Archivbild des US-amerikanischen Schriftstellers Anthony McCarten
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Der US-amerikanische Schriftsteller Anthony McCarten

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"Going Zero": Lesung aus Anthony McCartens neuem Roman

Anthony McCartens neuer Thriller spielt mit der Idee, ganz vom Daten-Radar zu verschwinden. Geht das überhaupt noch? Ein Lesevergnügen – und ein wirksamer Augenöffner. Ab sofort finden Sie eine Lesung des Romans in der ARD Audiothek.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Wie würden Sie sich verstecken – in dieser Welt, die alles sieht? In einem Schrank? Im Wald, mit Zelt und Schlafsack? Unterwegs? Kann man ein Flugzeug besteigen?" Kleine Herausforderung an alle – und Anthony McCarten ist mittendrin. "Mit diesen Gedanken begann ich – und dann musste ich recherchieren, wie viel Überwachung inzwischen für die Regierungen und die großen Tech-Unternehmen wirklich bereits machbar ist …" So entstand "Going Zero". Und es ist einfach klasse, wie der routinierte Entertainer und Spannungsprofi das Thema Datenschutz – doch, darum geht es irgendwie … aber so trocken würde McCarten das natürlich niemals labeln – mit diesem Roman in etwas sehr Konkretes und sehr Unterhaltsames verwandelt.

"Wie würden Sie sich verstecken?"

Zehn Kandidaten und Kandidatinnen kämpfen um den Sieg, gegen das geballte Wissen von Geheimdienst plus Facebook und Co. "Going Zero", das heißt: Null Spuren hinterlassen, von den mächtigen Verfolgern vier Wochen lang nicht gefunden werden. Beim Lesen entwirft jeder unwillkürlich die eigene Zero-Strategie. So waren auch die ersten Reaktionen, die bei McCarten ankamen – es habe sich dann meistens herausgestellt, meint er, dass die jeweilige Idee auch im Roman auftauche … und scheitere. "Auch Ihre Idee könnte schon im Buch sein", sagt der Autor beim Treffen in München, "und - sie wird Schwächen haben …"

Die Wette gilt, und dass ausgerechnet Kaitlyn, die analoge Bibliothekarin aus Boston, scheinbar die schwächste Kandidatin, besonders viel Widerstand aufbringen wird – das liegt natürlich in der inneren Logik des Genres Thriller begründet. Aber es drückt auch eine geradezu altmodische Hoffnung des Autors auf humane Selbstbestimmung aus. Der Mensch – immer noch mehr als ein digitales Profil.

Nach dem Startschuss bekommen die "Zeros" zwei Stunden Vorsprung – dann beginnt die Daten-Schlacht. "Kaitlyn weiß, dass ihre supercleveren Verfolger inzwischen ihre Adresse kennen, ihre Bankdaten, Handynummer, große Teile ihrer Lebensgeschichte, ihre Steuererklärung, Krankenakten, E-Mails, Fotos. Sie spürt geradezu, wie sie auf ihr herumkrabbeln, sie inspizieren, sie durchleuchten, ihr so nahe kommen, als tastete tatsächlich jemand ihren Körper ab, nähme gerade jetzt, in dieser Sekunde, eine Probe vom Schmutz unter ihren Fingernägeln, zupfe ihr ein Haar für die DNA-Analyse aus."

Die CIA - nur noch Juniorpartner für "WorldShare"

Hintergrund für die Verschwinde-Challenge ist das Social Media-Imperium "WorldShare" von Tec-Milliardär Cy Baxter. Der ist eine Mischung aus Elon Musk und Mark Zuckerberg und steht ganz kurz vor dem größten Triumph – der Zusammenarbeit mit der CIA. Zur Verbesserung der nationalen Sicherheit, versteht sich. Wobei sein Engagement, hinter dem natürlich auch wirtschaftliche Interessen stehen, von McCarten nachvollziehbar moralisch motiviert wird. In Baxters persönlicher Geschichte spielt ein Massaker eine Rolle, das, wie er glaubt, mit mehr Überwachung verhindert worden wäre. Der große Going-Zero-Feldversuch soll die letzten Zweifler von einer Public-Private-Partnerschaft überzeugen, in der der Geheimdienst eher der Junior-Partner ist.

Und während Baxter Kaitlyn anfangs noch belächelt, stellt sich in zahlreichen Twists heraus, dass die Bibliothekarin noch eine Rechnung mit der CIA offen hat … "Going Zero" ist sehr gut gemachte Unterhaltungsliteratur, absolut verfilm- und leicht lesbar und zieht das Tempo entsprechend immer weiter an.

"Wir müssen das stoppen"

Natürlich sei das Buch Entertainment, sagt McCarten, "aber eins, in dem Sie eine Warnung erkennen können. Und einen Aufruf zum Handeln. Wir entwickeln uns gerade so schnell weiter in Bereichen, die klar etwas Anti-Humanes, Negatives haben – wir müssen das stoppen." Und dabei geht es ihm nicht nur um Missbrauch. Der ist immer nur einen Klick entfernt - und trotzdem angesichts der Dimensionen künstlicher Intelligenz vielleicht gar nicht das größte Problem. Die politische Schlussfolgerung überlässt der Autor dem Publikum.

Wie hält er es selbst, im Alltag? Jedenfalls pflege er keine Social Media Accounts, betont er. Viel zu viel Ablenkung, auf diesem Gebiet sei er zero.

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