Ukrainische Geflüchtete inszenieren das Theaterstück "Waffenstillstand im Donbass"
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Ukrainische Geflüchtete inszenieren das Theaterstück "Waffenstillstand im Donbass"

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Ukraine-Geflüchtete inszenieren "Waffenstillstand im Donbass"

Der Krieg in der Ukraine hat auch viele bekannte Künstler zur Flucht gezwungen. In Landshut führen jetzt ukrainische Schauspieler in einem Theaterstück einen Teil ihrer eigenen Geschichte auf. Es ist die bundesweit erste Aufführung.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Das Theaterstück "Waffenstillstand im Donbass" des ukrainischen Schriftstellers Serhij Zhadan ist vor Kurzem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Mit der Aufführung wollen zum Teil international erfolgreiche ukrainische Schauspieler auch ihr eigenes Schicksal aufarbeiten - und das auf der Bühne des Jugendkulturzentrums in der Alten Kaserne in Landshut. Unterstützt werden sie vom Landestheater Niederbayern und inszeniert wird das Stück von dem renommierten Theaterregisseur Markus Bartl. Es ist die deutsche Erstaufführung des international beachteten Werks, das 2021 in Charkiw uraufgeführt wurde.

Nach Kriegsbeginn aus der Ukraine geflohen

Die Geschichte spielt im Jahr 2014, nach der ersten militärischen Intervention Russlands im Osten der Ukraine und der Annexion der Krim in einem Haus in der Ostukraine. Die Frontlinie des Krieges geht mitten durch den namenlosen Ort. Die beiden Söhne verschanzen sich mit ihrer toten Mutter im Gebäude. Immer mehr Dorfbewohner suchen in dem Haus Zuflucht.

In einer der Rollen: Alina Kostyukova, eine bekannte Film- und Theaterschauspielerin aus Kiew. Die - wie so viele andere Kunstschaffende - nach dem Angriff auf die Ukraine Ende Februar dieses Jahres ihre Heimat verlassen und in Deutschland Zuflucht gefunden hat. "Am zweiten Tag nach Kriegsbeginn bekam ich einen Anruf vom Hauptdramaturgen der Münchner Kammerspiele", erzählt die Schauspielerin BR24 am Rande der letzten Probe. "Sie haben mir angeboten, mich nach München zu holen. Und sie haben mir Geld und ein Zimmer gestellt."

Simultanübersetzung bei der Aufführung

Alina Kostyukova hat in München inzwischen auch eigene Theaterprojekte. Auf der Bühne in der Alten Kaserne in Landshut aber kann sie endlich wieder in ihrer Muttersprache mit anderen ukrainischen Schauspielern auftreten: "Jetzt hier auf dieser Bühne, in dieser Sprache, ist es einfach Genuss pur." Das Stück wird auf der Bühne in ukrainischer Sprache gespielt und von Anna Kolomiitseva und Tobias Ulrich simultan ins Deutsche übersetzt.

Regisseur Markus Bartl, befreundet mit dem ukrainischen Erfolgsautor Serhij Zhadan, will den geflüchteten ukrainischen Schauspielern mit diesem Projekt auf der Bühne ihre Sprache zurückgeben: "Die Schauspieler haben wir aus den vielen Leuten gut casten können, die aufgrund des Angriffskrieges auf die Ukraine nach Deutschland gekommen sind. Sie stammen aus Charkiw, Kiew, Mariupol und Odessa".

Der Schauspieler Sebastian Anto mit deutsch-ukrainischen Wurzeln sieht in dem Theaterprojekt eine gute Möglichkeit für die Künstler, um jetzt auch von der Bühne in Landshut aus ihre Identität und Sprache zu verteidigen. "Wir zeigen der Welt, dass wir existieren, dass es uns gibt. Weil das ist ja das russische Narrativ: Dass die Ukrainer nur fehlgeleitete Russen sind. Die Sprache sei erfunden worden, der ganze Staat sei erfunden. Dagegen gehen wir vor."

Permanente Bedrohung verändert die Menschen

Das Stück "Frieden im Donbass“ von Serhij Zhadan zeigt, was die permanente Bedrohung mit Menschen macht, sagt Regisseur Markus Bartl: "Es kommen im Lauf des Stückes immer mehr Leute dazu, die auch so eine Art von Zuflucht finden wollen in dem Haus. Und es stellt sich immer mehr eine Vergangenheit da, die bewältigt werden will in dieser kleinen, zusammengewürfelten Notgemeinschaft, in der das Schicksal des Dorfes an dieser Frontlinie verdeutlicht wird."

Das Stück zeigt unter anderem, dass die Figuren einander nicht mehr vertrauen können. Keiner weiß, wo wer steht, wer was gesagt hat und wer was womit gemeint hat. "Und das ist auch das, was Zhadan bei der Verleihung des Friedenspreises gesagt hat: 'Es ist eine Zeit, in der wir anfangen, unsere Sprache zu verlieren'", so Regisseur Markus Bartl.

Auch Alina Kostyukova weist im Gespräch mit BR24 ausdrücklich darauf hin, dass der Krieg gegen die Ukraine bereits 2014 begonnen hat. Und auch daheim habe man zu lange weggeschaut, sagt die Schauspielerin fast ein wenig verzweifelt und selbstkritisch mit Tränen in den Augen: "Ich fühle da eine ganz große persönliche Schuld. Wie auch die meisten meiner Landsleute." Aber auch die Welt habe weggeschaut.

Mehrere Aufführungen bis Mitte Dezember

Die deutsche Erstaufführung des Theaterstücks "Waffenstillstand im Donbass" fand am Donnerstag, den 8. Dezember, um 20 Uhr auf der Bühne des Jugendkulturzentrums in der Alten Kaserne in Landshut statt.

Bildrechte: BR/Harald Mitterer
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