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Wagners rote Striche

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Wenn der Tenor versagt: So hemdsärmelig war Richard Wagner

Selbst ein berühmter Komponist wie Wagner musste erhebliche Abstriche machen, wenn er Sänger überforderte: Davon kündet eine unterhaltsame Ausstellung am Nationaltheater Weimar über die spannende Werkgeschichte des "Tannhäuser". Von Peter Jungblut

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Viel zu singen hatte der französische Tenor Alexandre Aimès nicht, als er 1861 für die Rolle des Walther von der Vogelweide in Richard Wagners „Tannhäuser“ besetzt war. Aber auch dieser schmale Part überforderte ihn, jedenfalls die paar Zeilen, die er solo zu bestreiten hatte. Der sonst so kapriziöse Wagner hatte Verständnis, schrieb die vermeintlich schwierige Stelle des Sänger-Wettstreits auf der Wartburg um und musste daraufhin frustriert feststellen, dass Aimès immer noch Probleme hatte.

Energischer Rotstift

Kurz entschlossen strich der Komponist die heikle Passage ganz. Auch ein Wagner musste bei einer Premiere in Paris damals also Abstriche machen an seinem Werk, der Opern-Alltag war viel nüchterner als manche meinen, für „Kunstreligion“ war da kein Platz. All dies wird deutlich bei einer kurzweiligen kleinen Ausstellung im Deutschen Nationaltheater in Weimar. Dort liegt gerade die Arbeitspartitur von Wagner für die „Tannhäuser“-Produktion, und da ist deutlich zu sehen, wie energisch der Meister mit Rotstift in seinen eigenen Noten herum fuhrwerkte und Tenor Alexandre Aimès von allen Sorgen befreite. Christoph Meixner vom Thüringischen Landesmusikarchiv stellte die Ausstellung zusammen, und er verweist darauf, dass der „Tannhäuser“ eigentlich erst in Weimar seinen Siegeszug durch die Opernhäuser antrat.

Tannhäuser hat sich ja 1845 in Dresden nicht so ganz durchgesetzt, aber die Premiere der Weimarer Aufführung 1849 zum Geburtstag der Großherzogin Maria Pawlowna, das ist natürlich ein Ereignis gewesen, das auch wahrgenommen wurde, und zwar auch außerhalb Weimars, das darf man nicht vergessen. Und da beginnt erst der Siegeszug eines gewissen Richard Wagner. Man darf ja nicht vergessen: Auch die großherzogliche Familie unterstützte ihn. Und mit „Tannhäuser“ bekam Thüringen ja seine Nationaloper geschenkt. Ein Monument in Musik! – Christoph Meixner

"Gschlamperte Verhältnisse" mochten die Weimarer nicht

Weimar schmückte sich schon damals, 1849, mit dem Anspruch einer Kulturstadt, aber das hieß noch lange nicht, dass die Bevölkerung sonderlich kunstbeflissen war. Eher im Gegenteil. Es war eigentlich nur der herzogliche Hof, der damals moderne Musik schätzte und sogar einen steckbrieflich gesuchten Revolutionär wie Wagner förderte. Maria Pawlowna, die Herzogin, und ihre Angehörigen hielten sich gern aus der Politik heraus.

Wagner lebte, auf bayerisch gesagt, in „gschlamperten Verhältnissen“ auf der Altenburg, damals außerhalb der Stadt, wo die Weimarer gesagt haben: Ja, jenseits der Ilm, da ist das berüchtigte Nest. Aber wer ging dort ein und aus? Wagner, Berlioz, Schumann, also all die großen Komponisten. Das haben viele Weimarer gar nicht mitbekommen, was damals passiert ist. – Christoph Meixner

Franz Liszt war vom Neid frustriert

Im Zentrum der Ausstellung im DNT Weimar stehen handschriftliche Partituren von Franz Liszt, der als Weimarer Musikchef ja einer der frühesten und konsequentesten Wagner-Förderer war. Er sorgte 1849 für eine erfolgreiche „Tannhäuser“-Produktion und ein Jahr später für die Uraufführung des in der Tat revolutionären „Lohengrin“. Zu sehen ist eine Bearbeitung Liszts der „Tannhäuser“-Ouvertüre für keinen Geringeren als seinen Schwiegersohn Hans von Bülow, einen Klaviervirtuosen, der später auch zum prominenten Wagner-Dirigenten wurde. Das alles zeugt davon, dass Weimar die deutsche Wagner-Stadt überhaupt hätte werden können – wenn die provinzielle Einstellung vieler Bürger dem nicht entgegen gestanden hätte.

Liszt hat ja in seinem Testament auch geschrieben, dass da viel Neid und Missgunst, dieser Weimarer Mief da war, der ihn letztlich weg getrieben hat, weil es nicht funktioniert hat. Weimar wurde nicht der Wagner-Standort, der später Bayreuth geworden ist. Das hatte man ja durchaus angedacht. Vielleicht war die Bevölkerung auch gar nicht imstande, zu folgen. – Christoph Meixner

Druckfehler "Säugerkrieg auf der Wartburg"

So illustrieren Noten hochpolitische Entwicklungen, kulturelle Weichenstellungen, die Eitelkeiten und Empfindlichkeiten des Musikbetriebs. Und noch ein Unikat lässt einen schmunzeln: Auf dem Titelblatt eines Märchenbuchs von Ludwig Bechstein ist vom „Säugerkrieg auf der Wartburg“ die Rede. Wagner schrieb ja nachweislich für Wirbeltiere – so gesehen ist der Druckfehler halb so tragisch.