Bildrechte: Ludwig Olah/Staatstheater Nürnberg

Liebe in Öl

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Darauf eine Kanne Öl: "Die Trojaner" randalieren in Nürnberg

Mit Blut, Geld und Öl geizt der katalanische Regisseur Calixto Bieito nicht in seiner Inszenierung von Hector Berlioz´ Oper. Teile des Publikums sind von dem rabiaten Untergangs-Epos zwischen Trump und Troja ermattet. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Seit Donald Trump sind knallrote Krawatten ja schwer in Verruf geraten: Etwas provokant, ziemlich arrogant, schwer neureich und außerordentlich eitel - eine neue Signalfarbe also. Da konnte es natürlich kein Zufall sein, dass der antike Held Aeneas gestern Abend in den "Trojanern" von Hector Berlioz ausgerechnet mit einer schlabberigen Krawatte in rot die Bühne betrat. Dass sein geschniegelter Sohn die gleiche trug, verstand sich von selbst, und dass der Schlips nach und nach gründlich besudelt wurde, war eigentlich auch absehbar, schließlich hieß der Regisseur Calixto Bieito.

Reichlich Blut, Öl und Bargeld

Der Katalane ist bekannt für seine aggressiven Bilder, wenngleich er zuletzt schon fast altersmilde geworden war. In Nürnberg allerdings sparte er nicht an Blut, Öl und Bargeld und erzählte gleich drei Katastrophen-Geschichten: Den Untergang Trojas, den Untergang Karthagos und in gewisser Weise auch den Untergang Roms. Klar, dass das dem einen oder anderen Zuschauer zuviel Vernichtung war. Ziemlich ermattet klang der Beifall, und sogar die Buhrufer wirkten nach dreieinhalb Stunden müde.

Selbstmord mit Tabletten

Dabei war Bieitos Deutung der antiken Mythen durchaus plausibel und absolut zeitgemäß. Der skrupellose Machtpolitiker Aeneas krallt sich im brennenden Troja die Staatskasse, wirft in Karthago mit dem Geld um sich, führt einen Kolonialkrieg, bohrt nach Öl und begeht schließlich mit Tabletten einen äußerst unappetitlichen Selbstmord, weil ihm die eigentlich vorgeschriebene Weiterreise zur Gründung Roms offensichtlich zu langweilig ist. Vielleicht hat er auch was gegen die Götter oder hält sich selbst für unsterblich.

Gespenster des Krieges

Bieito inszenierte also eine rabenschwarze Satire auf die Macht und ihre Hybris. Es gibt nur Gier, Gewalt, Dummheit und Ausreden. Dido, die Königin von Karthago, wühlt hingebungsvoll im Geld, ihre Schwester behängt sich mit Juwelen - so macht sich Aeneas Freunde. Störend für sein Fortkommen sind nur die Gespenster des Krieges, die Toten von Troja, die sich hin und wieder aus der Unterwelt melden. Ausstatterin Susanne Gschwender hatte ein riesenhaftes Gerüst aus Vierkant-Hölzern entworfen, gleichzeitig Sinnbild für das trojanische Pferd, für den Palast von Troja und den von Karthago.

Beklemmend und erschütternd

Hier tragen die Menschen martialische Uniformen, dort stecken sie in weißen Papieranzügen, als ob sie nach dem Atomunfall aufräumen müssen. So oder so gibt es keine Individuen, nur die Masse Mensch, und auch die trägt am Ende einheitlich - rote Krawatten. Das ist für Bieito offenbar das Ende der Zivilisation, soviel Spaß muss sein! Hoffnung gibt´s also keine, das scheinbar so massive Gerüst zerfällt, Rom wird so weitermachen, wie Troja und Karthago aufgehört haben. Eine beklemmende, erschütternde Prognose.

Hector Berlioz: "Lärmig" oder pathetisch?

Musikalisch ist jede Aufführung der "Trojaner" ein Kraftakt, ungekürzt nimmt das Werk locker fünf Stunden in Anspruch. Aber auch in der gestrafften Nürnberger Fassung hatte Generalmusikdirektor Marcus Bosch reichlich zu tun. Er machte seine Sache außerordentlich gut. Bosch dirigiert gern mal zu laut, zu massiv, aber bei Hector Berlioz liegt er damit genau richtig. Der Franzose galt seinen Zeitgenossen als lärmigster alle Komponisten, sogar Karikaturen wurde über seine lautstarken Werke angefertigt. In Nürnberg war zu hören, dass die breite Orchestrierung bei Berlioz nie Selbstzweck ist, sondern dass er souverän mit dem Pathos spielt: Pathos, das beherrschen die Franzosen nun mal wie kein anderes europäisches Volk. Die Staatsphilharmonie Nürnberg war hoch motiviert bei der Sache, wie übrigens auch Chor und Extra-Chor.

Homer sparte nicht an Feuer und Blut

Unter den Solisten brillierten Roswitha Christina Müller als unheilverkündende Cassandra und Jochen Kupfer als aufopferungsvoller Trojaner Chorèbe. Mirko Roschkowski als Aeneas spielte überzeugend maskulin, hatte aber stimmlich ein paar Konditionsprobleme. Katrin Adel als Dido war ebenfalls schauspielerisch faszinierend und eine echte "Königin", ließ aber den verführerischen, wohl orientalisch gemeinten Schmelz vermissen, der diese Rolle eigentlich ausmacht. Insgesamt ein monströs-gelungener Abend ganz im Sinne von Berlioz und noch mehr im Sinne von Homer. An Blut und Feuer sparten beide nicht.

Wieder am 15. Oktober, sowie 4., 11., 18., und 26. November.