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Schilder an allen Zugängen werben für Toleranz

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Streit um "rechte" Verlage überschattet Leipziger Buchmesse

Demonstranten vor dem Leipziger Gewandhaus protestierten gegen Aussteller mit "rechtem" Verlagsprogramm, der Börsenverein des Buchhandels verteidigte sich, eine Messe dürfe keine "Filterblase" sein. Die Wogen schlagen hoch. Von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Eine Demonstration war angekündigt, aber es war dann doch eher eine Art Mahnwache gestern Abend vor dem Leipziger Gewandhaus: Zwei-, dreihundert Passanten hatten sich zur Eröffnung der Buchmesse eingefunden, um gegen angeblich "rechte Verlage" zu protestieren. Fast schon etwas scheu, jedenfalls nicht aggressiv.

Wenngleich also die Buchmesse gerne als kultureller und geistiger Höhepunkt der Stadt gesehen und beworben wird, sind menschenfeindliche und rassistische Ansichten schon länger zum quasi akzeptierten Status geworden! - Demo-Teilnehmerin

Aufgeheizte Stimmung in Sachsen

Eine künstliche Aufregung, denn erstens gibt es rechtskonservative Verlage schon immer auf der Messe, auch solche, die zum Beispiel von der Vermarktung des Nationalsozialismus leben, was bis jetzt keinen gestört hat, und zweitens dreht sich alles um nicht mal eine Handvoll kleiner Aussteller - von den 2600 anderen Verlagen spricht niemand. Doch die Stimmung ist aufgeheizt in Sachsen: Dort gibt es bekanntlich hohe AfD-Ergebnisse, speziell im SPD-regierten Leipzig allerdings auch eine sehr lebendige linksautonome Szene. Es kracht also gewaltig vor dieser Buchmesse.

Buhrufe für die Bürgermeisterin

Der Dresdener Schriftsteller Uwe Tellkamp sorgt natürlich für Gesprächsstoff, ein bekennender Konservativer, manche behaupten auch ein Propagandist der AfD. Jedenfalls sah sich der Suhrkamp-Verlag demonstrativ zu einer aufsehenerregenden Distanzierung vom eigenen Autor genötigt, will ihn aber weiter verlegen - was ebenfalls für Erstaunen sorgte. Als die Leipziger Bürgermeisterin Skadi Jennicke gestern Abend überaus deutlich vor der AfD warnte - der Oberbürgermeister weilte auf einer Immobilienmesse in Cannes - gab es Buhrufe aus dem Publikum - was die aufgeladene Atmosphäre widerspiegelt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kam nicht umhin, ausführlich auf den Streit um die rechten Verlage einzugehen:

Welchen Wert und welche Aufmerksamkeit geben wir diesen Leuten, die da am Rand der Gesellschaft stehen? Ist das wirklich richtig, dass wir es so übertreiben? Sollten wir nicht an dieser Stelle nicht über jedes Stöckchen springen und sicher sein, auch in dieser Frage, unserer Argumente und unserer Argumentationskraft, meine Damen und Herren? - Michel Kretschmer

Wolkige Warnungen vor "Populismus"

Kretschmer soll verhindern, dass die AfD in Sachsen bei der nächsten Landtagswahl stärkste Partei wird, dabei weiß er genau, dass manche AfD-Positionen auch an der CDU-Basis geteilt werden. Folglich predigte der Ministerpräsident wortreich und wolkig gegen "Populismus", ohne auch ansatzweise konkret zu werden. Die AfD jedenfalls erwähnte er nicht. Heinrich Riethmüller, der Chef des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verteidigte die umstrittene Entscheidung, auch rechte Verlage ausstellen zu lassen.

Vielleicht haben wir auch nicht alles richtig gemacht. Aber heißt das, dass es deswegen falsch war, diese Verlage zuzulassen? Nein. Buchmessen sind keine Filterblasen, sondern spiegeln das wider, was in der Gesellschaft vor sich geht. Und dazu zählen, spätestens seit dem Einzug der AfD in den Bundestag im September, mit zunehmendem Selbstbewusstsein auch rechte Positionen. - Heinrich Riethmüller

Immer weniger Buchkäufer

Als ob der Buchhandel nicht genug andere Sorgen hätte! Jahrelang hieß es, der Buchmarkt sei stabil, jetzt stellte sich heraus, dass der Umsatz zwar tatsächlich stagniert, aber immer weniger Menschen Bücher kaufen. Anders herum gesagt: Die Käufer, die übrig bleiben, geben mehr aus und sorgen damit für eine optische Täuschung. Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis vom Börsenverein hat auch bereits analysiert, warum über sechs Millionen Kunden fehlen:

Diese Menschen, die jetzt weniger lesen, haben immer super gute Erlebnisse mit dem Buch gehabt. Sie genießen das Bücherlesen, sie genießen die Ruhe, aber auch die qualitätsvolle Informations- und Wissensvermittlung. Und auf der anderen Seite, und das ist jetzt der spannende Punkt, fühlen sie sich durch die Multitasking-Gesellschaft mit den Social Media-Geschichten, so was von in Anspruch genommen, so gestresst, dass sie keine Aufmerksamkeit mehr haben, keine Zeit mehr haben Bücher zu lesen. - Alexander Skipis

Streitschriften wären Umsatzbringer

Rezepte gegen den Käuferschwund hat der Börsenverein ganz offensichtlich nicht. Die hektische Diskussion um "rechte Verlage" wird jedenfalls kaum dafür sorgen, dass wieder mehr Leser in die Buchhandlungen strömen - im Gegenteil: Im Netz können sich alle Meinungen ohne Zutun der Verlage austoben. Dabei wären Streitschriften von rechts und links doch traditionell ein Umsatzbringer, wie gerade das Enthüllungsbuch über die Regierung Trump bewiesen hat und wie es zum Beispiel im diskussionsfreudigen Frankreich üblich ist. Die Einteilung der Autoren und Verlage in gefährliche und ungefährliche wird der Branche garantiert nicht weiterhelfen.