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Ein Great American Novelist: Nachruf auf Philip Roth

Der vielfach preisgekrönte US-Schriftsteller Philip Roth ist im Alter von 85 Jahren in einem Krankenhaus in Manhattan gestorben. Eine Würdigung von Philip Roths Werk. Von Knut Cordsen

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Vermutlich ist es eine dieser Ironien der Geschichte, dass just in dem Jahr, in dem der Literaturnobelpreis nicht verliehen wird, jene Auszeichnung, als deren Anwärter Philip Roth seit vielen Jahren galt, dieser große amerikanische Autor stirbt. Wie oft fiel sein Name in Diskussionen darüber, wer jene Stockholmer Würdigung verdient habe, und wie groß die Enttäuschung jedes Mal, wenn er es wieder nicht geworden war. Dass Philip Roth diese eine letzte Ehrung nicht zuteil geworden ist, sagt freilich nichts über die Bedeutung dessen aus, der da nun im Alter von 85 Jahren gestorben ist.

Philip Roth: „Gar nicht leicht, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass man in nicht allzu ferner Zeit sterben wird. Man weiß nicht, wie viel Zeit einem noch gegeben ist. Und das ist wie ein Weckruf.“

Thanatos, der Gott des Todes, ist ein ständiger Gast in den Romanen von Philip Roth seit jeher, aber ebenso Eros, „der natürliche Drang, dieses Tier“, wie es in Roths Meisterwerk „Der menschliche Makel“ heißt. Wie viele solcher großen Romane hat uns Roth geschenkt!

Literarische Meilensteine wie "Sabbaths Theater"

Über Jahrzehnte hinweg hat er der Weltliteratur ein Œuvre vermacht, das mit 30 Romanen – unter ihnen die modernen Klassiker „Portnoys Beschwerden“, „Amerikanisches Idyll“ und „Sabbaths Theater“ ein zutiefst beeindruckendes ist. Es ist, was ihm auf keiner Seite anmerkt, ein unter Mühen zuwege gebrachtes Werk. Roth selbst sprach gern von der Marter des Schreibens, weshalb ihn das National Public Radio 2010 - im Jahr des Erscheinens von "Nemesis" - fragte, wieso er sich das noch antue.

Philip Roth: "Ich habe mir diese Frage auch schon oft gestellt. Ich schreibe seit 1955. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang. Schwer, etwas aufzugeben, was man so lange macht, was im Mittelpunkt meines Lebens steht, womit ich mich täglich sechs, acht, zehn Stunden beschäftige. Ich bin ja ein Schreibverrückter. Wie kann so einer von seinem Fanatismus, seiner Manie lassen?"

Die Leser von Roths Romanen konnten im Laufe der letzten Jahre einen in Literatur verwandelten Abschied auf Raten mitverfolgen. Dieser in Elegien gekleidete schrittweise Rückzug begann 2006 mit „Jedermann“ und dem vielzitierten Satz „Das Alter ist kein Kampf; das Alter ist ein Massaker“. Der Legende nach begann Philip Roth mit der Niederschrift von „Everyman“ am Tag der Beerdigung seines Freundes Saul Bellow. Sein langsamer Rückzug setzte sich fort in seinem wunderbaren, die Angstblüte des Alters thematisierenden Roman „Exit Ghost“ von 2007. Darin begegnet sein alter ego Nathan Zuckerman schon auf dem Weg, „folgsam dem Grab entgegenzuschlurfen“, einer weitaus jüngeren Frau, die ein letztes Mal „die Gier des Begehrens“ in ihm weckt.

Zwischen Eros und Thanatos

„Zu Tode bezaubert“ von ihr, umgarnt er sie, betet sie verzweifelt an und findet ihr Gehör doch nur insofern, als sie sich einfach gern mit ihm, dem Star-Autor, unterhält: Reden ja. Mehr ist nicht. Auf der einen Seite ein Mann, „ausgebrannt“, in der „Dämmerung“ seines Talents, der Resignation nahe, weil sein erotisches Verlangen nicht erwidert wird; auf der anderen Seite das blühende Leben, die Jugend, die „bis an die Zähne mit Zeit bewaffnet“ ist und das Vorrecht hat, forsch zu fordern. Selten ist so ergreifend, auch komisch über den Liebeskampf der Generationen und Geschlechter, über die Tragik des körperlichen und intellektuellen Verfalls und die Melancholie des Alters geschrieben worden. Sex ist hier nur mehr eine Phantasie. Aber in wie vielen Büchern hat Roth der Libido Hymnen gesungen: „Die Brust“, „Professor der Begierde“, „Das sterbende Tier“.

Philip Roth: "Sex spielt nun mal in unserem Leben und in unserer Vorstellungswelt eine wichtige Rolle."

Zuletzt hatte Philip Roth das Schreiben ostentativ eingestellt. Ein Zeichen: Es war alles gesagt. Es ist gut so. „Was dachten eigentlich die großen Matadore am Schluss ihres Lebens über sich selbst und ihr Werk“, hat Gottfried Benn einmal in einem Brief gefragt. Philip Roth, der zweifelsohne zu den großen Matadoren der Literatur des 20. Jahrhunderts gehört, wird uns diese Frage nicht mehr beantworten können. Wir finden die Erwiderung darauf in seinem Werk. Wir müssen es nur lesen.