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Lovis Corinth, Porträt Charlotte Berend-Corinth

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So entstanden Selfies: "Licht und Leinwand" in Nürnberg

Mode-Künstler Franz von Lenbach malte, was verlangt wurde: Zu seiner Zeit waren das vor allem Bismarck-Porträts, und bei denen ließ sich der Münchner von Fotos inspirieren. Ein Beispiel der Wechselwirkung von Malerei und Fotografie. Von Thomas Senne.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

„Licht - gezwungen, durch chemische Kunst, in wenigen Minuten bleibende Spuren zu hinterlassen … diesen ganzen Zauber … zu sehen, das spricht freilich unaufhaltsam den Verstand und die Einbildungskraft an“: So feierte Alexander von Humboldt die Fotografie. Bei diesen Zeilen nicht weiter verwunderlich, dass sich der Gelehrte und Weltreisende auch selber ablichten ließ. Im Germanischen Nationalmuseum ist er jetzt auf einer frühen Fotografie, einer silbrig changierenden Daguerreotypie zu sehen - mit Halstuch. Die Begeisterung, die Humboldt für das 1839 erfundene neue Medium hatte, teilten freilich nicht alle seiner Zeitgenossen. Vor allem Maler von Porträt-Miniaturen mussten um ihr Einkommen bangen.

"Anfänglich war es erst einmal eine Irritation. Da war auf einmal dieses Bildmedium, das sehr viel präziser und schneller ein Porträt z.B. erstellen konnte als ein Maler. Aber es gab schon bald viele Maler, die in dieses neue Fotografiefach abgewandert sind und dort also ein neues Metier für sich entdeckt haben." Leonie Beiersdorf, Kuratorin

Pistaziengrüne Kabinette

Unterteilt hat die Kuratorin die Nürnberger Schau in neun Abteilungen. Sie beschäftigen sich mit der Wechselwirkung zwischen traditioneller Kunst und der durch neue Verfahren ständig weiterentwickelten Fotografie. Während in kleinen, pistaziengrün gehaltenen Kabinetten Gemälde präsentiert werden, kann der Besucher die jeweils dazu thematisch passenden Aufnahmen in angrenzenden, Anthrazit gehaltenen Räumen bestaunen: stilisierte Fotoateliers, in der beispielsweise eine historische Kamera mit Stativ zu finden ist.

Ästhetisches Geheimrezept

Franz von Lenbach konnte bei seinen über 80 Bildnissen, die er vom Reichskanzler Otto von Bismarck gemalt hat, auf zahlreiche, jetzt präsentierte Fotos zurückgreifen: eine Art ästhetisches Geheimrezept. Auch der Berliner Genre-Maler Heinrich Zille setzte die Kamera für seine Arbeiten ein und fotografierte Kollegen etwa beim Aktstudium.

"Er hat nicht nur in Malerateliers fotografiert, was wir hier zeigen. Er hat auch die Umgebung von Berlin fotografiert. Er hat seine vielen Genre-Bilder vorbereitet mit Aufnahmen aus Hinterhöfen, Mutter-und-Kind-Szenen, spielenden Kindern, Magdszenen. Da war er ein reger Beobachter seiner Umgebung." Leonie Beiersdorf

Orientmotive und Netz-Flickerin

Fotografen wie Francis Frith waren mit großer Ausrüstung unterwegs und bannten die ägyptischen Pyramiden auf entsprechend präparierte Glasplatten: bei zum Teil 45 Grad Celsius kein Honigschlecken. Derartige Aufnahmen fanden dann bei Malern als Orientmotive Verwendung. Andererseits wurden auch Fotografen von Arbeiten der Künstler beeinflusst und bemühten sich nicht bloß um die detailgetreue Dokumentation des Vorgefunden. Szenen aus Gemälden wurden mit Hilfe historisierender Kostüme in tableaux vivants nachgestellt. Aufnahmen retouchierte man mit Pinseln, um sie in stimmungsvolle Kunstwerke zu verwandeln. So zeigt der berühmte Fotograf Alfred Stieglitz um 1894 zum Beispiel eine Netzflickerin auf Albuminpapier: eine Reminiszenz an ein Werk von Max Liebermann.

Riesen-Orgie von Max Slevogt

Manche Maler betrachteten allerdings die zunehmende Vermischung von Kunst und Fotografie mit großer Skepsis, sagt Leonie Beiersdorf. Dabei verweist die Kuratorin auf ein restauriertes Aktbild von Lovis Corinth sowie auf ein Monumentalgemälde von Max Slevogt: eine Riesenorgie mit kopulierenden Paaren.

"Wir haben Max Slevogt und Lovis Corinth genommen als programmatische Verfechter des Arbeitens nach dem lebenden Modell. Wohingegen an den Akademien es schon gang und gäbe war, Bildkonserven einzusetzen. Und diese Form der Gängelung der Phantasie, die lehnten Corinth und Slevogt ab."Leonie Beiersdorf

Joseph Byrons Selfie

In der mit sicherem Spürsinn und feiner Hand arrangierten Ausstellung, in der große Namen wie Ferdinand Georg Waldmüller, Franz von Stuck oder Heinrich Vogeler vertreten sind, ist auch der Schnappschuss eines gewissen Joseph Byron von 1909 zu sehen. Ausstaffiert mit einer Melone, hat er sich auf einem Dach selber fotografiert. Wenn man so will ein Urahn der heutigen Selfies.

Bis 9. September im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg