Sabrina wünscht sich sehnlich ein zweites Kind. Sie wird zwar schwanger, aber wegen eines Gendefekts überleben die wenigstens Kinder bis zur Geburt.
Bildrechte: BR/ Sarah Fischbacher

Kinderwunsch trotz Gendefekt: Sabrinas

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Eizellspende aus dem Ausland - Auf Kosten der Spenderinnen?

Eizellen zu spenden ist in Deutschland nicht legal. Viele ungewollt kinderlose Paare gehen darum ins europäische Ausland, um sich in Privatkliniken ihren Kinderwunsch mit einer Eizellspende zu erfüllen - auf Kosten der Spenderinnen.

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"Manchmal ist ein Kinderwunsch wie eine über mir schwebende Gewitterwolke. Eigentlich scheint die Sonne, aber über mir regnet es."

Sabrinas Blick wandert ins Leere, während sie diesen Satz sagt. Ins großzügige, helle Wohnzimmer ihres Einfamilienhauses, wo die 33-Jährige neben ihrem Mann Jonas am Tisch sitzt. Wer die Szene so betrachtet, könnte meinen: Dieses Paar hat alles, was es sich wünscht. Wäre da nicht die Gewitterwolke. Denn den Wunsch, noch einmal Eltern zu werden, können sich Sabrina und Jonas nur sehr schwer erfüllen.

Krankheit einer der häufigsten Gründe für Eizellspende

Der Grund: Sabrina hat eine Erbkrankheit. Balancierte Translokation lautet die Diagnose. Sabrinas Eizellen haben einen genetischen Defekt. Dieser bedingt, dass die 33-Jährige zwar schwanger werden kann, sich aber nur sehr wenige Embryos bis zur Geburt entwickeln. Häufige Fehlgeburten sind die Folge.

Genfehler wie der von Sabrina, aber auch Krebs oder die Unterleibserkrankung Endometriose zählen zu den häufigsten Gründen, warum Frauen sich für eine Eizellspende entscheiden. Sabrina hatte in den vergangenen sechs Jahren 14 Fehlgeburten. Nur ein einziges Mal hat es geklappt: Tochter Marleene kommt im September 2020 zur Welt.

Doch sie erbt den Gendefekt ihrer Mutter und wird als Erwachsene ähnliche Probleme haben, Kinder zu bekommen. Den Genfehler wollen ihre Eltern nicht an ein weiteres Kind vererben. Und weitere Fehlgeburten sind für das Paar eine unerträgliche Vorstellung. Doch die Sehnsucht nach einer großen Familie ist so groß, dass Sabrina und Jonas sich für eine künstliche Befruchtung mit Eizellspende entscheiden. "Das bleibt für uns die einzige Möglichkeit", sagt Jonas. "Was ja irgendwie verrückt ist. Verrückt deshalb, weil wir dafür ins Ausland müssen. Um etwas zu tun, was in Deutschland illegal ist."

In fast allen EU-Staaten erlaubt, in Deutschland verboten

Deutschland ist das einzige Land in der EU, in dem Samenspende erlaubt, Eizellspende aber verboten ist. Darum gehen nach Schätzungen der Bundesärztekammer jedes Jahr tausende deutsche Paare für eine Eizellspende ins Ausland. Vor allem nach Spanien, wo etwa 50 Prozent aller europäischen Eizellspenden-Behandlungen durchgeführt werden. Ebenfalls beliebt bei deutschen Patientinnen sind Tschechien, Griechenland und Dänemark. In den vergangenen Jahren haben auch Frankreich und Österreich und somit zwei weitere direkte Nachbarn Deutschlands die Eizellspende legalisiert.

In Deutschland ist das Verbot von Eizellspende über das Embryonenschutzgesetz geregelt. Dort wird das mit dem Argument der "gespaltenen Mutterschaft" erklärt: Zu befürchten seien Schäden für das Kind, da die gebärende, soziale Mutter nicht die genetische Mutter ist. Als im Frühjahr 2021 die FDP im Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung der Eizellspende vorlegte, stimmte sie als einzige Fraktion für dessen Annahme. Union, SPD und Linke stimmten dagegen, Grüne und AfD enthielten sich.

Nach der Bundestagswahl 2021 verpflichteten sich die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag dazu, sich des Themas anzunehmen. Sie vereinbarten die Einrichtung einer Kommission, die unter anderem die Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft prüfen soll. Diese Kommission hat im März 2023 ihre Arbeit aufgenommen. In ihr sitzen Sachverständige aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Recht und Ethik. Ergebnisse sollen sie im kommenden März vorlegen.

Großer Kritikpunkt: Der Umgang mit Spenderinnen

Im Zuge der Debatte um die Legalisierung pochen Kritikerinnen und Kritiker der Methode vor allem auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Spenderinnen. Denn eine Eizellspende bedeutet für die Frauen im Gegensatz zu Samenspendern mehr als nur einen kurzen Arztbesuch. Die Spenderinnen müssen sich selbst über vier Wochen hinweg mit Hormonen behandeln, damit in ihrem Körper deutlich mehr Eizellen heranreifen als bei einem normalen Zyklus. Das verläuft nicht ohne Risiken.

Zwar seien schwerwiegende Reaktionen auf die Hormonbehandlung selten, würden aber wahrscheinlich zu wenig erfasst, mahnt die ESHRE – die Europäische Fachgesellschaft für Fortpflanzung und Embryologie. Bei einer überschießenden Reaktion der Eierstöcke kann zum Beispiel ein Ovarielles Hyperstimulationssyndrom auftreten. Dabei sind die Eierstöcke der Spenderin massiv vergrößert. Für die Frauen ist das mit sehr großen Schmerzen verbunden, in seltenen Fällen kann es dadurch zu tödlichen Komplikationen kommen.

Fehlende Informationen bedeuten kein Risikofreiheit

Auch der chirurgische Eingriff, bei dem den Frauen mit einer vaginal eingeführten Nadel die Eizellen abgesaugt werden, ist nicht ohne Risiken. Dabei können Blutungen entstehen oder Flüssigkeit in die Bauchhöhle austreten. Über die langfristigen medizinischen Folgen einer Eizellspende ist wenig bekannt. Es fehlen Langzeitstudien. Der Mangel an Information kann fälschlicherweise als fehlendes Risiko interpretiert werden. Kritikerinnen und Kritiker betrachten die Eizellspende darum als einen fremdnützigen und risikobehafteten Eingriff.

Fest steht: Mit der Möglichkeit, sich mit Eizellspende in einem Nachbarland behandeln zu lassen, ist das Thema längst in Deutschland angekommen. Deutsche Geburtskliniken berichten von einer jährlich steigenden Anzahl von Eizellspende-Schwangerschaften, die sie betreuen. Der politische Umgang damit und die ethische Debatte darüber passen sich diesem Tempo erst langsam an.

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