James Levine

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Stardirigent Levine - Missbrauchsvorwürfe auch in Münchner Ära

Der Dirigent James Levine wird in den USA des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Von 1999 bis 2004 war er Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Vor seiner Berufung hatte es im Münchner Stadtrat heftige Diskussionen gegeben. Von Ulrich Trebbin

Über dieses Thema berichtet: Allegro am .

Schon Ende der 1990er Jahre gab es immer wieder Gerüchte, dass James Levine, der über 40 Jahre für die Metropolitan Opera in New York arbeitete, Sex mit minderjährigen Buben und jungen Männern gehabt habe. Als es um die Berufung des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker ging, wollten die Grünen im Münchner Stadtrat deshalb nicht nur einen erstklassigen Musiker verpflichten, sondern auch dafür sorgen, dass man keinen weltbekannten Sexualstraftäter am Pult des städtischen Orchester stehen hätte.

"Ich finde, man kann nicht einfach trennen und sagen, da ist das Berufsleben, und wir schauen uns nur das Berufsleben an. Ich bin der festen Ansicht, dass das Thema Pädophilie überhaupt nie Privatsache ist. Sondern ich bin der Meinung, es handelt sich dabei um einen ganz klaren Straftatbestand, wo man auch hinschauen muss." Sigi Benker, damals Fraktionsvorsitzender der Grünen im Münchner Stadtrat

Grüne machten als einzige ihre Bedenken öffentlich

Natürlich wollte der damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Münchner Stadtrat Siegfried Benker niemanden vorverurteilen und beschädigen. Weil die Gerüchte aber nachhaltig und über Jahre mit James Levine verbunden waren - so Benker heute -, hat er sich damals entschieden, die Bedenken mit einer Anfrage an den Stadtrat öffentlich zu machen.

"Wir haben aber damals erleben müssen, dass, das überhaupt aufzugreifen, zu einem riesigen Aufschrei in der Kunst- und Kultur- und Feuilletonwelt geführt hat. Wie kann man so etwas auch nur ansprechen überhaupt. Im Nachhinein interpretiere ich das so, dass damals eben nicht sein durfte, was nicht sein sollte." Sigi Benker, damals Fraktionsvorsitzender der Grünen im Münchner Stadtrat

Damals gab es nur Gerüchte

Benker hat damals gehofft, dass durch eine öffentliche Diskussion eventuelle Opfer ermutigt würden, sich zu melden und dann eine klarere Faktenlage entstünde. Aber das war nicht der Fall, und so hat sich der Stadtrat mit deutlicher Mehrheit für James Levine entschieden. Auch mit der Stimme des CSU-Stadtrats Richard Quaas. Aus damaliger Sicht sei die Entscheidung richtig gewesen, weil es keine Beweise gab, sagt er heute. Heute würde Levine aber in München sicher kein Chefdirigent mehr werden.

"Ich denke, bei solchen sexuellen Übergriffen, die auch sehr viel mit Würde und Menschenwürde zu tun haben, muss man dann schon eine Grenze ziehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man solche Menschen auf ein Orchester mit 120 oder 125 Mitgliedern loslassen sollte in Anführungsstrichen. Wir haben es ja auch mit jungen Leuten zu tun, insbesondere bei der Orchesterakademie ." Richard Quaas, Stadtrat und kulturpolitischer Sprecher der CSU

Im Münchner Stadtrat kein Thema mehr

Die Münchner Philharmoniker haben unterdessen eine Presseerklärung herausgegeben, in der sie sich wünschen, dass die Vorwürfe gegen James Levine untersucht und aufgebarbeitet werden, weil sexueller Missbrauch nicht zu dulden und für die Opfer eine schwere Belastung sei. CD-Produktionen oder Auftritte von Levine mit den Philharmonikern seien unabhängig davon derzeit nicht geplant. - Im Münchner Stadtrat ist das Thema durch die aktuellen Entwicklungen nicht auf der Tagesordnung.

"Wir haben daraus gelernt, dass man unter Umständen ein Stück stärker hätte recherchieren müssen. Andererseits, es war damals niemand bereit zu sagen: So wars." Richard Quaas, Stadtrat und kulturpolitischer Sprecher der CSU