Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Das Flüchtlingsdrama "Eldorado" von Markus Imhoof

Filme über Flucht gab es in den vergangenen Jahren viele. Doch kaum einer ist so eindrücklich wie "Eldorado" von Markus Imhoof.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Eldorado" ist zum einen Markus Imhoofs ganz persönliche Geschichte im Umgang mit Flüchtlingen. Alles begann, als der Regisseur, geboren 1941, noch ein Kind war. Da nahmen seine Eltern die junge Italienerin Giovanna bei sich auf: "Rings um die Schweiz war Weltkrieg. Ich wusste nicht, was das ist, Grenze. Ich wollte einen großen Bruder, aber wir bekamen ein Mädchen, das ganz anders sprach."

Heute schaut sich der Schweizer Regisseur im Italien unserer Tage um. Er dokumentiert, was dort passiert, an den Küsten und auf dem Mare Nostrum. Imhoof hinterfragt das System der organisierten Flüchtlingshilfe, deckt den teuflischen Kreislauf auf, der im Hintergrund von dunklen ökonomischen Interessen aufrechterhalten wird. Von Profitgier und Ausbeutung. Längst ist ein Schattenreich entstanden, das auf der Hilflosigkeit von Flüchtlingen basiert. In Italien etwa gibt es mafiös organisierte, temporäre Ansiedlungen von Erntehelfern neben Äckern und Wiesen. Die Orte mit erbärmlichen Hütten und Verschlägen gelten als gefährlich, noch dazu in Begleitung eines Kamerateams. Markus Imhoof wagt es trotzdem, gefilmt wird in Apulien mit versteckter Optik.

Das neue Genre des Flüchtlingsfilms

Seit rund drei Jahren gibt es fast schon ein eigenes Genre des dokumentarischen Flüchtlingsfilms. Im Februar 2016 gewann „Seefeuer“ von Gianfranco Rosi den Goldenen Bären der Berlinale. Letztes Jahr trat der chinesische Künstler Ai Weiwei mit „Human Flow“ auch in deutschen Kinos auf – und fast kein Monat vergeht, in dem nicht ein weiterer Film das große Thema der Migration ins Visier nimmt.

„Eldorado“ ist eines der besten Werke in dieser Flut filmischer Auseinandersetzungen, zum einen, weil Markus Imhoof den Dingen wirklich auf den Grund geht, zum anderen, weil er ohne Scheu persönlich erzählt, dabei nie belehrend oder sentimental, sondern einfach seelenwarm und neugierig, immer wieder anknüpfend an das Erlebnis aus seiner Kindheit, als der kleine Markus merkte, dass nicht nur er, sondern auch die anderen Menschen "Ich" zu sich sagen.

Eine Art von filmischer Seance

Markus Imhoof hat das italienische Flüchtlingskind Giovanna nie vergessen, hat ihre Spuren verfolgt und zeitweise sogar in ihrem Land gelebt. Giovanna musste damals, Ende der vierziger Jahre, bald wieder zurück nach Italien, lebte bei ihrer Mutter im kriegszerstörten Mailand, und starb noch als Jugendliche, weil sie unterernährt war, kränklich und medizinisch schlecht versorgt. Sie hätte gerettet werden können. In „Eldorado“ tritt der Regisseur wie mit einem Geist in Kontakt, in einer Art von filmischer Seance entspinnt sich ein berührender fiktiver Dialog.

Eines ist klar: Giovanna hat den Blick von Markus Imhoof auf die Welt verändert. Das gilt bis heute so – und das ist in diesem Film auch zu sehen.