Der Royal auf dem Weg zum Londoner High Court
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Prinz Harry als Zeuge vor Gericht

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"Macht mich krank": Prinz Harry geht frontal auf Presse los

In einem Verfahren wegen illegaler Abhörmaßnahmen wählt Prinz Harry starke Worte: Die britische Regierung befinde sich am "Tiefpunkt", die Presse lege sich "mit ihr ins Bett". Er wolle nicht, dass andere durchmachten, was er selbst erdulden müsse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Diese Zeugenaussage dürfte noch lange nachwirken: Entgegen jeglicher Gepflogenheit und Zurückhaltung der britischen Royals ging Prinz Harry in einem Verfahren wegen illegaler Abhörmaßnahmen frontal auf die britische Regierung und die Medien los. In nicht weniger als 200 Absätzen beschrieb er in einer schriftlichen Stellungnahme seine Erfahrungen mit der Presse, der eigenen Familie und der Politik.

Obendrein knöpfte sich Harry bei der Zeugenanhörung den bekannten britischen TV-Moderator und ehemaligen Chefredakteur des "Daily Mirror", Piers Morgan vor, der inzwischen beim US-Sender Fox untergekommen ist: "Der Gedanke daran, dass Piers Morgan und Journalisten seines Schlages die privaten und sensiblen Nachrichten meiner Mutter (so wie sie es auch bei mir machen) ablauschten und ihr dann drei Monate vor ihrem Tod in Paris eine albtraumhafte Zeit bescherten, macht mich im Nachhinein wütend, es macht mich krank."

"Ich war in einer Abwärtsspirale"

Harry sprach von "entsetzlichen und persönlichen Angriffen" von Morgan auf ihn und seine Frau Meghan, die er anderen ersparen wolle. Offenbar habe der Journalist es darauf angelegt, dass er zu Kreuze krieche. Zum Beweis legte Harry fünfzig Zeitungsartikel vor, die "private und vertrauliche Informationen" über ihn enthielten und seiner Meinung nach auf illegale Weise entstanden seien. In dem Verfahren vor dem Londoner High Court soll die Frage geklärt werden, ob Piers Morgan und andere Journalisten jahrelang Prominente abhörten. Ehemalige Mitarbeiter des "Daily Mirror" belasteten Morgan schwer. Der einstige Chefredakteur habe seinen Reportern zum Beispiel einmal eine abgehörte Voicemail von Ex-Beatle Paul McCartney vorgespielt.

Harry zeigte sich vor Gericht rückhaltlos offen: Er sprach die von den Zeitungen geschürten Gerüchte an, wonach er der Sohn des Rittmeisters und ehemaligen Geliebten von Prinzessin Diana, James Hewitt, sei: "Das ließ mich befürchten, ich würde aus der Familie ausgestoßen." Für einen 18-jährigen seien diese Spekulationen "sehr zerstörerisch und echt anmutend" gewesen: "Das war schmerzlich, niederträchtig und grausam. Ich habe mich immer gefragt, welche Motive dahintersteckten."

Es sei kein Geheimnis, dass sein Verhältnis zur britischen Boulevardpresse "sehr schwierig" sei, gab Harry zu Protokoll. Ihm sei wie jedem Royal eine bestimmte Rolle zugewiesen worden, etwa die eines "unverantwortlichen Drogengebrauchers". In jungen Jahren habe er sich gesagt, wenn derartiger Blödsinn über ihn veröffentlicht werde, könne er die ihm vorgeworfenen Untaten auch genauso gut begehen: "Ich war in einer Abwärtsspirale."

"Gewaltige Paranoia"

Er habe das Gefühl gehabt, so Harry, die Medien hätten Freude daran gehabt, ihn "umzuboxen". An jeder seiner Beziehungen sei die Presse als Dritter im Bunde beteiligt gewesen. Harry nannte in seiner Stellungnahme namentlich alle wichtigen Personen, mit denen er telefonierte, darunter seine Mutter Diana und sein Vater Charles - über ein Handy, das nicht unter seinem Namen angemeldet war und für das er auch niemals Rechnungen erhalten habe. Als er merkwürdige Anrufe bekommen habe, bei denen Teilnehmer aufhängten, habe er sich nichts dabei gedacht. Im Nachhinein sei er überzeugt, gehackt worden zu sein.

Das alles habe eine "gewaltige Paranoia" gegenüber seinem Bekanntenkreis erzeugt, erinnerte sich Harry. Er habe nach den Indiskretionen plötzlich jeden in Verdacht gehabt, Geheimnisse zu verraten. Ausführlich nimmt er in seinem Statement zu einer Reihe von Artikeln des "Daily Mirror" im Detail Stellung. Er sieht sich als "Opfer des Systems": "Sie behaupten, öffentliche Personen zur Verantwortung zu ziehen, aber sie ziehen sich selbst nicht zur Verantwortung." Er habe nichts gegen die Boulevardmedien, so Harry, er wolle vielmehr diejenigen belangen, die ihre Privilegien für unlautere Zwecke "gekapert" hätten.

Von Anwalt Andrew Green gefragt, ob er den einstigen Butler von Diana, Paul Burrell, als "doppelgesichtiges Stück Scheiße" bezeichnet habe, antwortete Harry: "Ich habe meinem Bruder William Voicemails auf dessen Handy gesprochen und dabei im Bezug auf Herrn Burrell diese Worte gewählt."

"Blut über tippenden Fingern"

Er sei überzeugt, dass Großbritanniens Regierung und Medienlandschaft einen "Tiefpunkt" erreicht hätten, schreibt Harry in seinem Fazit: "Die Demokratie kann nicht funktionieren, wenn ihre Presse dabei versagt, die Regierung zu durchleuchten und zur Verantwortung zu ziehen, und sie stattdessen mit ihr ins Bett geht, um den Status Quo aufrechtzuerhalten." Als Soldat halte er es für seine Pflicht, derartiges Fehlverhalten öffentlich anzuprangern. Er frage sich, wie die Menschen die Medien ernst nehmen könnten, wenn sie die "Wahrheit verschleierten". Ausdrücklich klagte er auch diejenigen in der Regierung an, die "ihre Augen verschlossen" hätten vor den Zuständen.

Es seien Menschen gestorben wegen des skrupellosen Verhaltens der britischen Presse: "Wie viel weiteres Blut muss über ihre tippenden Finger fließen, bevor jemand diesen Irrsinn beendet?"

"Von der Thronfolge ausschließen"

Die Londoner Blätter berichten auf ihren Titelseiten ausführlich über die für einen Royal unerhörte Aussage. Die Debatte im Netz ist extrem aufgeheizt. "Niemand hört ihm mehr zu", schrieb ein Leser der "Daily Mail". Ein anderer meinte: "Die Privatheit-Welttournee läuft für ihn gut." Die Presse sei "grausam" mit Harry umgesprungen, hieß es. Die übrige königliche Familie habe sich vorbildlich verhalten, tadelte jemand. Es sei an der Zeit, Harry offiziell von der Thronfolge auszuschließen. "Wer in der Vergangenheit lebt, kommt nicht voran", kommentierte jemand. Harry habe zwar recht, das alles werde seiner "psychischen Gesundheit aber nicht zuträglich sein". Er könne nicht beides haben: Medienaufmerksamkeit, mit der er ein "Vermögen" verdiene, und Privatheit.

Bemerkenswert: Auf der Website des verklagten "Daily Mirror" findet sich keine Zeile über den Auftritt von Prinz Harry vor Gericht.

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