Nicht alles soll "jung und frisch" werden im Deutschen Theater München, aber doch ziemlich viel. Zwar wird Schlager-Altmeister Ralph Siegel (78) im kommenden Jahr mit seinem Flower-Power-Musical "Summer of Love" präsent sein, doch ansonsten baut Intendant Thomas Linsmayer nach eigenen Worten auf ein "Publikum außerhalb des Üblichen". Er strebt eine "neue Wahrnehmung" seines Hauses an, will weg vom Image des "Eventtempels": "Wir wollen tatsächlich als Theater mit einem Saisonprogramm wahrgenommen werden, das auf einer Vielfalt aufbaut, die Sie in den letzten Jahren vielleicht nicht im Deutschen Theater erleben konnten. Wir wollen unser Programm mit sehr unterschiedlichen Produktionen interessanter aufstellen, als es in der Vergangenheit der Fall war." Ein "bisschen intellektueller" soll der Spielplan werden.
Ein Beispiel dafür sei das Musical "Wüstenblume", das mit großem Erfolg aus St. Gallen übernommen worden war. Darin geht es um das schwierige Thema der Genitalverstümmelung in islamischen Ländern wie Somalia, dargestellt anhand der Lebensgeschichte des späteren Supermodels Waris Dirie. Bis Mitte nächsten Jahres plant Linsmayer allerdings noch keine wirklich "intellektuellen" Herausforderungen für sein Publikum. Es stehen so populäre Klassiker wie die "West Side Story" und Ku'Damm 56" an, auch "Robin Hood" mit der Musik von Chris de Burgh und "Footloose" nach dem gleichnamigen Erfolgsfilm von 1984 sind geplant.
"Neue Generation ins Theater bringen"
Stolz ist Linsmayer allerdings auf einen opulenten Tanzabend unter dem Titel "Der Große Gatsby" (ab 23. Februar 2024), eine Übernahme vom Tiroler Landestheater Innsbruck und auf eine Rockversion von Mozarts "Zauberflöte" (ab 11. April 2024) in Koproduktion mit dem Festspielhaus in Füssen. Die hat Komponist Frank Nimsgern verfasst und wie er auf der Spielzeitpressekonferenz betonte, werden die Zuschauer von Mozart nur ein paar Motive aus der berühmten "Höllen"-Arie der "Königin der Nacht" zu hören bekommen. Alles andere sei neu und somit keine Nacherzählung des Opern-Klassikers, sondern eine zeitgemäße Aufbereitung. Nimsgern: "Es ist kein Mozart light. Es ist absolut nichts Verwerfliches, berühmte Opernstoffe neu zu interpretieren. Die Song-Texte sind alle neu. Wir wollen mit diesem Musical eine neue Generation ins Theater bringen. Meiner Meinung nach altert das Opernpublikum etwas. Wir wollen mit einer moderneren Musik mit Respekt vor der Klassik und ihren Stoffen möglichst viele Menschen für diese Kunstform begeistern."
Liedtexterin Aino Laos bezeichnete ihre Arbeit als "große Herausforderung": "Es geht um das Streben nach dem Licht, nach Weisheit und Erleuchtung. Das haben wir alles berücksichtigt. Ich habe versucht, die Aussagen der Charaktere zu verstärken und zu erweitern. Es werden sehr, sehr ausdrucksstarke Szenen dabei sein und die Gegensätze zwischen den Hauptdarstellern sind sehr reizvoll."
Sogar bayerischer Volkstanz
Auf der großen Bühne hält sich die Experimentierfreude des Deutschen Theaters, das sich weitgehend selbst finanzieren muss, begreiflicher Weise auch künftig eher in Grenzen. Zu den "gewagteren" Stücken gehört ein Musical über die sechs Frauen des englischen Königs Heinrich VIII., von denen jede von einer berühmten Pop-Ikone inspiriert ist, etwa Beyoncé und Adele. Die britische Produktion "Six" wird ab 26. März in München zu sehen sein.
Im "Silbersaal", der prachtvollen Nebenspielstätte, lädt Intendant Thomas Linsmayer künftig Liedermacher ein: "Wir wollen ihn aktiver bespielen. Wir wollen hier Dinge zeigen, die in München nicht so richtig Raum finden. Dabei liegt uns die Weltmusik sehr am Herzen." Kurator dafür sei der Quadro-Nuevo-Saxophonist und Filmkomponist Mulo Francel. Er habe "höchst spannende Ensembles" eingeladen. Daneben setzt Linsmayer auf "Salon-Atmosphäre" mit kleineren Bands und Tanzveranstaltungen, immerhin gebe es ein wunderbares Holzparkett: "Wir haben Swing und Tango und sogar bayerischen Volkstanz." Auch Liedermacher werden im Silbersaal auftreten, darunter Miriam Hanika, die bei Konstantin Weckers Label unter Vertrag ist, Indie-Pop-Interpretin Marie Diot und "Schallwellensurfer" Stefan Ebert.
Fasching mit Spider Murphy Gang
Entgegen anderslautenden Meldungen sei die Ball-Saison im Deutschen Theater nach der Corona-Pandemie ganz erfolgreich verlaufen, es soll künftig sogar noch mehr Bälle geben. Für 2025 ist ein "Regenbogen-Ball" nach dem Vorbild Wiens angedacht. Die Veranstaltung gilt dort als "buntester Ball des Jahres", der Erlös kommt der örtlichen Homosexuellen Initiative (HOSI) zugute. Linsmayer zum Ballfieber: "Das hat seit 130 Jahren Tradition hier im Haus. Viele Bälle waren gut verkauft. Das Bedürfnis ist ungebrochen." Am Rosenmontag soll es ein "richtiges Faschingfest" mit der Spider Murphy Gang geben.
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