Er war der Mann, der die Ära der Supermodels begründete - dabei waren für Gianni Versace Frauen einfach nur "schön". Für Männer dagegen entwarf er Mode, die der Entwicklung in der Gesellschaft aufspürte - und ihr auch immer einen Schritt voraus war.
Klassisch, aber auch luxuriös, überbordend und pompös war sein Stil. Gianni Versace selbst sagte: "Ich glaube nicht an den guten Geschmack."
Barocke Muster für Männer
Die hohen Hallen des Kronprinzenpalais erinnern einen Tag vor Ausstellungsbeginn noch an eine sehr edle, sehr großzügige Boutique. Nackte Schaufensterpuppen blicken im Erdgeschoss gelangweilt in die Leere. Ein Saal dient als Ankleidezimmer für die Eröffnungsshow: Hier hängen farbenprächtige, luxuriöse Stücke Versaces, barocke Muster, orange, pink, grün. Sie sollen mit effektvoller Lichtbegleitung und mit eigens für die Ausstellung komponierter Musik dem erlesenen Eröffnungspublikum vorgeführt werden.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf Versaces Mode für Männer. Initiator Karl von der Ahé:
Die Männer waren eindeutig sexuell überzeichneter als die Frauen. Bei Frauen war ihm immer wichtig, dass sie schön sind, aber kein Statement im Grunde.
Skandinavische Zurückhaltung im Stil
Karl von der Ahé ist Initiator und künstlerischer Direktor der Ausstellung. Er selbst trägt lieber Schwarz und liebt skandinavische Zurückhaltung im Stil, aber als er vor zwei Jahren einen neapolitanischen Sammler kennen lernte, der wohl eine der größten Sammlungen von Versace-Stücken in Europa besitzt, kam ihm die Idee zur Ausstellung. Das Haus Versace selbst ist in die Retrospektive nicht involviert:
Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie mit dem Mythos Gianni selbst noch nicht so zurecht gekommen sind, obwohl es im Herbst diese große Tribute-Show gab.
Akzeptanz von Homosexualität
Die Ausstellung zeigt nur Stücke, die bis 1997 entstanden sind, bis Versaces Ermordung in Miami. Für die Retrospektive hat von der Ahé mehr als 300 Outfits aus privaten Sammlungen zusammengetragen - damit ist diese Retrospektive umfangreicher als die, die das Victoria and Albert Museum in London im Herbst 2002 zeigte. Bis die Stücke aus Brasilien, Italien, den USA in Berlin ankamen, wusste von der Ahé nicht, wie er die Ausstellung präsentiert: Thematisch oder chronologisch? Mit Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz der homosexuellen Männlichkeit? Oder an die Biografie von Versace geknüpft? Zu Ausstellungsbeginn gibt es daher auch noch keinen Katalog.
Mode spiegelt ja schon immer gesellschaftliche Entwicklungen wider, dass er homosexuell war, aus Süditalien, sich mit sich selbst, mit der Kirche auseinandersetzen musste. Und irgendwo geht so etwas ein. - Karl von der Ahé
Bondage-Zitate der neunziger Jahre
Von der Ahé hat sich für eine eher lose thematische Zusammenstellung entschieden. So empfängt den Besucher im ersten Stock die homosexuelle Männlichkeit: Jacken, die den Träger über-muskulös aussehen lassen. Die Bondage-Zitate, die in den 90ern auf den ersten Blick erkennbar machten, wer Versace trug: Schnallen, Riemen. Und dann die berühmten Seidenhemden, getragen von in Reih und Glied aufgestellten Puppen:
Wir haben gesagt, wir bauen die mal auf wie eine Terrakotta-Armee, die Vielfalt in der Uniformität. Das ist das, was jeder vor sich hat. Das ist eine Explosion an Farben, das sind aber alles Männerhemden ... Das ist super bekannt, dieser Clash. Er hat damals die neueste Technik verwendet, die es möglich macht, Farben auf Textilien zu bringen.
Andy Warhol und Elton John
Ganz oben, in der zweiten Etage, glitzern die teuersten Stücke, die Ikonen, die "Göttinnen", wie von der Ahé sie nennt. Mit Edelsteinen besetze Röcke, Bustiers, Kleider, Wert pro Stück: geschätzt eine Viertel Million Euro. Stings Hochzeitsanzug, ein schwarz-weißer Dreiteiler mit weit geschnittenen Hosen und goldenen Applikationen. Versace suchte damals den Umgang mit Pop-Ikonen, um seine Marke zu etablieren: Madonna trug seine Outfits, Andy Warhol, Elton John.
Er war ein früher Influencer. Er hat eine Bilderwelt bewusst produziert wie kein ein anderer Designer. Deshalb hat er es geschafft, innerhalb kürzester Zeit hochzufahren durch eine visuelle Bombardierung der Medien.
Farbe am bleiernen Januarhimmel
Karl von der Ahé formuliert zumindest einen kunsthistorischen Anspruch. Ein größerer, gesellschaftlich relevanter Überbau zeichnet sich zart ab, wird aber nicht überstrapaziert. Dennoch: schon jetzt, noch Stunden vor der Eröffnungsshow, noch ohne Lichteffekte und Musikteppich, zaubert die üppige Mode Versaces in die blassen Räume des Kronprinzenpalais ein sinnliches, lustvolles Vergnügen. Und von Farbe berauscht lässt sich der bleierne Januarhimmel eine Weile länger ertragen.
Ausstellung im Kronprinzenpalais Unter den Linden in Berlin, bis zum 13. April 2018.