Bildrechte: Jan-Pieter Fuhr/Theater Augsburg

Duschen bis zum Outing

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Entscheidend ist unter der Dusche: "Roxy und ihr Wunderteam"

Das Theater Augsburg wagte eine "Fußball-Operette": Paul Abraham komponierte 1936 ein Stück über die österreichische Nationalmannschaft, die damals noch siegte. Ex-Profi Jimmy Hartwig spielte mit - gelang der Versuch? Nachtkritik von Peter Jungblut.

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So richtig getraut haben sie sich nicht, aber ein paar Zuschauer kamen gestern Abend tatsächlich im Fußballfan-Outfit ins Augsburger Theater - kein Problem, stand doch eine Fußball-Operette auf dem Spielplan. Deshalb gingen auch die Fan-Schals an der Garderorbe in Ordnung, die Tischfußball-Station im Foyer und die Glitzerwand des DFB, vor der Interessierte coole Selfies knipsen konnten.

Österreichs "Wunderteam" war unschlagbar

Fußballfanatiker wissen natürlich: Das "Wunderteam", von dem hier die Rede ist, war die österreichische Nationalmannschaft von 1931, die damals sage und schreibe 16 andere Mannschaften in Grund und Boden spielte, darunter die Deutschen und die Schotten. Kein Wunder, dass Paul Abrahams Operette "Roxy und ihr Wunderteam" ein paar Jahre später, 1937, in Wien Furore machte.

Rekonstruktion einer Operette

Danach allerdings ging die Partitur verloren, Abraham wurde von den Nazis vertrieben, keiner weiß mehr, wie die Premiere damals genau aussah. Vor drei Jahren rekonstruierten zwei Musikwissenschaftler das Werk, und zwar aus einem Film und einer frühen, für Budapest geschriebenen Bühnen-Fassung. Heraus kam eine wirklich lässige, temporeiche und witzige Operette, in der es allerdings nur ganz nebenbei um Fußball geht. Die Hauptsache ist natürlich die Liebe.

Blatter, FIFA, Homosexualität und Abseitsregel

Am Theater Dortmund hat Thomas Enzinger das Ganze vor drei Jahren umwerfend gut inszeniert - inzwischen leitet er das Lehár-Festival in Bad Ischl, er ist also ein wahrer Operetten-Profi. Am Theater Augsburg dagegen wurde der Abend gestern eher zu einem so riesigen wie ärgerlichen Missverständnis. Der junge Berliner Regisseur Martin G. Berger, Jahrgang 1987, sagte sich wohl: Es geht irgendwie um Fußball, also inszeniere ich jetzt mal alles, was mir dazu einfällt - Sepp Blatter, FIFA, Korruption, Homosexualität, Duschen, Angela Merkel und Abseitsregel.

Jimmy Hartwig als DFB-Boss

Der bemitleidenswerte Ex-Profi Jimmy Hartwig musste in einer eigens dazu erfundenen Sprechrolle einen fiktiven DFB-Präsidenten darstellen, der gegen die eigene Mannschaft wettet, im Puff unterwegs ist und ansonsten orientierungslos herumsteht. Kein Wunder, dass schon zur Pause zahlreiche Zuschauer flüchteten. Nichts an diesem Abend stimmte, nichts machte gute Laune: Weder die einfallslose Bühne von Sarah-Katharina Karl - außer gerafften Vorhängen, die wohl an den Dreißiger-Jahre-Look erinnern sollten, war nichts zu sehen, noch die Choreographie von Marie-Christin Zeisset, die entweder ihre Ideen nicht vermitteln konnte oder tatsächlich konfus vorging.

Höhepunkt: Gruppen-Duschszene

Regisseur Martin G. Berger hatte weder ein Gefühl für Tempo und Timing, noch für Raumaufteilung, geschweige denn für Ironie. Als Trash wiederum war diese Produktion viel zu betulich, zu harmlos. Da fehlte es anarchischer Lust, an bösen Gags. Oder findet irgendjemand noch eine Erklärung der Abseitsregel lustig? Kulminieren lässt Berger seine Inszenierung in einer Gruppen-Dusch-Szene, in der zwei Schwule endlich glücklich werden. Klar, ist im Fußball wie in der Operette selten, aber statt frech wirkte das nur moralinsauer. Übrigens auch deshalb, weil mitunter der Eindruck aufkam, dass kein einziger, der hier gezeigten elf steppenden und kreischenden Fußballer Hetero war.

Kein Klischee ausgelassen

Hätte operettenmäßig cool werden können, schade drum! So war es ein furchtbar zähes Durcheinander: "Roxy und ihr Wunderteam" hat eben leider nichts mit dem FCA zu tun, auch nichts mit der FIFA, überhaupt nichts mit Stadion und Umkleidekabine. Das Stück spielt erst im Luxushotel in London, dann auf einem Landgut am Plattensee samt Pensionatstöchtern. Denkbar sportfern, aber das durfte in Augsburg nicht sein: In der abgelegenen, schwer zu füllenden Ausweich-Spielstätte des Theaters im Martinipark sollte wohl ein betont populärer Akzent gesetzt werden, worauf die Medien auch eingingen. Dirigent Lancelot Fuhry zog sich nobel aus der Affäre und verbreitete mit den Philharmonikern gediegene Ball-Atmosphäre. Der Chor in der Rolle von Fußball-Fans schien sehr mit seinen Auftritten zu hadern. Uli Scherbel als schwuler Profi und Katja Berg als titelgebende Roxy hätten eine bessere Inszenierung verdient gehabt. "Da hat ja einer alle Klischees abgearbeitet" sagte eine Zuschauerin zur Pause. Am Ende blieb wirklich keines mehr übrig.


Wieder am 12., 13. und 21. Dezember, sowie weitere Termine