Tina Klopp
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Podcast-Macherin Tina Klopp

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Kann man bei einem Date fünf Tinder-Matches treffen?

Menschen auf der Straße dazu überreden, bei handwerklichen Aufgaben zu helfen? Für ihre Hörspiel-Serie und künstlerische Forschung "Pimp your life" geht Tina Klopp über viele Grenzen – und auch beim Zuhören stellt sich manch neue Erkenntnis ein.

"Geh' in den Schokoladenladen und frage nach kostenlosen Pralinen zum Probieren. Geh dann wieder raus, ohne etwas zu kaufen" – eine Aufforderung, die für schüchtern veranlagte Menschen grausam und unmachbar klingt. Oder – wie hört sich das an? "Lass dir im Hotel ein kostenloses Upgrade geben. Gib nicht auf, bis du eines bekommen hast." Künstlerin Tina Klopp stürzt sich für ihr sechsteiliges Hörspiel "Pimp your life" in einen Selbstversuch. Coaches bringen sie in die schwierigsten Situationen, begleiten sie hindurch, und Klopp nimmt alles mit dem Mikro auf: Zweifel, Zaudern und Aufgeben genauso wie kleine Erfolge.

Wer sich nicht von Natur aus gerne in Verhandlungen stürzt und auch nicht mit der Überzeugung aufgewachsen ist, ein Anrecht auf das größte Stück der Torte zu haben, zuckt alleine beim Gedanken an solche Herausforderungen zusammen. Sich in den Vordergrund drängen, beharrlich sein und auch mal richtig nervig werden – bei der Vorstellung mag es manchem oder mancher kalt den Rücken hinunterlaufen.

Tina Klopps künstlerischen Selbstversuch "Pimp your life" hören Sie als Hörspielserie in der ARD Audiothek.

Selbstoptimierung als Kunst in der mehrteiligen Hörspielserie

Die Idee zu dieser Selbstoptimierung als künstlerische Forschung gab es schon länger: In einem früheren BR-Hörspiel beschäftigte sich Tina Klopp bereits mit der Frage, wer "Erfolg" hat - und warum. Von Experten ließ sich Tina Klopp in praktischen Dingen beraten, etwa von einem Systemtheoretiker beim Putzen für das Nachtstudio von Bayern 2. Mit "Pimp your life" geht sie nun ein Stück weiter, die Beratung wird noch lebensnaher und umfassender. "Zugleich steckt da auch der Wunsch dahinter, Gedanken hörbar zu machen. Also vielleicht könnte man meine Coaches auch begreifen als eine innere Stimme, die mich zum Vordrängeln auffordert und dann in den Dialog mit mir geht", meint Klopp.

Hört man zu, wie sie den Mitbewohner dazu bringen will, sich endlich an die verabredete Aufgabenteilung zu halten, sich dabei aber offenbar wie ein schlechter Mensch fühlt, fühlt man sich ertappt – und muss manchmal schmunzeln, manchmal lachen. "Humor ist meiner Meinung nach nicht nur eine gute Waffe gegen die Mächtigen, sondern am Ende wohl auch der beste Umgang mit doofen Situationen", sagt die Autorin.

Hochstapler-Syndrom haben viele Menschen – Selbstreflexion hilft nicht unbedingt

Dass es vielen Menschen ähnlich geht, hat sie aus den Reaktionen erfahren: "Es gibt ja dieses Hochstapler-Syndrom. Viele Menschen denken, sie wären für ihren Job oder generell ihr Leben nicht qualifiziert genug und eines Tages könnte das auffliegen und dann gibt's eine Katastrophe." Über sich selbst sagt sie: "Ich habe das noch generalisierter als 'Alles ist total komisch-Syndrom'. Vor allem hatte ich vorher das Gefühl, dass ich viel zu nachgiebig bin und von allen ständig über den Tisch gezogen werde."

Hat es ihr geholfen, sich coachen zu lassen? "Ich würde ja sagen, das Prinzip 'Coach' ist grundsätzlich sehr schlau. So wie ich meine eigenen Texte auch nicht gut selbst Korrektur lesen kann, ist auch in praktischen Situationen der Blick von außen total hilfreich und erleichtert es, schwierige Themen anzugehen." Man könne es sich aber auch leichter machen: "Man braucht keinen teuren Coach dafür, eine gute Freundin reicht vollkommen und man sollte sich da viel häufiger gegenseitig unterstützen."

Live-Coaching-Fazit: "Die Menschen waren hilfsbereiter als gedacht"

Das Setting, das Tina Klopp gewählt hat, nennt man "Live-Coaching" oder auch "Shadowing". Die Coaches begleiten sie in allen Situationen und sprechen ihre Anweisungen – die auch im Hörspiel hörbar sind - ins Ohr. Dass die Autorin den Hörenden ihrer Serie auf diese Art so nah an ihre Gefühls- und Lebenswelten herankommen lässt, kommt in Hörspielen nicht so oft vor – ein Selbstversuch. Oder ist die Figur im Hörspiel eine Kunstfigur? Dazu Tina Klopp: "Ich bin mir zum Glück gar nicht sicher, ob es das Ich, so wie wir uns das klassischerweise vorstellen, überhaupt gibt. Insofern: Die Kunstfigur ist eine von vielen, möglichen Tinas." Die Hörspiel-Serie "Pimp your Life" ist jedoch nicht einfach eine Anleitung zur Selbstoptimierung - am Ende entsteht daraus die politische Aktion eines Lebenstausch-Feiertags.

Selbstreflexion und Beobachtung der Gesellschaft gehen also Hand in Hand: "Die Erfahrung war, dass die meisten Menschen viel hilfsbereiter und interessierter sind, als ich dachte. Ich musste ja unter anderem mit einem Pick-up-Coach Männer auf der Straße ansprechen und ihnen sagen, dass ich sie attraktiv finde. Horror. Aber sie haben mich zumindest nicht ausgelacht."

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Hörspielserie "Pimp your life" - Ein Selbstoptimierungsversuch als künstlerische Forschung

Fünfer-Date daheim

Das größte Wagnis: "Am meisten Angst hatte ich vor dem Tinderdate. Ich habe mehrere Männer gleichzeitig zu mir nach Hause eingeladen, um mir die Zeit zu sparen, jeden einzeln zu daten. Ich hatte damit gerechnet, beschimpft und verspottet zu werden, so nach dem Motto: Was bildest denn du dir bitte ein? Lustigerweise war die Reaktion viel milder als erwartet."

Man kann also schon fünf Männer gleichzeitig zu einem Date einladen. Sollte man es aber auch tun? "Ich weiß nicht, ob man aus Prinzip frech sein sollte", meint Tina Klopp. "Leider sind ja eher viel zu viele Leute extrem egoistisch und ellbogenmäßig und wichtighuberisch unterwegs, ich würde eher sagen: Man sollte immer den Dingen nachgehen, die einen interessieren. Ich versuche nur, mich nicht von meinen Ängsten leiten zu lassen."