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Filmstill aus "Fridas Sommer"

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Neu im Kino: "Fridas Sommer" von Carla Simón

Ein Mädchen, das seine Eltern verloren hat, zu Verwandten kommt und versucht, sich einen Reim auf die Geschehnisse zu machen: Die spanische Regisseurin Carla Simón hat ein einfühlsames Familienporträt gedreht. Von Marie Schoeß

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Pelzschal um den Hals, Cowboystiefel an den schlanken Beinen, Rot auf den Wangen und Grün auf den Augenlidern – in dieser Kostümierung thront Frida auf der Sonnenliege. Sie ist gerade einmal sechs Jahre alt und raucht, so wie Kinder beim Spielen eben rauchen. Mit einem Ast in der Hand und mit viel Stolz beim Herauspusten der klaren Luft. Neben ihr, der Diva im Sonnenstuhl, steht Anna – Fridas strohblonde Cousine, die bereitwillig die Rolle der Tochter einnimmt, auf die sie die wild-gelockte Ältere festlegt.

Mitleid mit einem Kind, das auch böse sein kann

Der Zuschauer kommt in "Fridas Sommer" nie ganz nah an Frida heran, er schaut sozusagen nie in ihren Kopf hinein, blickt ihr aber stets über die Schulter und beobachtet so, wie sie all das, was ihr zugestoßen ist, äußerlich bewältigt. Wie sie hier in die Rolle der Erwachsenen schlüpft, ist ein Beispiel. Es ist ein typisches Kinderspiel, aber doch gefüllt mit einer ganz persönlichen Erinnerung: der Erinnerung an ihre Mutter, über die sie nur weiß, dass sie irgendwie krank war und schließlich gestorben ist. Auch die Versuche, sich der kleiner Cousine zu entledigen, erzählen von einer diffusen Verlorenheit, die sie nicht artikulieren kann: Mit ihr muss sich Frida seit Kurzem Spielsachen wie Eltern teilen, und immer wieder lockt sie die neue Spielgefährtin auf Bäume, von denen diese nicht mehr auf den Boden zurückkommt, oder in Flüsse, in denen sie weder stehen noch schwimmen kann. Diese Doppelbödigkeit aus Erschrecken vor einem Kind, das böse wird, und Mitleid mit einem kleinen Mädchen, das alles verloren hat, prägt den Film. Denn nicht nur Frida ist hilflos, auch ihr erwachsenes Umfeld weiß nicht, wie es mit dem Mädchen und der neuen Situation zurecht kommen soll. Die Großmutter versucht beispielsweise mit allerhand Geschenken zu helfen und mit Glaubenssätzen, die Frida kaum Halt geben.

Eine bedrohliche Krankheit

Was Grund für den Tod der Eltern ist, Grund für ihren Umzug aus Barcelona zu Onkel und Tante aufs Land – das erklärt Frida und dem Zuschauer niemand. Andeutungen fügen sich zu einem Bild zusammen, das ein Kind aber kaum verstehen kann. Wenn sich Frida das Knie aufschlägt, wird die neue Spielkameradin flugs von ihr weggerissen, weg von einem Kind, dessen Eltern an einem Virus gestorben sind. Wenn sie sich unter den Küchentisch verkrochen hat, sind plötzlich die schlechten Entscheidungen ihrer Mutter Thema, schlechte Einflüsse, Dummheiten. Der Zuschauer sitzt in solchem Momenten mit Frida unter dem Tisch, identifiziert sich über die Wahl des Bildausschnittes mit dem Mädchen, das von der Wahrheit ausgeschlossen wird. Erst spät traut sich Frida danach zu fragen, was ihr davor niemand erklären mag. Was das sei, ein Virus, und ob ihre Tante, die neue Mutter, auch so etwas habe.

Die Aidskrise in Spanien

Dieser Film ist nicht nur das einfühlsame Porträt einer Familie, die sich neu sortieren muss. Er erzählt von der Zeit, in der in Spanien die meisten Aidserkrankten Europas lebten. Auch die Mutter der Regisseurin Carla Simon starb Anfang der 1990er-Jahre an Aids, auch sie ließ ihr Kind in einer fremden Familie zurück. Gerade an die kleinen Momente im neuen Alltag habe sie sich für diesen Film erinnert, hat Simon erklärt. Und diese kleinen, unspektakulären Momente scheinen ein zuverlässiger Kompass zu sein, um die passenden Bilder für die Geschichte eines Kindes zu finden.

"Fridas Sommer" kommt in Deutschland am 26. Juli 2018 in die Kinos.