Der US-Saxofonist Sanders 2018 in Krakau
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Pharoah Sanders am 12. Juli 2018 in Krakau

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CD des Monats: Jazzikone Pharoah Sanders remastert

Der 2022 verstorbene Saxofonist brachte 1977 sein gefeiertes Album "Pharoah" heraus. Die aktuell aufgelegte Box enthält neben dem Original zwei unveröffentlichte Live-Performances von "Harvest Time" und seltene Fotos, die die Legende neu erzählen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Er war nichts weniger als eine musikalische Jazzikone. Pharoah Sanders: Erfinder des Ethno Jazz, Tenorsaxspieler. Mitstreiter von John Coltrane. Anarchischer Klangsucher – und das zeitlebens.

Rückblick: 1976 geht Sanders ins Studio, um sich dem Soul anzunähern, populärer zu werden. Das Album soll schlicht: "Pharoah" heißen. Aber die erste Session verläuft unglücklich. Die zweite ist es dann. Vielleicht gerade, weil das Personal der Band so unterschiedlich war. Am Harmonium saß Pharoahs Frau Bedria, die eigentlich klassische Pianistin war, die Gitarre bediente der spirituell angehauchte Guru Tsziji Munoz, an der Orgel nahm Clifton "Jiggs" Chase Platz, der später mit Grandmaster Flash arbeitete. Munoz erinnerte sich später, dass "Harvest Time", die 20-minütige Spontanimprovisation einfach aus den frei fließenden Ideen entstand.

Meisterwerk "Harvest Time" neu aufgelegt

Zwei Akkorde und dann dieses heisere Saxophon. Harvest Time: ein Meisterwerk. Über das der Meister gar nicht so glücklich war. Floating Points, der britische Produzent und Elektro-Musiker, mit dem Sanders noch vor zwei Jahren im Verbund mit dem London Symphony die Jazzcharts stürmte – versprach "Harvest Time" neu aufzulegen.

Angedickt mit zwei wunderbaren, nie gehörten Live-Aufnahmen, die 1977 entstanden. Da überbläst Sanders sein Sax, spürt Coltranes Ektasen nach. Übersteigt die eigene Musik, öffnet die Tür zum Spirituellen, zum Ritual. Zur religiösen Erfahrung. "Harvest Time": Eine Langzeit Mediation.

Musik als schwebende Erfahrung und euphorische Kundgebung

Auf dem Originalalbum sind noch zwei andere Songs, auf denen – erstaunlich genug – Sanders Vocals zu hören sind. "Love will find a way". Auch hier Musik als schwebende Erfahrung, eine euphorische Kundgebung, die wohl auf die Liebe zu Bedria zu beziehen ist. Aber neben den Vocals ist – wichtiger noch – erneut Sanders Saxophonstimme zu hören, die viel besser zum Ausdruck bringt, was Sanders mit seiner zweiten Frau Bedria verbindet.

Selbstkritisch gegenüber dem eigenen Spielrausch

Was "Harvest Time" und seinen Kultstatus angeht, blieb Sanders selbst eher auf Abstand. Er hatte in den sechziger Jahren mit dem Freejazz geliebäugelt, sich aber nie dem reinen Spielrausch ergeben. Sich selbst gegenüber blieb er kritisch. Ziemlich viele Player, so Sanders, hätten sich die Freiheit erspielt. Aber sie klängen eben doch alle gleich, weil sie zu wenig Wert auf ihren eigenen Sound legten. An dem, so Sanders weiter, arbeite er am meisten. Man hört es.

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