Schwarz-weiß-Foto von Adania Shibli
Bildrechte: Hartwig Klappert

Die Autorin Adania Shibli hätte eigentlich am 20.10.2023 den LiBeraturpreis bekommen sollen.

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Buchmesse verschiebt Preisverleihung an palästinensische Autorin

Für ihr Buch "Eine Nebensache" sollte die palästinensische Autorin Adania Shibli am 20. Oktober im Rahmen der Frankfurter Buchmesse ausgezeichnet werden. Angesicht des Krieges im Nahen Osten hat Messe-Direktor Juergen Boos die Verleihung verschoben.

"Niemand fühlt sich derzeit zum Feiern", so begründete der Verein Litprom eine verschobene Auszeichnung der palästinensischen Autorin Adania Shibli mit dem LiBeraturpreises 2023. Kritiker hatten die Preisvergabe angesichts des Terrors der Hamas beanstandet und mit Blick auf ihr Buch "Eine Nebensache" Antisemitismusvorwürfe geäußert.

Preisvergabe verschoben, nicht abgesagt

Litprom betonte, dass der Verein gemeinsam mit der Autorin die Entscheidung zum Verschiebung der Preisvergabe getroffen habe. Angesichts des Krieges zwischen der terrororganisation Hamas und Israel sei keinem zum Feiern zu Mute. Der Verein zur Förderung von Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika will trotz der Kritik an der Preisvergabe für den Roman festhalten, man suche nun einen geeigneten neuen Rahmen für die Verleihung.

PEN Berlin kritisiert Verschiebung

Der Schriftstellerverband PEN Berlin forderte am Freitag, an der Preisvergabe festzuhalten. "Kein Buch wird anders, besser, schlechter oder gefährlicher, weil sich die Nachrichtenlage ändert. Entweder ist ein Buch preiswürdig oder nicht", sagte die Sprecherin Eva Menasse. Die Jury-Entscheidung für Shibli sei eine "sehr gute" gewesen.

Wie viele Juden in Deutschland und Israel bedauerte auch die PEN Berlin-Vorsitzende in ihrer Stellungnahme, dass es nach dem Massenmord der Hamas an Hunderten Zivilisten auffällig und schmerzlich fehle an palästinensischen und arabischen Stimmen, die diese Verbrechen mit unmissverständlichen Worten verurteilten. Aber – so Menasse – die Autorin müssten ihre Erfahrungen mit der israelischen Besatzungspolitik beschreiben dürfen.

Ist Shibli BDS-Aktivistin oder nicht?

Gleich nach Bekanntgabe der Nominierung Shiblis für den LiBeraturpreis im Juni hatte der Literaturkritiker Ulrich Noller beanstandet, dass der Roman israel- und judenfeindliche KIischees widerspiegele. Andere Feuilletonisten – zuletzt auch Andreas Platthaus in der FAZ lobten die literarische Qualität des Werkes. Die "taz" hatte Adania als Aktivistin der BDS-Boykottkampagne gegen Israel dargestellt.

Litprom will nach eigenen Angaben die "taz" zu einer Gegendarstellung auffordern. Shibli sei nachweislich keine Aktivistin, sondern habe nur insgesamt dreimal Kontakt mit BDS gehabt. Die Unterstellung, Adania unterstütze die BDS-Bewegung, sei eine Rufschädigung, erklärte Litprom.

Das Verbrechen an einem Beduinenmädchen

Der Roman "Eine Nebensache" handelt von der Vergewaltigung und Ermordung eines Beduinenmädchens durch israelische Soldaten in der Negev-Wüste 1949 und der Aufklärung des Verbrechens durch eine junge Frau Jahrzehnte später. Die Litprom-Jury lobte den Roman als ein "sprachlich streng durchkomponiertes Kunstwerk, das von der Wirkmacht von Grenzen erzählt und davon, was gewalttätige Konflikte mit und aus Menschen machen".

Adania Shibli, Jahrgang 1979, schreibt Romane, Theaterstücke, Kurzgeschichten und Essays und ist zudem in der akademischen Forschung und Lehre tätig. "Eine Nebensache" ist ihre erste Buchveröffentlichung auf Deutsch, stand 2022 auf der Shortlist für den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt. Der LiBeraturpreis wird von dem Verein Litprom jährlich an Autorinnen aus dem Globalen Süden für ein neues auf Deutsch erschienenes Buch vergeben.

Mit Material von der epd

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