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Autorin Virginie Despentes

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Buchtipp: "Vernon Subutex" Band 2 von Virginie Despentes

Neurotiker, Zyniker, Hipster, Loser, Bourgeois und Bohemiens: In Virginie Despentes' "Vernon-Subutex"-Trilogie geben sie alle ein großes Gesellschaftspanorama. Virginie Despentes über Literatur, Politik und Verunsicherung. Von Judith Heitkamp

Über dieses Thema berichtet: Kulturjournal am .

Heute, zu Zeiten von #MeToo und Emmanuel Macron, ist Virginie Despentes im etablierten französischen Kulturmilieu angekommen, sie gehört sogar der Jury des Prix Goncourt an. Vor 25 Jahren war dieses Milieu ihr erklärter Gegner – "Baise-moi", ihr Debütroman, war eine Gewaltorgie um die Rache zweier Freundinnen nach einer Vergewaltigung. Ihr Milieu war die Subkultur, die Rockmusik schockte, Prostitution fand Despentes keine schlechte Art, Geld zu verdienen, und an der Uni war sie nie.

Begeisterte Kritiker

"Der Gesellschaftsroman unserer Zeit! Mein Buch des Jahres! Eine Sensation! Virginie Despentes lesen, Frankreich verstehen!" So etwa die Kritikerstimmen im letzten Jahr, als der erste Band der Vernon-Subutex-Trilogie von Virginie Despentes auf Deutsch erschien. Seit dieser Woche gibt es den zweiten Band. Der Plattenverkäufer und Musikfreak Vernon Subutex hatte Job und Wohnung verloren, am Ende von Band eins saß er bettelnd auf der Straße, in Band zwei kriegt er jetzt kleine Jobs als DJ und startet ein großes Aussteigerprojekt. 

Ein Universum schräger Typen

Um Vernon schart sich ein Universum schräger Typen, die, so arriviert oder so prekär ihre Existenz auch ist, auf ihre Weise alle ums Leben kämpfen in einem mehr und mehr vom Neoliberalismus geprägten Alltag. Und das ist es, was die Erzählkunst der Virginie Despentes ausmacht: dass sie die Trilogie aus all diesen einzelnen Perspektiven baut, ein großes Gesellschaftspanorama ab von den 80er-Jahren bis heute.

Die Jahrzehnte, die Virginie Despentes in "Vernon Subutex" beschreibt, haben sie selbst geprägt. Und so tough sich das liest, was sie schreibt, so bitter ist ihre Diagnose: Im Zweifelsfall ist es heute schlechter. Tatsächlich, der dritte Band wird in die Apokalypse führen.

"Stellen Sie sich vor: Stellen Sie sich vor: ein Künstler, in Frankreich, der sehr wenig Bücher verkauft und sehr wichtig ist. Das war absolut selbstverständlich in meiner Jugend. Heute dagegen gilt: Wie viel verkaufst du? Wie viel bis du wert? Ausgedrückt in Zahlen: wie viele Exemplare, wie viele Likes, wie viele Follower? Es fällt uns schwer, sich auf die Kunst von jemanden einzulassen, der keine guten Zahlen schreibt. Ich komme aus einer Kultur, da war es ein Qualitätssiegel, in der Minderheit zu sein, sich dort wiedererkannt zu fühlen war eine Art Unterpfand. Unser Blick auf Minderheiten, auf die Loser – die, die wir so nennen – das hat sich enorm verändert." Virginie Despentes

"Das Leben des Vernon Subutex 2" von Virginie Despentes ist in der Übersetzung von Claudia Steinitz bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.