Chanel-Store in Shanghai: Auch hier setzt man auf Parfüm und Lippenstift
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Chanel-Store in Shanghai: Auch hier setzt man auf Parfüm und Lippenstift

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Umbruch in der Modewelt: Nur die Marke zählt

Alles anders in der Modewelt. Die Branche ist in einem rasanten Umbruch. Innovatives Design findet man eher im Museum. Und bekannte Marken setzen lieber auf Merch als auf Mode. Hat die Haute Couture also ausgedient?

Über dieses Thema berichtet: Kulturleben am .

Paris Ende März. Von der Olympiade ist noch fast nichts zu merken. Noch feiert es sich als Kunsthauptstadt – die Schlangen vor den vielen großen Ausstellungen sind noch länger als üblich. Auch vor denen, die der Mode gewidmet sind. Also alles gut? Alles beim Alten?

Innovatives Modedesign steht inzwischen im Museum

Nein. Die Modewelt ist in einem rasanten Umbruch. Der ist auf den ersten Blick allerdings gar nicht wahrnehmbar. Die Glitzerwelt der Mode wirkt intakt. Die Menschen drängen sich in der Iris van Herpen-Ausstellung im Louvre-Seitenflügel. Dabei sind die Kollektionen der niederländischen Designerin eine Herausforderung. Entwürfe, die aussehen, als würde die Trägerin ein Fischskelett tragen. Oder ein Kleid aus Plexiglaskugeln. Sehr durchdacht, sehr konzeptuell, sehr weit weg von etwas, das Modejournalisten gerne mit der lauwarmen Plattitüde "Tragbarkeit" abfeiern. Mode ist hier ganz bei sich – als Befragung, was Kleidung ist: Schmuck? Skulptur? Inszenierung? Mode nicht unbedingt für den Körper, aber unbedingt für den Kopf.

Aber Iris van Herpen fällt nicht nur stilistisch auf. Sie ist mittlerweile eine Ausnahme: eine unabhängige Modemacherin. Heute gehören die allermeisten bekannten Modefirmen großen Konsortien, Yves Saint Laurent genauso wie Louis Vuitton. Spezialisten kennen noch die Köpfe hinter den Kollektionen, im Vordergrund steht aber das Label. Was bedeutet: Entscheidend ist nicht die kreative Leistung der Modeschöpferinnen und -schöpfer, sondern Cash.

Moderschöpferinnen und -schöpfer spielen heute eine Nebenrolle

Das zeigt sich auch bei Gucci, wo Alessandro Michele sang und klanglos abgesägt wurde – der Mann, der durch seinen durchgeknallten und wirklich aufregenden Muster- und Stilmix Gucci zum Must have des letzten Jahrzehnts gemacht hatte. Das war mutig, frisch, aufregend und zahlte sich auch finanziell aus. Doch offenbar hatte er in den letzten Jahren die hohen Renditeziele nicht mehr erfüllt. Ziele, die er erst auf dieses Niveau gebracht hatte. Jetzt gibt es einen neuen. Für das, was wir seither in den Schaufenstern zu sehen bekommen, ist selbst der Begriff Langeweile eine Schmeichelei.

Aber war es früher wirklich besser? Yves Saint Laurent überzeugte lange sowohl kreativ als auch finanziell. 3 Jahrzehnte führte er sein Haus, bis er es an den Kering-Konzern verkaufen musste. Zu seinem Arbeitszimmer pilgern noch heute junge Modeinteressierte – manche haben sich extra in Schale geworfen und bekommen leuchtende Augen, wenn sie vor dem Schreibtisch des Meisters stehen. Aber designt wird hier nicht mehr – der einstige Arbeitsplatz steht im YSL-Museum. Die Heldenverehrung funktioniert – aber eher retrospektiv und museal.

Mit Merch verdient man mehr Geld

Vor 15 Jahren starb Yves Saint-Laurent. Für den Erfolg der Marke spielt das kaum eine Rolle. Wie gesagt: Heute steht die Arbeit der Couturiers (Modeschöpfer) nicht mehr im Vordergrund. Sie sind nur noch einer von vielen Teilen für eine Marketingstrategie. Neben künstlichen Verknappungsstrategien und aufwändig gestalteten Verkaufsräumen. Richtig Geld verdienen die Modekonzerne sowieso kaum noch mit Kleidung, sondern mit Merchandising. Also mit Produkten, auf denen das Logo groß abgedruckt ist: mit Parfüms, Sonnenbrillen und Handtaschen. Mode beliefert die Aufmerksamkeitsökonomie, die Profite liegen woanders.

Der Beweis für diese These? 55 Prozent verdient Gucci mit Lederwaren – das sind neben Schuhen und Gürteln vor allem Taschen. Und es gibt auch eine Abstimmung mit den Füßen. Tatsächlich bilden sich Schlangen 500 Meter entfernt vom Saint-Laurent-Museum. Auf den Champs-Élysées, wo junge Käuferinnen aus aller Welt vor dem Louis-Vuitton Flagstore warten. Diese Firma ist ein Goldesel. 20 Milliarden Umsatz, mehr als jedes andere Label, bringt es dem Luxuskonzern LVMH ein. Mit Mode, ja, aber vor allem mit Handtaschen und Koffern. Beziehungsweise: Hier werden eigentlich nicht Objekte verkauft – sondern eine Marke.

Neuer Trend: Image ist alles!

Das Logo ist wichtiger als Design. Was die Kundschaft sofort kapiert. Denn sie fotografiert nicht die Schaufenster mit der Mode, sondern das danebenstehende Gebäude: Ein ehemaliges Grand-Hotel, das in zwei Jahren eine Vuitton-Luxusherberge werden soll. Ein Hingucker schon jetzt. Weil komplett über 9 Geschoße hoch und in ganzer Breite als Louis Vuitton-Koffer gestaltet. Wie gemacht für einen Riesen. Wie gemacht für Instagram. Dass es in der Mode noch um Kleidung geht, ist Geschwätz. Worum es im 3. Jahrtausend wirklich geht: Images zu verkaufen. Und da zeigt Paris einmal wieder, dass es die Hauptstadt des neuen Trends ist.

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