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"Veröffentlichen, was einem gefällt": 25 Jahre Soul Jazz Records

Er macht nur Alben, von denen er überzeugt ist - von drei Ausnahmen abgesehen. Der Londoner Label-Chef Stuart Baker ist besessen von der Musikgeschichte und penibel beim Produzieren. Ergebnis: Grafisch aufwändige Produkte. Von Markus Mayer

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Die Popkultur ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Gegen Ende der 60er- und während der 70er-Jahren verstanden sich Rock-Musik-Fans noch als Rebellen - verzerrte E-Gitarren-Klänge als Konterbande zur verstaubten, bürgerlichen Kultur, zu tantenhaften Operetten und falschem Opern-Pathos. Jetzt, im 21. Jahrhundert, nach über 50 Jahren mit renitenten Musikwellen, nach Techno, Punk und Free Jazz ist die Pop-Kultur in weiten Teilen Geschichte, ein Fach an der Universität, das man studieren kann. Und so sind Studenten der Kulturwissenschaften, die im Proseminar Referate über Afrofuturismus, Vogueing oder Steampunk abliefern müssen, heutzutage keine Seltenheit mehr.

"Hohes Gut der Ehrlichkeit"

Da tut ein Unternehmen wie Soul Jazz Records gut, das einstige subversive Ansätze wie Dub-Reggae, Krautrock oder brasilianische Tropicalia wieder zugänglich bzw. hörbar macht. Seit 25 Jahren veröffentlicht der umtriebige Labelchef Stuart Baker liebevoll zusammengestellte Alben - meist mit historischen Musikstilen.

"Ich hab nur zwei oder drei Alben raus gebracht, von denen ich nicht restlos überzeugt war. Das fühlte sich, ehrlich gesagt, ziemlich beschissen an. Ich fand das andere als gut, ich habe diese Veröffentlichungen regelrecht bereut. Der Grund war, dass ich mich von den Maßstäben anderer leiten ließ. Man muss veröffentlichen, was einem gefällt, was man wirklich mag, sonst glauben Dir die Leute nicht. Es ist allerdings verdammt schwer, dieses hohe Gut der Ehrlichkeit zu beschützen, aber genau darum geht es uns." -Stuart Baker

Vergleichbar Reclamheften

Ob psychedelischer Rock, Voodoo-Rhythmen aus Haiti oder fluffiger Acid House, ob eiskalter Post-Punk oder tiefergelegter Dubstep - Soul Jazz Records haben bisher weit über 400 Compilations herausgegeben. In gewissem Sinn lassen sich diese Scheiben mit den Reclam-Heften vergleichen: Soul Jazz Records stellen Original-Materialien für aufgeklärte Musik-Fans zur Verfügung. Das gleicht durchaus dem, was die gelben Büchlein für Schüler, Studenten und Philologen offerieren. Allerdings unterscheiden sich die Sampler der Londoner Firma von anderen Kompilationen mit Archiv-Material: Die Cover sind graphisch und farblich ansprechend gestaltet. Und im Inneren der Verpackungen finden sich kompetente Kurz-Essays, verfasst von Stuart Baker.

"Enzyklopädisten am Werk"

Er verortet die ausgewählten Musiken, Künstler und Szenerien in den jeweiligen kulturellen Landschaften. Die attraktiven Hüllen und die intelligenten Texte sind durchaus Faktoren, die zum Erfolg beitragen. Soul Jazz Records, erhältlich sowohl auf Vinyl als auch auf CD, verkaufen sich nämlich erstaunlich gut weltweit. Stuart Baker nennt einen weiteres Merkmal, das die Veröffentlichungen aus seinem Haus gemeinsam haben.

"Ich würde sagen, es handelt sich größtenteils um Tanzmusiken, aber nicht ausschließlich." Stuart Baker
"Das Tolle an dieser Firma ist auch, dass hier Enzyklopädisten am Werk sind. Hier wird ohne Scheuklappen veröffentlicht. Kein Stil wird ausgeschlossen oder gegen den anderen ausgespielt. Bis auf biederen Mainstream à la, sagen wir, Abba, oder subventionierte Hoch-Kultur ist hier so ziemlich alles möglich." Poor Boy Rapper

Berliner Underground, HipHop aus Brooklyn

Eine weitere Stärke: Baker und seine Mitarbeiter sind keine Eurozentristen. Sie können nicht nur etwas anfangen mit Berliner Underground, New Orleans Funk oder frühem HipHop aus Brooklyn. Die Londoner Firma kümmert sich mit gleicher Intensität auch um Yoruba-Trommel-Kunst aus Nigeria, um karibische Tanzmusik oder radikalen Avantgarde-Jazz. Ohne Soul Jazz Records wäre das Eintauchen in viele, teils fremdartige Musik-Welten nicht möglich. Bleibt nur zu hoffen, dass die Londoner Firma am Ball bleibt, weit über den 25. Geburtstag hinaus.