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Buchcover Margaret Atwood, "Aus Neugier und Leidenschaft"

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"Aus Neugier und Leidenschaft": Essays von Margaret Atwood

"Ich glaube, Menschen sind Geschichten erzählende Tiere", sagt Margaret Atwood. Der nun auf Deutsch erscheinende Essayband versammelt keine neuen Texte der kanadischen Autorin, sondern ist fast eine verkappte Autobiografie. Von Kirsten Martins

Über dieses Thema berichtet: Diwan - Das Büchermagazin am .

Margaret Atwood bebildert ihre Überlegungen gern mit privaten Erinnerungen: die Kindheit in den 1940er-Jahren in der Waldinsektenforschungsstation des Vaters, die Unterhaltungen beim Weihnachtsessen über Darmparasiten bei Mäusen. Die Lesereisen, bei denen sie im Schneegestöber mit Koffern voller Büchern stundenlang auf den Autobus wartete, oder die ungeliebten Einladungen als Quotenfrau.

Von Insekten bis Literatur

Voll von scharfem Witz sind viele dieser Essays, die das große literarische und historische Wissen der Autorin weitergeben. Die Tochter eines Insektenforschers interessiert sich ebenso leidenschaftlich für neue Erkenntnisse in der Biologie, Entomologie, Geologie und Psychologie wie für die Werke von Toni Morrison, Anne Sexton, Dashiell Hammett, George Orwell und John Updike. Sie analysiert, wie diese Schriftsteller auf ihre Zeit und ihre Figuren blicken, was sie bewegt. Mit dem Erzählen von Geschichten kam, wie Atwood ausführt, eine wichtige Entwicklung in Gang, machten die Menschen einen großen Schritt in der Evolution.

"Wir können unseren Kindern sagen, lauf nicht auf die Straße – im Gegensatz dazu die Tiere. Nonverbal instruieren sie ihre Jungen, sie erzählen ihnen keine Geschichten. Misses Delfin oder Mister Krähe demonstrieren etwas, ihre Jungen beobachten sie und imitieren dann etwa wie Mister Krähe etwas versteckt , aber diese Tiere werden nie sagen: 'Am Anfang war das ...' und sie werden auch nie fragen: 'Was geschieht mit mir, wenn ich gestorben bin?" Margaret Atwood

Die Arbeit des Schreibens

In Atwoods Essays geht es immer wieder um Frauen, um Literatinnen, ihre Kämpfe, ihre Siege. Darum, wie sich im Roman die Figur der Frau in den letzten Jahrhunderten verändert hat. Direkt und voller Humor erzählt Atwood auch, wie einige ihre Bücher entstanden, welche Schwierigkeiten sie etwa bei ihrem Roman "Der Bericht der Magd" hatte, und sie gibt Ratschläge, wie ein Roman aufgebaut sein soll. Am Anfang jedes Werks steht für sie die Frage: Was wäre wenn?

Spannend muss es sein, nicht nur für den Leser, sondern auch für sie. Margaret Atwood weiß, der grausame Sultan aus "Tausendundeiner Nacht" ist immer anwesend. Halb schlafend, aber doch wach genug, um sich aus seinem Dämmer zu erheben und sich an die Todesstrafe zu erinnern, die er der Erzählerin angedroht hat, wenn ihre Geschichten ihn nicht fesseln.

Wer mehr über Margaret Atwood, die internationale Literatur der letzten 40 Jahre und über das Handwerk des Schreibens erfahren will, für den ist diese so vieles erfassende Essaysammlung eine Goldmine. "Aus Neugier und Leidenschaft" ist im Berlin Verlag erschienen.