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The Happy Prince: Rupert Everett als Oscar Wilde

Zehn Jahre hat Rupert Everett damit verbracht, seinen Film über Oscar Wilde zu realisieren – ein Idol des offen schwulen Schauspielers. Im Interview erzählt er, was ihn an Wilde fasziniert und wie er mit seinem Filmteam in Oberfranken landete.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Ganze zehn Jahre arbeitete der offen schwule Schauspieler, Autor und Regisseur Rupert Everett an seinem Film "The Happy Prince" über die letzten Monate im Leben des Oscar Wilde. Für Everett ist der Schrifsteller "eine Art Christus-Figur", ein Märtyrer, der für seine Homosexualität zwei Jahre in Gefangenschaft lebte. Im Gespräch mit Joana Ortmann erklärt Everett seine Vision von der Darstellung seines Idols – und was Oberfranken damit zu tun hat.


Joana Ortmann: In "The Happy Prince" spielen Sie Oscar Wilde in den letzten Monaten seines Lebens: Was hat Sie an dieser besonderen Zeitspanne fasziniert?

Rupert Everett: In meinem Film geht es um die Zeit, nachdem er aus dem Gefängnis gekommen war und so etwas wie ein Vagabund wird: Er hat kaum Geld, wohnt in billigen Hotels, er bettelt in den Kneipen um Drinks und unterhält die Leute dafür mit lustigem Geschwätz. Seine Freunde sind Kleinkriminelle oder Straßenverkäufer. Er hat sein früheres Leben komplett verloren, und auch sich selbst.

Wir reden von einem Mann, der noch fünf Jahre zuvor ein Freund des Adels war, der Mittelpunkt der glanzvollsten Gesellschaft in London, berühmt auf der ganzen Welt. Keine Party fand ohne ihn statt – und dann brach innerhalb von drei Jahren sein Leben komplett über ihm zusammen. Er wurde zu einem verkommenen, verlorenen Penner. Und ich finde diese Vorstellung sehr romantisch.


Welche Rolle spielt dabei, dass wir es hier auch mit einer Phase eines intensiven gesellschaftlichen Umbruchs zu tun haben?  

Das ist alles Teil dieser Zeit: die letzten zehn Jahre des 19. Jahrhunderts sind wirklich das Ende eines Zeitalters, denn im 20. Jahrhundert änderte sich alles. Und in dieser Zeit des Umbruchs stieß Wilde eine der wichtigsten Debatten des 20. Jahrhunderts an: die Schwulen- oder Homosexuellen-Bewegung. Er war sehr wohl ein Symbol für das Ende dieser Belle Époque. In dieser Zeit der Aufklärung und der Industrialisierung war er wirklich am Wandel beteiligt.


Wie wichtig war es, dass Oscar Wilde nicht nur Schriftsteller, sondern in gewisser Weise auch ein Idol für die frühe Schwulenbewegung war?

Er schrieb einmal: "Der Weg der Befreiung wird lang und blutbesudelt sein." Ich denke er sah sich selbst als eine Art Christus-Figur, als jemand, der für eine Sache gekreuzigt wird, um dann unsterblich zu werden. Also ja, er war auf eine gewisse Art und Weise der Anfang der Schwulenbewegung, die heute die "LGBTQ-plus-alle-Buchstaben-des-Alphabets"-Bewegung ist.


Es war spannend, Ihnen dabei zuzusehen, wie Sie Oscar Wilde spielen: dieses dandyhafte, aber gleichzeitig auch das Gefühl für seine Tragik…

Man muss bedenken, dass das alles noch vor Sigmund Freud war. Diese ganze Vorstellung von Selbsterfahrung, die heute selbstverständlich ist, das "Was fühle ich?" oder das "Wie bin ich?" – das gab es als Vorstellung noch nicht. Wir sind heute an einem Punkt, wo wir in gewisser Weise Opferrollen verehren. Aber Oscar Wilde war nie ein Opfer. Selbst in den dunkelsten Stunden seines Lebens ging er immer vorwärts. Er schuf sich seine eigenen Gesetze, sein eigenes Königreich mit eigenen, neuen Freunden. Er war humorvoll bis zu seinem letzten Atemzug und er nahm seine Strafe, zwar auch mit Verbitterung, aber nicht als post-freudsche Opferfigur hin.


Sie sind Hauptdarsteller, Autor und Regisseur von "The Happy Prince" – wollten Sie selbst Regie führen?

Nein, eigentlich wollte ich das nicht. Ich wollte eine ganze Reihe anderer Leute als Regisseur gewinnen, aber niemand wollte den Job machen. Und das Problem eines Drehbuchs ist, wenn niemand Regie führen will, dann existiert es nicht wirklich, dann ist es tot. Also dachte ich mir: Ich habe schon so viel Zeit ins Schreiben investiert, dann mache ich das mit der Regie einfach selbst.


War das eine neue Erfahrung, alles zu vereinen? War es schwierig?

Das Gute daran, dass es so lange gedauert hat, war, dass ich über diesen Zeitraum von zehn Jahren gezwungen war, bis ins Detail vorzudringen. Ich kannte die Geschichte irgendwann so gut, dass, als wir mit dem Drehen anfingen, das Spielen für mich überhaupt kein Problem mehr war. Ich war einfach da. Ich hatte alles im Hinterkopf, es war ein sehr unbewusster Vorgang. Ich musste nicht sehr viel über mich als Schauspieler nachdenken.


Der Film ist auf eine besondere Weise gedreht, die Kamera ist ständig in ganz leichter Bewegung, das erzeugt teilweise den Eindruck eines Traums..

Ich wollte die Kamera als Person, als Figur etablieren, die Teil der Geschichte ist: Ganz am Anfang spricht Oscar direkt in die Kamera und sagt: "Es war ein Traum" über eine Szene, die davor zu sehen ist. Und diese Kamera folgt ihm dann so ziemlich bis runter in die Hölle. Das wollte ich erreichen.


Große Teile des Films wurden in Bayern gedreht – es muss Spaß gemacht haben, Oberfranken ins Paris des 19. Jahrhunderts zu verwandeln...

Das Großartigste ist ja, dass es ein deutscher Film ist. Wir haben Fördergelder aus Bayern bekommen, was eben bedeutet, dass wir die meiste Zeit in Bayern gedreht haben. Am Anfang war es allerdings schwierig, weil die Architektur hier doch sehr anders als in Frankreich oder England ist, und nicht nur das – die meisten Gebäude in und um München sind unglaublich renoviert, wunderschön. Aber deshalb war es leider so schwer, authentische Locations in und außerhalb von München zu finden. Eines Tages rief mich aber dieser Mann vom Tourismusverband an und sagte: "Du musst dir die Schlösser in Franken ansehen." Das waren Mitwitz, Thurnau und Schmölz. Und als ich diese drei Schlösser sah, seufzte ich vor Erleichterung. Ich wusste, dass ich den ganzen Film dort drehen konnte. Sie waren umwerfend, nicht restauriert und aus verschiedenen Zeiten. In Thurnau konnten wir sogar einen "Neapolitanischen Salon" einrichten… Das ist für mich das Spannendste an diesem Film: Wie man es schafft, einen Ort völlig zu verwandeln.