf stellen.

Wenn sich nun der Täter erneut auf der Plattform einloggt, schnappt die Login-Falle zu und übermittelt die IP-Adresse an die Polizei - bestenfalls sogar in Echtzeit. Die Polizei leitet die IP-Adresse von Rebell1234 an den zuständigen Telekommunikationsanbieter weiter und erhält von diesem Namen und Anschrift von Rebell1234.

Dieser Vorschlag, den sich der SPD-nahe netzpolitische Verein D64 ausgedacht hat, wird im Koalitionsvertrag als "grundrechtsschonendes und freiheitsorientiertes Instrument" bezeichnet, "um die Identifizierung der Täterinnen und Täter zu erreichen".

Login-Falle lässt sich per VPN umgehen

Das Konzept der Login-Fall hat aber auch seine Grenzen. Zum einen wäre juristisch und technisch zu klären, ob sie auch auf Diensten wie Telegram funktioniert. Zum anderen ließe sich die Login-Falle auch technisch umgehen - etwa, indem Täterinnen oder Täter sich per VPN einloggen und so ihre tatsächliche IP-Adresse verschleiern. Henning Tillmann, Co-Chef von D64 glaubt, dass die meisten Online-Hetzer bei der Verschleierung irgendwann Fehler machen: "Einen großen Teil würde man erwischen", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Neues Netzwerk gegen Hass im Netz

Die rechtliche Seite ist aber nur eine Säule im Konzept der neue Regierung im Kampf gegen Hass im Netz. Die andere: die Ampel will auch die Zivilgesellschaft dabei einbinden.

Gerade haben sich die vier Organisationen Das NETTZ, HateAid, jugendschutz.net und die Neuen deutschen Medienmacher*innen zum "Kompetenzzentrum gegen Hass im Netz" zusammengeschlossen, das zur "zentralen Anlaufstelle gegen Hass im Netz" werden will.

"Es ist an der Zeit, organisiertem Hass, der von einer lautstarken Minderheit ausgeht, ebenso organisiert und strategisch entgegentreten", heißt es auf der Website kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de. Dort sollen Informationen und Unterstützungsangebote gegen Hass im Netz gebündelt werden.

Außerdem wollen die beteiligten Organisationen dort Recherchen zu Themen wie Frauen- und Queerfeindlichkeit, Dynamiken medialer Diskurse, Alternativplattformen und automatisierten Verfahren veröffentlichen. Geplant sind ferner Beratungsangebote, speziell für Jugendliche und junge Erwachsene.

"Menschen dürfen nicht bedroht und mundtot gemacht werden"

Das Kompetenzzentrum wird vom Bundesfamilienministerium finanziell gefördert. Die neue Bundesfamilienministerin Anne Spiegel von den Grünen verspricht sich viel von der Initiative: "Ich bin sicher, dass das Kompetenznetzwerk die Beratung von Betroffenen sowie das Monitoring und die Forschung zu Hass im Netz ganz wesentlich voranbringen wird".

Phänomene wie Hetze, Sexismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit könnten zu "einer ganz konkreten Bedrohung für die betroffenen Menschen werden", erklärte Spiegel. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass Menschen bedroht, mundtot gemacht und aus demokratischen Debatten gedrängt werden." Dieser Aufgabe habe sich das neue Netzwerk verschrieben.

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