Porträt bei einem Auftritt im Dezember 2023 in Hamburg
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Dieter Hallervorden

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Anti-Israel-Gedicht zitiert: Empörung über Dieter Hallervorden

In einem Facebook-Video trug der Theaterintendant und Schauspieler Dieter Hallervorden ein Gedicht des Linken-Politikers Dieter Dehm mit dem Titel "Gaza Gaza" vor. Darin ist von "Völkermord" und "Apartheid" die Rede. Die Reaktionen sind geteilt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Aufregung ist groß: Unterlegt von epischer Musik und begleitet von ergreifenden TV-Bildern aus dem Gazastreifen mit Raketeneinschlägen und verzweifelten Menschen, zitiert Dieter Hallervorden in seinem Facebook-Kanal das von dem Ex-Linken-Bundestagsabgeordneten Dieter Dehm mit verfasste Gedicht "Gaza Gaza". Er kommt auf die Opfer unter den Kindern zu sprechen, auf das Leid ihrer Eltern und setzt fort: "Soll ich diesem Vater empfehlen, so cool wie ein Talk-Gast zu sein, sich bloß in keinem Wort zu verfehlen, das antisemitisch erscheint? Sie geloben Apartheid die Treue, von Ampel bis AfD. Sie liefern Granaten aufs Neue, bittend, zart damit umzugehen." Die Nutzung des Begriffs der Apartheid in Bezug auf den jüdischen Staat Israel ist ideologisch heftig umkämpft.

"Kein Mensch wird als Terrorist geboren"

In Gaza werde ein "Kinderfriedhof als Albtraum für Generationen bleiben", so Hallervorden: "Ich frag mich da immer wieder: Und das soll kein Völkermord sein?" Der Schauspieler lässt im Anschluss schweigend eine animierte Friedenstaube aufsteigen. Eingeleitet hatte Hallervorden seinen Online-Auftritt mit der Bemerkung: "Ich möchte eines unmissverständlich klarstellen. Natürlich verurteile auch ich den Terror von Hamas, aber trotz alledem ersehnen wir gleichzeitig eine neue Friedenschance für eine Zwei-Staaten-Lösung. Damit man miteinander sprechen kann, braucht man ein Schweigen der Waffen und die sofortige Freilassung aller Geiseln." Er wisse aber auch, dass "Grausamkeiten meist Vorgeschichten" hätten, so Hallervorden: "Kein Mensch wird als Terrorist geboren."

Dieter Dehm: "Feinsinnige Lyrik"

In der "Abendschau" des RBB sagte Hallervorden, er habe "viel Zustimmung" für seine Facebook-Aktion bekommen: "Ich habe von meinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht, wohl wissend, dass ich damit nicht die Meinung aller äußere. Ich glaube, dass die Situation im Gazastreifen nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist, dass die Situation nichts zu tun hat mit Menschlichkeit." Natürlich habe das deutsche Volk durch den Holocaust "unheimlich viel Schuld auf sich geladen", so Hallervorden: "Auch in meinem Gedächtnis wird das bleiben, so lange ich lebe. Aber deshalb muss man trotzdem Dinge ansprechen, wie man sie empfindet, geradeaus."

Er verstehe nicht, was an seinem "Aufruf" antisemitisch sei, die "kollektive Solidarität zu Israel" lasse sich seiner Meinung nicht aufrechterhalten, ergänzte Hallervorden: "Wenn man wirklich bei einem Freund ein Fehlverhalten erkennt, dann ist man verpflichtet, frank und frei darüber zu sprechen, anstatt damit hinter dem Berg zu halten, wie es unsere Politiker tun."

Dieter Dehm schreibt in seinem Facebook-Kanal: "Der wohl berühmteste Darsteller und Theatermann Deutschlands, Dieter Hallervorden, hat sich unerwartet deutlich, wenn auch in feinsinniger Lyrik, auf die Seite der im Gazastreifen bombardierten Menschen gestellt. Das Video zeigt harte Bilder mit einem sensiblen Lied, nicht nur für die palästinensischen Menschen, sondern auch für eine friedliche Zukunft Israels."

Jüdische Allgemeine: "Hallervorden meint es offenbar genau so"

In der "Jüdischen Allgemeinen" kommentierte Michael Thaidigsmann den Auftritt mit den ironischen Worten (externer Link): "Deutsche Gedichte, die mit Klarstellungen beginnen oder diese gar beinhalten, drehen sich in der Regel um Israel, so viel kann man sagen." Hallervorden sei "natürlich kein Antisemit", er "meine es nur gut" wie viele Kulturschaffende: "Wer ermordet denn unschuldige Kinder? Doch wohl niemand. Oder doch? Natürlich, Israel! Das sagt Hallervorden zwar nicht, er meint es aber offenbar genau so."

Der Schauspieler mache es sich "doch recht einfach" und verdrehe "Ursache und Wirkung", so der Kommentar. Zur "Vorgeschichte" von Israels Vorgehen im Gazastreifen gehörten die Ereignisse vom 7. Oktober, also das vielfache Morden der Hamas beim Überfall auf Israel.

Kritik und Zustimmung auf Facebook

Facebook-Nutzer beschimpften Hallervorden, er solle sich schämen, weil er nicht die "genozidalen Terroristen der Hamas" für das Leid verantwortlich mache. Andere zeigten sich "zutiefst gerührt" von Hallervordens "Menschlichkeit". Das Gedicht wurde als "traurig und wachrüttelnd", Hallervorden selbst mehrfach als "Held" bezeichnet: "Seit 6 Monaten fühle ich mich alleingelassen und habe eine Wut und Trauer in mir, die ich kaum beschreiben kann. Ganze Generationen von gut integrierten deutsch Arabern hat den Boden unter den Füßen verloren durch das Verhalten der deutschen Regierung und den massiven Crackdown auf die Meinungsfreiheit."

"Münchenstehtauf" schrieb auf X: "Mit künstlerischer Sensibilität lenkt Hallervorden Aufmerksamkeit auf das unbeschreibliche Leid der Palästinenser und verurteilt das Massensterben in Gaza."

"Palim, palim, zwei Staaten her"

Es war aber auch von "falschem Pathos" die Rede: "Palim, palim, zwei Staaten her, das reimt sich fein auf Schuldumkehr." Ein Hallervorden-Fan fragte: "Glauben Sie ernsthaft, dass die Zwei-Staaten-Lösung den Nahost-Konflikt beendet?" Das Ziel der Terroristen sei die "Vernichtung Israels". Das Gedicht wurde als "armselige Politpropaganda" geschmäht.

"Hallervorden ist von sich selbst gerührt"

Die "Bild"-Zeitung (Externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) wetterte, Hallervorden habe ein "wirres" Gedicht vorgetragen: "Die deutschen Parteien – sie stecken laut Hallervorden alle mit Israel unter einer Decke. Eine Wahnvorstellung, mit der einige der übelsten Verschwörungstheorien der Welt beginnen." Volker Beck, der Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, bemerkte in dem Blatt: "Hallervorden ist sichtlich von sich selbst gerührt, versprüht ein peinliches Pathos und lässt kein antiisraelisches Klischee aus."

Bereits vor einigen Wochen hatte der Schauspieler einen Beitrag auf Instagram geteilt, in dem er sich gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu positionierte und die deutsche Regierung aufforderte, sich für ein Ende des Krieges zwischen Israel und der Hamas einzusetzen. 

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