Drei muslimische Frauen sitzen am Stachus in München.
Bildrechte: Picture Alliance/ZUMAPRESS.com/Sachelle Babbar

Drei muslimische Frauen sitzen am Stachus in München.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Muslimfeindlichkeit: Alltag in Bayern und kaum Hilfsangebote

Laut einem aktuellen Bericht des Expertenkreises Muslimfeindlichkeit stimmt jeder zweite Deutsche muslimfeindlichen Aussagen zu. Dabei vermissen viele Muslime Präventions- und Bewältigungsmaßnahmen - auch in Bayern.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Eine Mutter ist mit ihren Kindern unterwegs. Ein Auto fährt vorbei und der Beifahrer bespritzt sie aus dem Fenster mit Alkohol. Vermutlich, weil der Täter die Familie als muslimisch identifiziert hat und Alkohol im Islam verboten ist.

Das ist einer der antimuslimischen Übergriffe in Kempten, von denen Ayla Inan vom Sozialdienst muslimischer Frauen in Kempten spontan erzählt. Ein anderer trug sich vor einem Supermarkt zu: "Einem Mädchen wurde das Kopftuch heruntergerissen und es wurde beschimpft, warum sie jetzt hier in Deutschland lebt mit ihrem Kopftuch."

"Das Problem ist die Mitte der Gesellschaft"

Und es sind nicht nur extreme Beispiele wie diese, die laut Mathias Rohe den antimuslimischen Rassismus in Deutschland ausmachen. Der Islamwissenschaftler hat an der aktuellen Studie zur Muslimfeindlichkeit mitgewirkt. "Das Problem ist die Mitte der Gesellschaft", sagt Rohe. Bei der Hälfte der Bevölkerung herrsche die Auffassung vor, dass "der Islam als solcher" eine Bedrohung darstelle.

"Wir hatten beispielsweise den Fall in Wallerstein, wo ein CSU-Mitglied - Unternehmer, türkische Familiengeschichte, Muslim - sich beworben hatte als Bürgermeisterkandidat. Das hat die Parteispitze auch begrüßt. Aber an der Basis gab's so viel Unmut, dass er die Kandidatur zurückgezogen hat", erinnert sich Rohe. Und so zeige die Studie, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung sage: "Wir würden einen muslimischen Bürgermeister nicht akzeptieren können." Viele Muslime erleben auch Alltagsrassismus: Sie müssen sich und ihre Religion häufig rechtfertigen; werden angefragt, proaktiv Stellung zu beziehen zu islamistischem Terror, zur Rolle der Frau oder zur Frage, ob das Fasten im Ramadan nicht gesundheitsschädlich sei.

Kaum Anlaufstellen für antimuslimischen Rassismus in Bayern

Der Sozialdienst Muslimischer Frauen in Kempten versucht Musliminnen zu helfen, wenn sie angefeindet werden oder zum Beispiel mit ihrem Nachnamen Probleme haben, eine Wohnung oder einen Job zu finden.

Das Angebot ist in Bayern einzigartig. Für antimuslimischen Rassismus gibt es keine weiteren Anlaufstellen. Der Islamwissenschaftler Mathias Rohe von der Universität in Erlangen bedauert das und fordert Nachbesserungen. "An der Stelle könnten wir einfach für diese stark diskriminierte Bevölkerungsgruppe noch besser werden, wenn wir zum Beispiel Dokumentationen und Meldestellen einrichten", so Rohe.

Allgemeine Anlaufstellen bei rechter Gewalt unterstützen Betroffene

Aktuell können sich Musliminnen und Muslime von Einrichtungen beraten lassen, die sich ganz allgemein an Menschen mit Rassismus-Erfahrung richten: Zum Beispiel an die Stelle "Before" in München oder bayernweit an B.U.D - ein Netzwerk, das rechte, rassistische und antisemitische Gewalttaten dokumentiert und die Betroffenen unterstützt.

Miriam Heigl, Leiterin der Fachstelle für Demokratie im Münchner Rathaus, findet es nicht verkehrt, unterschiedliche Betroffene unter einem Dach zu beraten, hält aber fest, "dass es gleichzeitig wichtig ist, dass wir eine gute Beratung für verschiedene Menschen zur Verfügung stellen. Sonst haben wir den Effekt, dass überhaupt keine Solidarisierungsmomente mehr möglich sind."

Bildung als Prävention vor Alltagsrassismus

Die Experten empfehlen: mehr Weiterbildungsangebote über antimuslimischen Rassismus in allen möglichen Lebensbereichen – von der Polizei über die Medien bis in die Schulen. Außerdem müsse das Thema stärker erforscht werden, auch mit Blick auf die Ursachen und darauf, wie die Betroffenen damit umgehen.

Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.