Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, Mathias Döpfner
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Mathias Döpfner

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Wie läuft die Aufarbeitung der Döpfner-Affäre?

Ostdeutsche, Corona, Klimawandel: Nach den bekannt gewordenen Aussagen von Springer-Chef Mathias Döpfner ist die Kritik immer noch groß. Auch innerhalb des Verlags. Die öffentliche Aufarbeitung läuft aber nur schleppend. Ist sie überhaupt gewollt?

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Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es ist, im Axel-Springer-Verlag zu arbeiten, lohnt ein Anruf bei Georg Streiter sehr. Er hat jahrelang bei BILD gearbeitet. Unter anderem war er von 2005 bis 2009 Politikchef des Boulevardblatts. Streiter vergleicht das Betriebsklima mit einer Großküche, "in der sehr viel mit Heißwasser und anderen heißen Substanzen gekocht" werde. Außerdem verbringe man praktisch sein gesamtes Leben dort. "Das ist familienschädlich. Deshalb haben viele Leute auch keine Familie", so Streiter.

"Dummheit der handelnden Personen"

Georg Streiter war nach seiner Zeit bei BILD auch Sprecher der Bundesregierung. Das, was aktuell bei seinem früheren Arbeitgeber passiert, hätte er so nicht für möglich gehalten. Vor einer Woche hatte die Wochenzeitung "Die Zeit" Nachrichten des Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner an den früheren BILD-Chefredakteur Julian Reichelt öffentlich gemacht. Unter anderem schrieb Döpfner: "Please stärke FDP!" Eine solch plumpe Einflussnahme hat Georg Streiter in seiner Zeit bei BILD nicht erlebt, betont er.

Besonders wundert er sich über die "Dummheit der handelnden Personen". Man schreibe doch nicht was auf, was einem hinterher auf die Füße fallen könne. Sowohl Reichelt als auch Döpfner wüssten doch genau, wie das Geschäft funktioniere. Streiter denkt da an peinliche SMS von Prominenten, die BILD natürlich auch veröffentlichen würde.

Unmut in der Belegschaft groß

Diese Fassungslosigkeit ist auch in Gesprächen mit Mitarbeitenden aus dem Springer-Verlag zu hören. Öffentlich äußern wollte sich aber gegenüber BR24 niemand. Dass es in der Belegschaft brodelt, liegt auch an der Affäre rund um den früheren BILD-Chefredakteur Julian Reichelt. Diese wirkt immer noch nach. Ihm werden Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Das neue Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre nimmt auch auf die Vorgänge Bezug. Die von manchen erwartete Abrechnung ist es nicht direkt. Dafür aber ein süffisant geschriebener Gesellschaftsroman.

Viele vermuten auch, dass Reichelt die Nachrichten von Mathias Döpfner weitergegeben hat. Döpfner hat sich inzwischen in einem schriftlichen Statement öffentlich entschuldigt für seine Aussagen und sich gleichzeitig verteidigt. "Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – mir gelingt es nicht immer, private Nachrichten im korrekten Ton zu schreiben", schrieb er in einem knappen Statement.

Döpfners Entschuldigung in der Kritik

Wenige Zeilen der Entschuldigung für abfällige Äußerungen gegenüber Menschen in Ostdeutschland, die er in seinen SMS-Nachrichten "entweder (als) Kommunisten oder Faschisten" einsortiert hatte. Auf seine politische Einflussnahme oder die umstrittenen Äußerungen zum Klimawandel ging er nicht ein. Auch vielen Springer-Mitarbeitern ist das zu dünn.

Die aktuelle Situation ist dabei allerdings nicht nur für den Springer-Vorstandsvorsitzenden problematisch. Auch der gesamte Verlag könnte Schaden nehmen, analysiert Annika Sehl, Professorin für Journalistik an der Uni Eichstätt. Der Springer-Verlag rühme sich selbst, unabhängig und neutral zu sein. Gleichzeitig werfe er anderen Medien vor, dort Grenzen zu überschreiten, sagt Sehl. Weil Springer-Medien sich dabei selbst ausnehmen, sei man jetzt "in der Enge".

"Schotten dicht"

Der Springer-Verlag wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Der Verlag scheint nicht an einer transparenten Aufarbeitung interessiert zu sein. Dafür spricht auch eine interne Mail der neuen BILD-Chefredakteurin Marion Horn, aus der die Süddeutsche Zeitung zitiert. "Schotten dicht und arbeiten. Unfug abschneiden. Spaß haben", soll sie darin unter anderem als Motto ausgegeben haben.

Auch so lässt sich erklären, dass öffentlich keine Kritik am Verhalten der Führungsetage zu hören ist. Dass aus dem Haus heraus zur Affäre recherchiert oder berichtet würde, ist ebenfalls nicht wahrzunehmen. So, wie es zum Beispiel der rbb getan hatte, nachdem mehr und mehr Verfehlungen der ehemaligen Intendantin Schlesinger bekannt wurden.

Affäre könnte Vertrauen in Medien weiter sinken lassen

Annika Sehl plädiert dagegen für eine umfassendere Aufarbeitung. Nur durch transparente Kommunikation könne Vertrauen wiederhergestellt werden. Das sei wichtig, denn die Vorgänge fallen in eine Zeit, in der die Glaubwürdigkeit der Medien ohnehin bei manchen Bevölkerungsgruppen sinken würde, so die Kommunikationswissenschaftlerin. Ähnlich sieht das Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes. Bei vielen Menschen, die sich jetzt nicht jeden Tag mit der Medienszene beschäftigen, komme einfach nur an, dass da "etwas seltsame Typen unterwegs" seien.

Rückzug Döpfners?

Teilweise werden auch Rufe nach dem Rücktritt von Döpfner laut. Das ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn er ist nicht nur Vorstandsvorsitzender des Springer-Verlags. Sondern auch Miteigentümer. Unter den Anteilseignern verfügt Mathias Döpfner über mehr als 40 Prozent der Stimmrechte. Mit Spannung wird erwartet, ob und wie sich der US-amerikanische Investor KKR zur Affäre äußern wird, der rund ein Drittel der Anteile hält.

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